JudikaturJustiz14Os62/21f

14Os62/21f – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Csencsits in der Strafsache gegen ***** A***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 2 erster Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 1. April 2021, GZ 601 Hv 2/21a 161, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** A***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 2 erster Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB (1./) sowie des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach (richtig:) §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

1./ in W***** und andernorts gewerbsmäßig und im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ***** P***** fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert Nachgenannten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar

I./ zwischen 10. und 13. November 2018 ***** Pi***** ein Motorrad im Wert von 19.000 Euro sowie eine Freisprecheinrichtung, ein Topcase, einen Sturzhelm und schwarze Motorrad Handschuhe im Gesamtwert von 1.000 Euro;

II./ am 11. November 2018 ***** G***** ein Motorrad im Wert von zirka 10.000 Euro;

IV./ zwischen 14. und 16. November 2018 ***** B***** zwei Motorräder im Gesamtwert von zirka 10.300 Euro;

V./ am 20. November 2018 in W***** ***** F***** ein Motorrad im Wert von zirka 10.000 Euro;

2./ am 28. Oktober 2020 in G***** mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihren Rechten auf einen den gesetzlichen Zwecken entsprechenden Strafvollzug (hier gemeint [US 5 f]:) durch Verhinderung eines zensurfreien (vgl §§ 21 Abs 1, 86, 96a StVG) Kontakts mit der Außenwelt und auf Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Strafvollzug zu schädigen, den Justizwachebeamten ***** K***** wissentlich (US 6) zu bestimmen versucht, seine Befugnis, im Namen des Bundes Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, indem er diesen bat, „er solle es nicht so genau nehmen“ und „er solle bitte gehen“ und das in seinem Haftraum gefundene Mobiltelefon nicht wegnehmen, obwohl er wusste, dass der Justizwachebeamte zur Abnahme des Mobiltelefons, zu dessen Besitz der Angeklagte im Strafvollzug nicht berechtigt war, verpflichtet ist, wobei es beim Versuch blieb, weil K***** der Aufforderung nicht nachkam.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] D ie zum Schuldspruch 1./ erhobene Mängelrüge ( der Sache nach Z 5 zweiter Fall) behauptet , das Erstgericht habe außer Acht gelassen, dass der Zeuge P***** (nunmehr) angegeben hätte, die Taten gemeinsam mit einer anderen Person als dem Angeklagten begangen zu haben, weshalb „alleine“ aus den detaillierten Schilderungen des P***** im gegen ihn geführten Verfahren nicht geschlossen werden könne, dass dieser damals in Bezug auf den Mittäter die Wahrheit gesagt habe.

[5] Sie übersieht, dass das Schöffengericht den Aussagen des genannten Zeugen im gegenständlichen Verfahren „vor dem Hintergrund“ der diesen „gänzlich widersprechenden Angaben in seinem Verfahren“ nicht geglaubt hat (US 7 f), weshalb es unter dem Aspekt der Unvollständigkeit nicht verhalten war, auf ihren Inhalt näher einzugehen (RIS Justiz RS0098642) .

[6] Soweit die Beschwerde sich gegen die richterliche Annahme der Unglaubwürdigkeit des Zeugen wendet, Überlegungen zur Wahrheitspflicht desselben im gegenständlichen Verfahren anstellt und die Einschätzungen der Tatrichter einerseits zum Umstand, dass der Angeklagte und der Zeuge vor der Hauptverhandlung gemeinsam in einer Abteilung der Justizanstalt untergebracht waren, andererseits zum Blickkontakt des Zeugen mit dem Angeklagten und zu seiner „fast phlegmatische(n) Gebarung“ während der Zeugenvernehmung (US 7) kritisiert, greift sie in unzulässiger Form – nämlich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung – die Beweiswürdigung des Schöffengerichts an.

[7] Mit dem Vorbringen, das Erstgericht habe den Text des von der Mutter des Angeklagten verfassten und an P***** gerichteten Schreibens falsch interpretiert und dieses enthalte weder eine Drohung noch das Anbot einer Gegenleistung für die „Richtigstellung des Sachverhalts“, wird ein Begründungsmangel nicht zur Darstellung gebracht. Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt im Übrigen nur vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt eines Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, während dessen Wertung im Rahmen des § 258 Abs 2 StPO erfolgt (RIS-Justiz RS0099431).

[8] Ebenfalls kein Begründungsdefizit iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO spricht die Beschwerde mit ihrer Kritik an, das Erstgericht sei „unverständlicherweise zum Ergebnis“ gekommen, dass die Rufnummer ***** dem Angeklagten zuzuordnen sei (vgl im Übrigen US 8).

