JudikaturJustiz14Os72/05b

14Os72/05b – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sasa J***** und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Sasa und Suzana J***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 21. Februar 2005, GZ 428 Hv 4/04h-148, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Sasa und Suzana J***** (richtig:) der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (Suzana J***** zu A. als unmittelbare Täterin, Sasa J***** zu G. als Beteiligter durch Unterlassen nach §§ 2, 12 dritter Fall StGB) sowie - zum Teil als Beteiligte durch Unterlassen nach §§ 2, 12 dritter Fall StGB - der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (B., C., H., I.), des Quälens oder Vernachlässigens einer unmündigen Person nach § 92 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (F., L.) und (richtig:) der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (D., E., J. und K.) schuldig erkannt. Danach haben (soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung) zwischen Mitte September und 28. November 2003 in Wien A.) Suzana J*****

durch mehrmaliges Einführen eines Kochlöffels in Vagina und After der am 7. September 1993 geborenen Jaqueline J***** mit einer unmündigen Person dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich die Defloration und blutige Schleimhauteinreißungen im Analkanal, zur Folge hatte;

B.) Suzana J*****

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sasa J*****:

Die Fragenrüge (Z 6) moniert das Unterbleiben der Stellung einer uneigentlichen Zusatzfrage nach dem nicht qualifizierten Delikt des § 206 Abs 1 StGB. Sie übergeht jedoch, dass die Geschworenen darüber belehrt wurden, dass es ihnen gemäß § 330 Abs 2 erster Satz StPO gestattet ist, eine Frage auch nur teilweise zu bejahen (vgl S 11 der schriftlichen Instruktion) und dass es nach § 317 Abs 2 StPO im Ermessen des Schwurgerichtshofes steht, im Gesetz namentlich angeführte Erschwerungsgründe in die Hauptfrage aufzunehmen. Von diesen Umständen ausgehend, unterlässt es der Beschwerdeführer darzulegen, warum trotzdem eine der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften verletzt worden sein soll (Schindler, WK-StPO § 316 Rz 3; RIS-Justiz RS0116961).

In der Tatsachenrüge (Z 10a) vermag der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf die Angaben der Jaqueline J*****, denen zufolge der Angeklagte während der von Suzana J***** an ihr verübten sexuellen Missbrauchsaktivitäten in einem anderen Zimmer war (S 51/II), und mit dem Versuch, seine Einlassung vor der Sicherheitsbehörde insbesondere durch Ausklammern des Wortes „dann", das im gebotenen Kontext eine Beobachtungsspanne ausdrückt (S 149/I), dahin zu interpretieren, dass er nach Betreten des Zimmers den vorerwähnten sexuellen Angriff gegen das unmündige Tatopfer „umgehend" beendet habe, auf Basis der gesamten Verfahrensergebnisse, welche mit Blick auf das Tatgeschehen bei den anderen Vorfällen mehrfache Verletzung der Erfolgsabwendungspflicht (§ 2 StGB) indizieren, keine erheblichen Bedenken gegen die dem Wahrspruch zur Hauptfrage G. zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Die Subsumtionsrüge (Z 12) unterzieht die festgestellten Verletzungen einer gesonderten Würdigung und behauptet, jede einzelne für sich sei nicht als schwer zu beurteilen. Sie unterlässt damit aber die gebotene Gesamtbetrachtung der für die Beurteilung der Rechtsfrage maßgeblichen in der Hauptverhandlung vorgekommenen Kriterien, wie Intensität und Ausmaß der Krankheitserscheinungen, Funktionsbeeinträchtigung, Schmerzen, Gefahr von Komplikationen und Möglichkeit weiterer gesundheitlicher Folgen. Der Nichtigkeitsgrund ist damit nicht prozessordnungsgemäß dargestellt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588), weil nicht ausgehend von dieser Gesamtbetrachtung dargelegt wird, inwiefern den - zum Wesen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB umfassend und korrekt belehrten (S 7 der schriftlichen Instruktion) - Geschworenen bei der Einstufung der gesamten tatkausalen Verletzungsfolgen in Summe als an sich schwer ein Rechtsirrtum unterlaufen sei (vgl Burgstaller/Fabrizy in WK² Rz 17 ff; Kienapfel/Schroll, BT I5 Rz 11 ff; Fabrizy, StGB8 Rz 3 ff; Leukauf/Steininger, Kommentar³ RN 7 ff; Mayerhofer, StGB5 E 9 ff jeweils zu § 84 StGB; 13 Os 79/04).

Soweit schließlich beantragt wird, den Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil zur Gänze aufzuheben, werden zu den weiteren Fakten keine Nichtigkeit bewirkenden Tatumstände konkretisiert (§§ 344, 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Suzana J*****:

In ihrer Subsumtionsrüge (Z 12) legt die Nichtigkeitswerberin zunächst korrekt die höchstgerichtliche Judikatur zur Idealkonkurrenz von § 92 StGB mit Körperverletzungsdelikten dar.

Wenn sie daran anschließend lediglich vorbringt, „dazu vermeine ich, dass infolge der strengeren Strafdrohung des Deliktes nach § 206 Abs 1 und Abs 3 StGB mit einem Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren (dieses) in Idealkonkurrenz zu § 92 StGB steht", verabsäumt sie die gebotene Darstellung, welcher Rechtsfehler dem Schuldspruch zu F.) wegen des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens einer unmündigen Person nach § 92 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB, teilweise in Form der Beteiligung durch Unterlassen nach §§ 2, 12 dritter Fall StGB anhaften soll, zumal im angefochtenen Urteil gerade Idealkonkurrenz angenommen wurde.

Sollte der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen gemeint haben, es liege keine Idealkonkurrenz zwischen § 92 StGB und Sittlichkeitsdelikten vor, so fehlt es für diese Behauptung an jeglicher Begründung (im Übrigen vgl hiezu Hauptmann/Jerabek in WK² Rz 28; Kienapfel/Schroll BT I5 Rz 40 jeweils zu § 92 StGB). Die weiteren Rechtsmittelausführungen zu § 92 Abs 2 StGB gehen ins Leere, weil kein Schuldspruch nach dieser Gesetzesstelle erging, sondern ein solcher wegen § 92 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB. Soweit auch diese Angeklagte die Aufhebung des Wahrspruches der Geschworenen und des darauf beruhenden Urteils zur Gänze beantragt, obwohl inhaltlich nur der Schuldspruch F. angefochten wird, werden keine Tatumstände bestimmt und deutlich bezeichnet, die bei den weiteren Urteilsfakten Nichtigkeit bewirken könnten (§§ 344, 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sasa J***** war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, jene der Angeklagten Sasa J***** zur Gänze als nicht gesetzmäßig ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d StPO).

Daraus folgt, dass zur Entscheidungen über die Berufungen der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§§ 344, 285i StPO). Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.