JudikaturJustiz14Os162/03

14Os162/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günter K***** wegen der Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. August 2003, GZ 22 Hv 40/03d-32, sowie über seine Beschwerde (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günter K***** der Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 erster Fall (A) sowie der Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 (erster, zweiter, dritter und vierter Fall) StGB (B), der teils im Entwicklungsstadium des Versuchs verbliebenen (§ 15 StGB) Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C) sowie der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D) schuldig erkannt.

Demnach hat er in Graz

A) nachstehend angeführte slowakische Staatsangehörige, mögen sie

auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zugeführt, indem er sie von der Slowakei nach Graz zunächst in die P*****-Straße ***** verbrachte, sie anschließend in die Wohnung M*****straße ***** einwies, ihnen die Einzelheiten ihrer auszuübenden Tätigkeit, insbesondere die für die einzelnen geschlechtlichen Handlungen zu verlangenden Preise erklärte und ihnen zu verstehen gab, dass sie den gesamten Schandlohn an ihn abliefern müssen, und zwar

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 "Z 9" StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Rechtsrüge (inhaltlich Z 9 lit a) verabsäumt es nämlich, die behaupteten rechtlichen Konsequenzen methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588). Dies gilt für die unter isolierter Berufung auf die Lehrmeinung von Bertel/Schwaighofer BT II4 § 216 Rz 9 aufgestellte These, leichte Körperverletzungen (Fakten C 2. und 3.) würden durch das Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 konsumiert, wenn sie dazu dienen, das Opfer zur weiteren Ausübung der Prostitution zu bewegen. Im Übrigen liegt Scheinkonkurrenz iS einer Konsumtion vor, wenn aus wertender Sicht alle Tatbestandselemente des einen Delikts regelmäßig und typisch im anderen enthalten sind. Denn nur dann wird der Unrechtsgewalt des verdrängten Delikts vom anderen voll erfasst (vgl Kienapfel/Höpfel AT10 E 8 Rz 30). Eine Körperverletzung ist aber im Delikt der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 StGB weder regelmäßig noch typisch enthalten, sodass auch der Unrechtsgehalt der anlässlich einer (Nötigungselemente aufweisenden) Einschüchterung zugefügten Beeinträchtigung der körperlichen Integrität von der Zuhälterei nicht vollständig miterfasst wird. Darüber hinaus ist bei einer (die Gewaltanwendung als Begehungsmittel nicht einmal nennenden) Einschüchterung iSd § 216 Abs 2 StGB für den Eintritt von Verletzungsfolgen auch keine höhere Strafdrohung vorgesehen. Hat daher die (hier zur Einschüchterung) eingesetzte Gewalt eine Körperverletzung zur Folge (was nicht zwangsläufig sein muss), dann ist eintätiges Zusammentreffen zwischen einem (im weitesten Sinn verstandenen) Nötigungstatbestand und einem die körperliche Integrität schützenden Delikt anzunehmen (vgl Philipp in WK2 § 216 Rz 28; Kienapfel/Schroll BT II5 § 105 Rz 88; Leukauf/Steininger StGB3 § 105 RN 39 und § 216 RN 22; Hinterhofer BT II3 110; EvBl 1980/33; SSt 5/26; SSt 46/79; 13 Os 74/95; aA Burgstaller JBl 1978, 460; ders in WK2 § 83 Rz 46; Fabrizy StGB8 § 105 Rz 9 [anders aber offenbar ders aaO § 216 Rz 7]; Bertel/Schwaighofer BT I7 § 105 Rz 32 und BT II4 § 216 Rz 9; Schwaighofer in WK2 § 105 RN 100).

Des weiteren interpretiert der Beschwerdeführer den Begriff des "Zuführens" bloß grammatikalisch als (qualifizierte) Vermittlertätigkeit und zieht daraus den Schluss, dass die (späteren) Tätigkeiten der Prostituierten nicht für den Täter, sondern für einen Dritten geleistet werden müssen. Insoweit verfehlt er den Vergleich mit dem gesamten hier anzuwendenden Gesetz, welches verlangt, dass der Täter die Opfer der gewerbsmäßigen Unzucht in einem fremden Staat zuführt.

Hinsichtlich der übrigen Fakten unterlässt es die - das Urteil ohne Einschränkung anfechtende - Nichtigkeitsbeschwerde (S 378), Tatumstände, die den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund bilden sollen, deutlich und bestimmt zu bezeichnen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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