JudikaturJustiz14Os60/22p

14Os60/22p – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer und Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Fleischhacker in der Strafsache gegen * N* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 2 U 34/21p des Bezirksgerichts Gmünd, über die Grundrechtsbeschwerde des Verurteilten gegen die Urteile des Bezirksgerichts Gmünd vom 4. Oktober 2021, GZ 2 U 34/21p 22, und des Landesgerichts Krems an der Donau vom 28. April 2022, AZ 11 Bl 4/22d (ON 35 der U Akten) sowie gegen die Aufforderung zum Strafantritt vom 10. Mai 2022 (ON 36) und über die damit verbundenen Anträge auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung und Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde und der Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung werden zurückgewiesen, jener auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil vom 4. Oktober 2021 sprach der Einzelrichter des Bezirksgerichts Gmünd * N* zweier Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe (ON 22). Der dagegen erhobenen Berufung gab das Landesgericht Krems an der Donau mit Urteil vom 28. April 2022 keine Folge (ON 35). Am 10. Mai 2022 forderte das Bezirksgericht Gmünd N* zum Strafantritt auf (ON 36).

Rechtliche Beurteilung

Gegen die genannten Urteile und gegen letztgenannten Vorgang richtet sich die am 27. Mai 2022 direkt beim Obersten Gerichtshof eingebrachte – nicht von einem Verteidiger unterschriebene – Grundrechtsbeschwerde des Verurteilten.

Da gegen die Verhängung und den Vollzug einer Freiheitsstrafe wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung das GRBG nicht gilt (§ 1 Abs 2 GRBG; RIS Justiz RS0061089 [T11]; Kier in WK² GRBG § 1 Rz 52 ff), ist die Grundrechtsbeschwerde nicht zulässig. Aus diesem Grund war sie – ohne Vorgehen nach § 3 Abs 2 zweiter Satz GRBG ( Kier in WK² GRBG § 3 Rz 33; RIS Justiz RS0061469) und Kostenzuspruch nach § 8 GRBG – zurückzuweisen. Ebenso war mit dem Antrag auf Zuerkennung von gesetzlich nicht vorgesehener aufschiebender Wirkung (§ 5 GRBG) zu verfahren.

Im Hinblick auf die Unzulässigkeit und solcherart (offenkundige) Aussichtslosigkeit des erhobenen Rechtsbehelfs war der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers abzuweisen (vgl RIS Justiz RS0127077).

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die ausdrücklich als „Grundrechtsbeschwerde“ bezeichnete Eingabe des Verurteilten mangels nachvollziehbaren Bezugs zu einem Grundrecht und substantiierter oder schlüssiger Benennung einer Konventionsverletzung aus der – hiefür maßgeblichen – Sicht des Obersten Gerichtshofs auch aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung nicht als Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO zu werten war (vgl im Übrigen § 363b Abs 2 Z 1 StPO; RIS Justiz RS0122737 [T30] sowie die – auch ein allfälliges Verfahren auf Grund eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens umfassende – Begebung eines Verteidigers, ON 14).

Rechtssätze
4
  • RS0122737OGH Rechtssatz

    18. März 2024·3 Entscheidungen

    Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge. So kann der Oberste Gerichtshof unter anderem erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden. Hieraus folgt für die Fälle, in denen die verfassungskonforme Auslegung von Tatbeständen des materiellen Strafrechts in Rede steht, dass diese Problematik vor einem Erneuerungsantrag mit Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 oder Z 10, § 468 Abs 1 Z 4, § 489 Abs 1 zweiter Satz StPO) geltend gemacht worden sein muss. Steht die Verfassungskonformität einer Norm als solche in Frage, hat der Angeklagte unter dem Aspekt der Rechtswegausschöpfung anlässlich der Urteilsanfechtung auf die Verfassungswidrigkeit des angewendeten Strafgesetzes hinzuweisen, um so das Rechtsmittelgericht zu einem Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG zu veranlassen. Wird der Rechtsweg im Sinn der dargelegten Kriterien ausgeschöpft, hat dies zur Folge, dass in Strafsachen, in denen der Oberste Gerichtshof in zweiter Instanz entschieden hat, dessen unmittelbarer (nicht auf eine Entscheidung des EGMR gegründeter) Anrufung mittels Erneuerungsantrags die Zulässigkeitsbeschränkung des Art 35 Abs 2 lit b erster Fall MRK entgegensteht, weil der Antrag solcherart „im wesentlichen" mit einer schon vorher vom Obersten Gerichtshof geprüften „Beschwerde" übereinstimmt.