JudikaturJustiz14Os23/17i

14Os23/17i – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Amir A***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Dezember 2016, GZ 142 Hv 77/16h 105, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Dr. Kier, des Privatbeteiligtenvertreters Mag. Rauf sowie des Dolmetschers Mag. Dr. Havrest zu Recht erkannt:

Spruch

1/ In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Amir A***** wird unter Anwendung der § 28 Abs 1 und § 39a Abs 1 Z 2 StGB sowie § 19 Abs 1 JGG iVm § 5 Z 4 JGG (unter Einbeziehung des rechtskräftigen Schuldspruchs zu GZ 151 Hv 71/16f 69 des Landesgerichts für Strafsachen Wien) nach § 206 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

vier Jahren

verurteilt.

2/ Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

3/ Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

4/ Der Berufung des Angeklagten gegen den Privatbeteiligtenzuspruch wird nicht Folge gegeben.

5/ Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Amir A***** im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 14 Os 87/16z) eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. Dezember 2015 in Wien Damir R***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem er ihn am Handgelenk ergriff, in eine WC Kabine zog, diese versperrte, ihm die Badehose hinunterzog, ihn umdrehte, an den Hüften festhielt und fixierte, wodurch er Hämatome erlitt, ihn mit seinem erigierten Penis anal penetrierte, ihn dann umdrehte, auf dem Bauch des Opfers ejakulierte und das Ejakulat mit seinem Penis auf dessen Bauch verteilte, obwohl Damir R***** deutlich zu verstehen gab, dass er dies nicht wolle und es ihm weh tue, um Hilfe schrie, weinte und auch erfolglos versuchte, Amir A***** wegzustoßen und die Tür zu öffnen, um zu entkommen, dieser aber die Hand des Opfers von der Tür wegzog und dieses festhielt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 10 und 11 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Weshalb das Unterbleiben einer Zitierung des (nur) für die Strafrahmenbildung relevanten (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 666) § 36 StGB (zusätzlich zu § 19 Abs 1 JGG iVm § 5 Z 4 JGG) fehlerhafte Subsumtion (Z 10) nach sich ziehen soll, erklärt die auf diese Nichtigkeitskategorie gestützte Rüge nicht. Davon abgesehen ist das Erstgericht ohnehin (nach § 206 Abs 3 StGB unter Anwendung des § 19 Abs 1 JGG iVm § 5 Z 4 JGG) vom richtigen Strafrahmen (einer „Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren ohne Untergrenze“ [US 4 f]) ausgegangen, hat also seine Strafbefugnis nicht überschritten.

Im Recht ist allerdings die Sanktionsrüge, indem sie offenbar unrichtige Beurteilung für die Strafbemessung maßgebender entscheidender Tatsachen rügt (Z 11 zweiter Fall).

Das Erstgericht hat im Rahmen allgemeiner Strafbemessungserwägungen (§ 32 Abs 3 StGB) die „Schwere der Verbrechen“ und die (nicht näher spezifizierten) „nicht absehbaren Folgen“ für das Opfer (zum Nachteil des Beschwerdeführers) in Anschlag gebracht (US 5). Sollte mit dieser (unklaren) Formulierung auf die (nach dem bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch) qualifizierenden, mithin die Strafdrohung des § 206 Abs 3 StGB bestimmenden Tatfolgen verwiesen werden, würde dies einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) bedeuten.

Zwar können auch außertatbestandliche Folgen als Teil des Erfolgsunwerts einer Tat in die Strafbemessung einfließen (vgl Ebner in WK 2 StGB § 32 Rz 85; RIS Justiz RS0094501; 17 Os 34/14z). Werden solche Folgen allerdings beim Strafausspruch in Rechnung gestellt, bilden sie für diesen also eine maßgebende Tatsache (vgl RIS Justiz RS0116960), setzt dies dahingehende Feststellungen (mit ausreichendem Sachverhaltsbezug) voraus ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 684, 686, 692, 696, 698). Da dem angefochtenen Urteil nicht ansatzweise zu entnehmen ist, welche Folgen mit der kritisierten Formulierung gemeint sein könnten, war der solcherart mit einem Rechtsfehler mangels Feststellungen behaftete Sanktionsausspruch – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – aufzuheben.

Bei der dadurch erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof (unter Einbeziehung des rechtskräftigen Schuldspruchs wegen je eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB [vgl 14 Os 87/16z]) erschwerend das Zusammentreffen dreier Verbrechen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), mildernd hingegen die Begehung der Taten nach Vollendung des achtzehnten, jedoch vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres (§ 34 Abs 1 Z 1 StGB), den bisher ordentlichen Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) und das reumütige Geständnis des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB).

Unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer kommt dem Angeklagten – wie mit Blick auf dessen Berufungsvorbringen angemerkt wird – nicht zugute. Der Straffall wird mit der heutigen Entscheidung in weniger als eineinhalb Jahren (zum maßgeblichen Zeitraum vgl RIS Justiz RS0124901) rechtskräftig beendet; Phasen längerer behördlicher Inaktivität sind nicht ersichtlich.

Im Rahmen allgemeiner Strafbemessungs-erwägungen war überdies – wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung zutreffend ausführt – die vom Erstgericht nicht qualifizierend (vgl § 201 Abs 2 vierter Fall StGB) beurteilte Begehungsweise (Ejakulieren auf den Bauch des Opfers und anschließendes Verteilen des Spermas auf dessen Bauch) zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen.

Davon ausgehend entspricht eine Freiheitsstrafe von vier Jahren dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten sowie der Täterpersönlichkeit.

Die Anrechnung der nach Fällung des Urteils erster Instanz erlittenen Vorhaft kommt gemäß § 400 Abs 1 StPO dem Erstgericht zu.

Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der gegen den Privatbeteiligtenzuspruch gerichteten Berufung war keine Folge zu geben. Gründe, weshalb dieser „verfehlt“ sei, wurden nicht vorgebracht. Das zugesprochene Schmerzengeld findet in den auf das Sachverständigengutachten (ON 67 und ON 68 S 8) gestützten Feststellungen des Erstgerichts zur Dauer der vom Angeklagten verschuldeten Gesundheitsschädigung (US 5) Deckung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.