JudikaturJustiz14Os56/01

14Os56/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mamadou Yaya B***** wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse

1. des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Dezember 1996, GZ 5c E Vr 10542/94-92, und

2. des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 25. Feber 1997, AZ 21 Bs 410/96 (= ON 97), sowie

die Vorgänge, dass beim Landesgericht für Strafsachen Wien eine öffentliche Verhandlung über die von Mamadou Yaya B***** nach § 2 Abs 1 lit b StEG geltend gemachten Ersatzansprüche und die öffentliche Verkündung des vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 2. Dezember 1996 gefassten Beschlusses (ON 92) unterblieben sind, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Freigesprochenen und des Verteidigers Mag. Embacher zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Mamadou Yaya B*****, AZ 5c E Vr 10.542/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, wurde durch die Unterlassung einer öffentlichen Verhandlung über die vom Genannten nach § 2 Abs 1 lit b StEG geltend gemachten Ersatzansprüche, durch die Unterlassung der öffentlichen Verkündung des von diesem Gericht am 2. Dezember 1996 gefassten Beschlusses (ON 92) sowie dadurch, dass diese Mängel vom Oberlandesgericht Wien anlässlich der Beschlussfassung vom 25. Feber 1997 (ON 97) über die Beschwerde des Mamadou Yaya B***** nicht wahrgenommen wurden, das Gesetz in den Bestimmungen des § 6 Abs 3 und Abs 4 StEG iVm Art 6 Abs 1 EMRK verletzt.

Die genannten Beschlüsse werden aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien die (an den dargelegten Verfahrensgrundsätzen orientierte) Verfahrenserneuerung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. November 1994, GZ 5c E Vr 10.542/94-29, wurde Mamadou Yaya B***** von der gegen ihn wegen der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB erhobenen Anklage (Strafantrag ON 10) gemäß § 259 Z 3 StPO "im Zweifel" (AS 133a - 133e) rechtskräftig freigesprochen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Dezember 1996 (ON 92) wurde im zweiten Rechtsgang - ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und ohne öffentliche Verkündung der Entscheidung - festgestellt, dass die Voraussetzung für eine Entschädigung für die in diesem Verfahren in der Zeit vom 22. September 1994, 22.10 Uhr, bis 24. November 1994, 11.30 Uhr, erlittene Vorhaft des Mamadou Yaya B***** nicht vorliegen. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Genannten gab das Oberlandesgericht Wien - gleichfalls ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung - mit nicht öffentlich kundgemachtem Beschluss vom 25. Feber 1997, AZ 21 Bs 410/96 (ON 97), nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde (§ 33 Abs 2 StPO) auf, dass im zweiten Rechtsgang des Verfahrens zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen des Mamadou Yaya B***** nach § 2 Abs 1 lit b StEG strafprozessuale Prinzipien verletzt wurden, sind doch sowohl die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung als auch die öffentliche Verkündung der Entscheidung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Obersten Gerichtshofes in jedem Fall unabdingbare Kriterien eines den Verfahrensgarantien nach Art 6 Abs 1 EMRK entsprechenden Entschädigungsverfahrens (EvBl 2001/36; 12 Os 106/00, 15 Os 136/00, jeweils mwN).

Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen verlangen über ihre Feststellung hinaus ein Vorgehen nach § 292 letzter Satz StPO.

Rechtssätze
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