JudikaturJustiz14Os33/93

14Os33/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. März 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof. Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann N***** wegen des Verbrechens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 und 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6.November 1992, GZ 28 E Vr 1970/92-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Gesetz wurde verletzt:

1./ durch das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6.November 1992, GZ 28 E Vr 1970/92-12, in der Bestimmung des § 439 Abs. 1 StPO;

2./ durch den Vorgang der Ausfertigung des erwähnten Urteils in gekürzter Form in der Bestimmung des § 488 Z 7 letzter Halbsatz StPO.

Das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6.November 1992, GZ 28 E Vr 1970/92-12, das im übrigen unberührt bleibt, wird in der Anordnung der Unterbringung des Johann N***** gemäß § 22 Abs. 1 StGB in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher aufgehoben und es wird dem Landesgericht Linz insoweit die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6.November 1992, GZ 28 E Vr 1970/92-12, wurde Johann N***** des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 und 2 StGB schuldig erkannt. Er wurde hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt; weiters ordnete das Gericht gemäß § 22 Abs. 1 StGB seine - bisher noch nicht vollzogene - Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher an. Außerdem faßte es gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO den Beschluß auf Widerruf einer bedingten Entlassung.

Das Protokoll über die Hauptverhandlung wurde gemäß §§ 488 Z 7, 458 Abs. 2 StPO durch einen Vermerk ersetzt, das Urteil gemäß §§ 488 Z 7, 458 Abs. 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigt. Aufgrund der Verfügung des Einzelrichters vom 26.November 1992 wurde schließlich ein der Vorschrift des § 271 Abs. 1 bis Abs. 3 StPO entsprechendes Protokoll hergestellt. Nach diesem - vollen Beweis machenden - Protokoll war während der Hauptverhandlung kein Verteidiger anwesend. Im Protokollsvermerk bzw in der gekürzten Urteilsausfertigung ist der Name eines Verteidigers nicht angeführt; der Beschuldigte wurde demgemäß auch über die Möglichkeit des § 268 Abs. 2 StPO belehrt.

Rechtliche Beurteilung

Das erwähnte Urteil und seine Ausfertigung stehen mit dem Gesetz (§§ 439 Abs. 1, 488 Z 7 StPO) nicht im Einklang.

Nach dem § 439 Abs. 1 StPO ist die Anordnung der in den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenen Maßnahmen nichtig, wenn nicht während der ganzen Hauptverhandlung ein Verteidiger des Beschuldigten anwesend war.

Gemäß § 488 Z 7 letzter Halbsatz StPO kann das Urteil des Einzelrichters des Gerichtshofes erster Instanz unter den im § 458 Abs. 2 erster Satz StPO bezeichneten Voraussetzungen in gekürzter Form ausgefertigt werden (§ 458 Abs. 3 StPO), es sei denn, daß eine ein Jahr übersteigende Freiheitsstrafe verhängt oder eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme angeordnet worden ist. Die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach dem § 22 Abs. 1 StGB stellt eine solche Maßnahme dar.

Da die aufgezeigten Gesetzesverletzungen dem Angeklagten zum Nachteil gereichen, ist ein Vorgehen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 292 letzter Satz StPO geboten.

Der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher stattzugeben und wie im Spruch zu erkennen.