[9] Zum Schuldspruch 1./IV./ (Tatzeitraum 14. bis 16. November 2018) sprach aus Sicht des Schöffengerichts (unter anderem) der Umstand, dass das Mobiltelefon des Angeklagten am 16. November 2018 im Raum H***** eingeloggt war und A***** mit dem in (nur wenige Kilometer entfernten) K***** eingeloggten P***** telefonierte, deshalb nicht gegen eine Tatbegehung durch den Beschwerdeführer, weil es für diesen leicht gewesen sei, innerhalb weniger Minuten in K***** zu sein (US 9). Entgegen der Rüge (der Sache nach Z 5 vierter Fall) widerspricht dieser Schluss – auch unter Berücksichtigung des in der Beschwerde reklamierten Umstands, dass sich die Telefone des Angeklagten und des P***** nach 18:00 Uhr dieses Tages in entgegengesetzte Richtungen entfernt haben – weder den Kriterien logischen Denkens noch grundlegenden Erfahrungen (RIS Justiz RS0116732, RS0098362).

[10] Soweit das Vorbringen zugleich als Tatsachenrüge (Z 5a) geltend gemacht wird, entzieht es sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil der wesensmäßige Unterschied der Nichtigkeitsgründe und das daraus resultierende Erfordernis getrennter Ausführung vernachlässigt wird (vgl RIS-Justiz RS0115902).

[11] Die Forderung (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) nach Berücksichtigung von Beweisergebnissen „im Zusammenhang mit dem (wenn auch bereits verurteilten) Diebstahl“ eines Motorrads am 12. November 2018, nämlich von Fingerabdrücken des Angeklagten und einer weiteren Person auf einem am damaligen Tatort sichergestellten Klebeband, welches der Angeklagte aber seinen Angaben zufolge zwecks Überklebung eines Risses in seinem P***** geborgten Fahrzeug angebracht habe, bezieht sich nicht auf ein erhebliches Verfahrensergebnis, das also für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache im gegenständlichen Verfahren von Bedeutung sein könnte (RIS-Justiz RS0116877). Das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen, durch dieses Beweisergebnis würde die Verantwortung des Angeklagten Sinn ergeben und wäre belegt, dass die nunmehrigen Angaben des Zeugen P***** der Wahrheit entsprechen und dessen ursprüngliche Belastungen unrichtig gewesen seien, läuft abermals auf eine in dieser Form unzulässige Beweiswürdigungskritik hinaus.

[12] Entgegen dem zu 2./ erhobenen Beschwerdeeinwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht auf die Aussage des Zeugen K***** und das Tatsachengeständnis des Angeklagten gestützt, sondern – von der Rüge übergangen (vgl aber RIS Justiz RS0119370) – unter Erörterung der insoweit leugnenden Einlassung des Beschwerdeführers aus dem detailliert dargestellten (US 5) objektiven Tatgeschehen abgeleitet (US 9 f).

[13] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zum Schuldspruch 2./ Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten, dass durch den Befugnisfehlgebrauch des Beamten jemand anderer an dessen Rechten geschädigt wird. Sie übergeht dabei prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099775), dass es dem Angeklagten nach den getroffenen Feststellungen (US 5 f) darauf ankam, „zu erwirken, dass der Justizwachebeamte (…) in wissentlicher Missachtung dieser Befugnisse ['nämlich dem Angeklagten das in der Justizanstalt für Insassen nicht erlaubte Handy abzunehmen und den Vorfall zu melden'] dem Angeklagten das Mobiltelefon unerlaubt lässt und dadurch als Organ des Bundes in Vollziehung der Gesetze diesen in seinen Rechten, nämlich auf Abstandnahme des Kontaktes mit der Außenwelt und der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung während des Strafvollzugs, schädigte“. Damit wurde mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass der Vorsatz des Angeklagten auf die Vereitelung der Abschließung des Strafgefangenen (§ 21 Abs 1 StVG) durch Ermöglichen eines (gesetzwidrigen [§§ 86 Abs 1 und 96a StVG]) zensurfreien Kontakts mit der Außenwelt und damit auf Schädigung des Staates in seinen Rechten auf Erreichen der gesetzlich vorgesehenen Zwecke des Strafvollzugs (§ 20 Abs 1 StVG; siehe auch US 2) sowie auf die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in den Anstalten (§ 20 Abs 2 StVG) gerichtet war (vgl dazu RIS Justiz RS0093035 [dort va 17 Os 3/15t und 17 Os 31/15k]; Nordmeyer in WK 2 StGB § 302 Rz 158, 167).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[15] Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.