JudikaturJustiz14Os46/14t

14Os46/14t – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kotanko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario D***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. April 2014, GZ 083 Hv 12/14p 53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der angefochtene Beschluss wird zur Klarstellung beseitigt.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. April 2014, AZ 083 Hv 12/14p, wurde Mario D***** von den mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 24. Dezember 2013 (ON 22) gegen ihn erhobenen Vorwürfen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (ON 48 S 19 f).

Mit Schriftsatz vom 3. April 2014 sohin innerhalb der dreitägigen Frist des § 284 Abs 1 StPO meldete die Anklagebehörde dagegen „die Berufung wegen Nichtigkeit“ und „wegen des Ausspruchs über die Schuld“ an (ON 52).

Ohne das Urteil auszufertigen, wies die Vorsitzende des Schöffengerichts die „angemeldete Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld“ mit dem angefochtenen Beschluss „als unzulässig“ zurück und führte dazu unter Berufung auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (14 Os 159/02) - im Wesentlichen aus, dass eine Nichtigkeitsbeschwerde innerhalb der dreitägigen Frist nicht angemeldet worden sei und dass es sich bei der dagegen angemeldeten Berufung wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über die Schuld „um ein im Schöffenverfahren unzulässiges Rechtsmittel“ handle.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

Rechtliche Beurteilung

Zur Zurückweisung einer Berufung (in analoger Anwendung des § 285a Z 1 erster Fall StPO) fehlt dem Erstgericht die Kompetenz (§§ 285a, 294 Abs 3 und Abs 4, 296 Abs 2 StPO), weshalb die dagegen gerichtete Beschwerde mangels gesetzlichen Bezugspunkts dieses Rechtsmittels zurückzuweisen und der demnach wirkungslose Beschluss zur Klarstellung zu beseitigen war ( Ratz , WK StPO § 285b Rz 6, § 292 Rz 45; vgl RIS-Justiz RS0116270; [insbesondere T3]; 13 Os 187/08m, 13 Os 155/09g, EvBl 2010/48, 324).

Davon abgesehen ist in der Anmeldung einer „Berufung wegen Nichtigkeit“ entgegen der Ansicht der Vorsitzenden des Schöffengerichts sehr wohl die Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde zu erblicken, womit unter dem Aspekt deren rechtzeitiger Anmeldung eine unbeachtliche Fehlbezeichnung vorliegt (so schon 13 Os 185/86, 13 Os 186/86; RIS-Justiz RS0101785). Die vom Erstgericht ins Treffen geführte höchstgerichtliche Entscheidung betraf im Übrigen den hier nicht vorliegenden Fall einer ausschließlich „wegen Schuld“ angemeldeten Berufung gegen ein Urteil eines Schöffengerichts, deren Beurteilung als Anmeldung eines gegen die Strafe oder den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche (§ 283 StPO) gerichteten Rechtsmittels der Oberste Gerichtshof ausschloss.

Das Erstgericht wird das angefochtene Urteil daher auszufertigen und der Staatsanwaltschaft eine Abschrift davon zur Ausführung der nach dem Vorgesagten rechtzeitig angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde zuzustellen haben.

Rechtssätze
2
  • RS0125616OGH Rechtssatz

    15. September 2021·3 Entscheidungen

    Die Anmeldung von Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung ist, selbst wenn sie unmittelbar nach der (noch zur Hauptverhandlung im weiteren Sinn zählenden - § 268 zweiter Satz StPO) Rechtsmittelbelehrung erfolgt, nicht mehr Gegenstand der mit dieser jedenfalls endenden Hauptverhandlung. Wird „im Zuge" der Urteilsverkündung ein Rechtsmittel angemeldet, ist dieser Vorgang zwar zu protokollieren (§ 84 Abs 2 erster Satz StPO); dieser Protokollsinhalt gehört aber nicht zu dem „über die Hauptverhandlung" aufzunehmenden Protokoll des § 271 StPO, hinsichtlich dessen die - solcherart als Ausnahme angelegte (mit BGBl I 2004/164 eingefügte) - Vorschrift des § 271 Abs 7 StPO beschlussförmige (§ 35 Abs 2 erster Fall StPO) und mit Beschwerde bekämpfbare Berichtigung kennt. Demnach sind innerhalb derselben Gerichtssitzung unmittelbar nach der Urteilsverkündung abgegebene Rechtsmittelerklärungen (auch der Staatsanwaltschaft nach §32 Abs 1 StAG) zwar - der Übersichtlichkeit halber im Anschluss an Urteilsspruch (§ 271 Abs 1 Z 7 StPO) und der „zugleich" (§ 268 zweiter Satz StPO) erteilten Rechtsmittelbelehrung - zu protokollieren, jedoch nicht Gegenstand einer Beschlussfassung nach § 271 Abs 7 StPO. Ein gleichwohl unter Berufung auf diese Vorschrift ergangener Beschluss ist wirkungslos. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde ist mangels des vom Gesetz geforderten Bezugspunkts dieses Rechtsmittels (nämlich eines Beschlusses nach § 35 Abs 2 erster Fall StPO) zurückzuweisen.