JudikaturJustiz14Os16/01

14Os16/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter A***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 12. Dezember 2000, GZ 13 Vr 152/00-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter A***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er zwischen Frühjahr 1999 und 12. November 1999 in Klagenfurt in wiederholten Angriffen

1) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 8. November 1990 geborenen, sohin unmündigen Jennifer H***** vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen, indem er sie am Geschlechtsteil und im Gesäßbereich abgriff, sein entblößtes Glied an ihrem nackten Gesäß rieb und sie in einem Fall veranlasste, seinen Penis zu küssen;

2) durch die zu 1) beschriebenen Tathandlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 4) zielt zunächst auf die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung zum Beweis dafür, dass die von Univ. Prof. Dr. Max Friedrich "im Rahmen der Exploration der Jennifer H***** angefertigten Notizen erheblich von seinem schriftlich niedergelegten Aussagebericht und seinen mündlichen Angaben in der Hauptverhandlung vom 9. 11. 2000 abweichen und anhand dieser Notizen nachweislich feststellbar ist, dass die Fragen des SV an Jennifer H***** sehr suggestiv waren" (S 457/I), gestellten Antrages, diesem Sachverständigen aufzutragen, seine handschriftlichen Notizen vorzulegen, die er im Zuge der Exploration angefertigt hatte. Dadurch wurde der Beschwerdeführer aber in seinen Verteidigungsrechten nicht verkürzt, denn es fehlt dem - der Sache nach auf einen unzulässigen bloßen Erkundungsbeweis abzielenden - Antrag angesichts der Erklärung des Sachverständigen, dass er seine Notizen üblicherweise wegwerfe (S 343/I), für seine Überprüfbarkeit schon an der formellen Voraussetzung entsprechender Hinweise, aus welchen besonderen Umständen der Sachverständige seine Notizen im vorliegenden Fall ausnahmsweise doch nicht weggeworfen habe und was diesen konkret entnommen werden könne, wie sich aus Notizen des Sachverständigen vor allem die Art der Fragestellung ergeben solle (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Abs 1 Z 4 E 19). Im übrigen ist die Behauptung eines "erheblichen" Abweichens der Notizen vom schriftlichen Aussagebericht des Sachverständigen für die Überprüfbarkeit des Antrages durch die Tatrichter auf seine Eignung, ein für den Angeklagten günstigeres Beweisergebnis zu erreichen, zu wenig konkretisiert, und auch nicht ohne weiteres erkennbar, warum die behauptete Stellung vieler Suggestivfragen (§ 200 Abs 2 StPO), ohne die generell bei Vernehmungen fast nicht auszukommen ist (vgl Foregger/Fabrizy StPO8 § 200 Abs 2 StPO Rz 1 mwN), bei der gegebenen Fallkonstellation von entscheidender Bedeutung war.

Ebenfalls ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten erfolgte die Ablehnung der beantragten zeugenschaftlichen Vernehmung des den Hubert R***** (Bruder Jennifer H*****) behandelnden Arztes Dr. Hanns Beer. Dieser war allgemein zum Beweis der Richtigkeit der Verantwortung des Angeklagten und zum Beweis dafür beantragt worden, dass Hubert R***** entgegen seinen zeugenschaftlichen Angaben ihm gegenüber keine Mitteilung von Beeinflussungsversuchen durch den Angeklagten, aber auch davon, dass der Angeklagte ihm erklärt habe, Jennifer H***** auf ihre Jungfräulichkeit hin untersucht zu haben, gemacht habe. Diese Beweisthemen betreffen allerdings nicht einmal mittelbar die inkriminierten Tathandlungen, eignen sich auch nicht, generell die Glaubwürdigkeit Hubert R***** in Zweifel zu setzen, und sind schon deshalb nicht entscheidungsrelevant. Im übrigen haben die Tatrichter aus den Angaben des genannten Zeugen keine Belastungsmomente gegen den Angeklagten abgeleitet (US 14f).

Aus den schon genannten Gründen nicht entscheidungswesentlich ist auch das Beweisthema, der Angeklagte habe den Angaben des Zeugen Hubert R***** zuwider der Erzieherin Ilka T***** und der Lehrerin Mag. N. S***** gegenüber niemals erklärt, Jennifer H***** auf ihre Jungfräulichkeit untersucht zu haben, wozu vom Verteidiger die Vernehmung der beiden Zeuginnen beantragt worden war (S 458/I). Die Rüge der Abweisung dieses Antrages (Z 4) mußte daher ebenfalls erfolglos bleiben.

Schließlich versagt die Verfahrensrüge (Z 4) auch insoweit sie die Ablehnung der beantragten (S 458ff/II) Verlesung einer privatgutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. Schaden und die Vernehmung des Genannten als Zeugen (der Sache nach als Sachverständigen) sowie die Einholung eines weiteren Gutachtens (offenbar gemeint aus den Fachbereichen Psychiatrie/Psychologie) geltend macht, weil der Antrag als Beweisthema lediglich eine angeblich unwissenschaftliche, unzureichende und fehlerhafte Gutachtenserstellung durch die beiden von den Tatrichtern beigezogenen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Max Friedrich (S 337/I) und Dr. Karl Tschernutter (S 343/I) und eine ebensolche fachliche Stellungnahme der Zeugin Dr. Heide D***** (S 333/I) behauptet, ohne jedoch tatsächlich einen der in den §§ 125, 126 bezeichneten Mängel darzutun (Mayerhofer StPO4 § 281 Abs 1 Z 4 E 133f).

Sowohl im Rahmen seiner weiteren Ausführungen zur Verfahrensrüge als auch in seinem Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5) versucht der Beschwerdeführer mit dem Ziel, die Entstehung der belastenden Angaben des unmündigen Opfers auf suggestive Beeinflussung außerhalb tatsächlicher Erlebniswelt zurückzuführen, die Urteilsfeststellungen in Zweifel zu ziehen; dabei bekämpft er allerdings in unzulässiger Weise die allein den Kollegialrichtern obliegende Beweiswürdigung, die diesen auch nicht durch eine - nach den Wünschen des Beschwerdeführers - Mehrzahl von Sachverständigengutachten hätte abgenommen werden können.

Formelle Begründungsmängel des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen werden dagegen vom Beschwerdeführer der Sache nach nicht geltend gemacht. Mit Widersprüchen in den Angaben der Jennifer H***** hat sich das Erstgericht ausreichend auseinandergesetzt (US 5ff), wobei eine Wiedergabe sämtlicher Aussagepassagen in den Urteilsgründen angesichts des gesetzlichen Gedrängtheitsgebotes (§ 270 Abs 2 Z 4 StPO) nicht erforderlich war. Das gilt auch für die Aussagen der Zeugen Helga H*****, Hubert R*****, Desiree H*****, Brigitte Z*****, Renate R***** und Michael R*****, aber auch für die Angaben des Angeklagten in seiner Einlassung, welche Beweisergebnisse von den Tatrichtern ausreichend erörtert wurden. Dabei kommt jenen bezüglich der Beziehungen zwischen Michael R***** und der unmündigen Jennifer H***** schon deshalb keine Bedeutung zu, weil das Erstgericht ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, dass Jennifer H***** von Michael R***** ebenfalls missbraucht wurde (US 13).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.