JudikaturJustiz14Os140/99

14Os140/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mezera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günter B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 3. August 1999, GZ 23 Vr 1.519/98-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Kaser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Günter B***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (l) und des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Linz

l. im Herbst 1996 Sabine S***** durch Gewalt "bzw" Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme und Duldung des Beischlafs genötigt, indem er eine Faustfeuerwaffe gegen sie richtete;

2. am 26. Juni 1998 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der V***** öffentlich Bediensteter unter Vortäuschung, er habe sich auch in der Zeit vom 31. Mai 1998 bis 14. Juni 1998 auf einer Meerbadekur in Taipeh (Taiwan) befunden, zur Auszahlung eines Kurkostenbeitrages von 190 S pro Tag, somit von insgesamt 2.850 S verleitet, wodurch die V***** öffentlich Bediensteter um den angeführten Betrag an ihrem Vermögen geschädigt wurde, wobei er zur Täuschung ein falsches Beweismittel benützte, nämlich eine Bestätigung der taiwanesischen Einwanderungsbehörde vom 9. Juni 1998, auf welcher unrichtig angeführt ist, Günter B***** habe sich vom 17. Mai 1998 bis 13. Juni 1998 in Taiwan aufgehalten.

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a, 10 und 11 des StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Durch die Abweisung seines den Schuldspruch wegen Vergewaltigung (1) betreffenden Antrages auf Einvernahme der Kellner Walter A***** und Fritz G***** (S 114/Band II), "zum Beweis dafür, dass der gegenständliche Vorfall nicht stattgefunden hat, weil der betreffende Kellner Sabine S***** sowohl vor dem angeblichen Vorfall, als auch unmittelbar danach gesehen hatte, die Abrechnung gemeinsam mit Sabine S***** und dem Angeklagten hätte durchführen müssen und eine solche Abrechnung jedenfalls nicht stattgefunden hat", wurden Verteidigungsrechte (Z 4) nicht beeinträchtigt. Es wäre nämlich bei der Antragstellung darzulegen gewesen, weshalb das nachzuweisende Unterbleiben der Abrechnung der Konsumation die jeden Kontakt mit dem Opfer negierende Verantwortung des Angeklagten, der regelmäßige Besuche im "Skala" mit geschlechtlichen Beziehungen zu anderen Prostituierten gar nicht abstritt (S 29 f/II), stützen könnte, obwohl die Aussage der Sabine S***** - die niemals angab, bei der Bezahlung dabei gewesen zu sein - im Gesamtzusammenhang dahin zu verstehen ist, dass die Abrechnung der Zeche mit dem Kellner (bloß) im Normalfall vor dem Geschlechtsverkehr erfolgt (S 51 iVm S 59/II), und der Nachtklubbetreiber Erich P***** erklärte, dass bei bekannten Gästen von dieser Regel abgegangen wird (S 109/II).

Auch die abermals allein gegen Punkt I gerichtete Mängelrüge (Z 5) ist nicht berechtigt.

Die relevierte Unvollständigkeit der Urteilsgründe wird nicht prozessförmig geltend gemacht, weil in der Beschwerde die ,Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen der Zeuginnen L***** und S***** vor den verschiedenen Behörden", deren Erörterung der Beschwerdeführer vermisst, nicht deutlich und bestimmt bezeichnet werden (§ 285a Z 2 StPO).

Mit den Einwänden, das Erstgericht habe verabsäumt, "Feststellungen darüber zu treffen, ob der Verurteilte sich auch ohne Strafvollzug bewähren würde", und die der bedingten Nachsicht der gesamten Freiheitsstrafe entgegenstehenden spezial- und generalpräventiven Bedenken näher zu erläutern, wird von vornherein kein Begründungsmangel in der Bedeutung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes behauptet.

Der Beschwerde (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5) zuwider musste die Äußerung des Bordellbetreibers P*****, wonach es mit Sabine S***** Schwierigkeiten gab, weil sie "sehr viel geweint und sehr viel getrunken" hat (S 110/II), bei gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht gesondert erörtert werden, zumal kein einziger Fall einer Fehlbezichtigung berichtet wurde.

Nach Prüfung der Akten anhand des weiteren Vorbringens in der Tatsachenrüge (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch wegen Vergewaltigung tragenden Tatsachenfeststellungen.

Soweit sich die Subsumtionsrüge (Z 10) gegen den in Rede stehenden Schuldspruch (I) richtet, verfehlt sie den notwendigen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhaltes mit dem darauf angewendeten Gesetz, indem sie unter Vernachlässigung der gegenteiligten Konstatierung (US 3) von einem Verzicht des Opfers auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ausgeht.

Auch die gegen die Qualifikation des Betruges nach § 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB gerichtete Beschwerde ist verfehlt.

Nach nunmehr einhelliger Judikatur (vgl die Entscheidung des verstärkten Senates vom 5. Oktober 1994, 13 Os 81/93 = EvBl 1995/21) sind unter dem - im weitesten Sinn auszulegenden (EBRV 1971, 444) - Begriff des "Beweismittels" auch Urkunden (im strafrechtlichen Sinn) unwahren Inhaltes (sogenannte "Lugurkunden") zu verstehen. Denn nach dem Wortsinn kann unter falschem Beweismittel sowohl ein inhaltlich als auch ein formell unrichtiges Beweismittel verstanden werden (in diesem Sinn auch Kienapfel JBl 1973, 494). Mangels eines zwar für den Urkundenbegriff des § 223 StGB, nicht aber auch für Beweismittel im weiteren Sinn in der Person eines "Ausstellers" geforderten personellen Garantieelementes ist der Bedeutungsinhalt des Begriffes "falsch" in Verbindung mit "Beweismitteln", bei denen ein solches Bezugsobjekt fehlt, ein weiterer. Er bleibt damit insoweit nicht auf die Identität des "Ausstellers" beschränkt.

Der Beschwerde zuwider fehlt es auch nicht an der Beweiseignung der tatgegenständlichen Bestätigung (S 499 und 501/I), weil auf Grund ihrer Datierung mit 9. Juni 1998 (tätergewollt) der Eindruck hervorgerufen wird, der Angeklagte habe ihre Ausstellung erst in den letzten Tagen eines auch den Tatzeitraum von 31. Mai 1998 bis 13. Juni 1998 miteinschließenden (aber insoweit nur fingierten) Aufenthaltes in Taiwan erwirkt. Der Einwand, dass der Urkundeninhalt maßgeblich zukünftiges, erst durch die nachträgliche Entwicklung unrichtig gewordenes Verhalten des Angeklagten zum Gegenstand hat, kann schon wegen der geringen Anzahl der auf die Zeit nach der Ausstellung entfallenden Resttage auf sich beruhen.

Demgemäß wurde die Benützung der vorliegenden "Lugurkunde" rechtsrichtig der Qualifikation des § 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB unterstellt.

Der Strafzumessungsrüge genügt es zu erwidern, dass zwar die grundsätzliche Verneinung der Anwendbarkeit des § 43 Abs 1 StGB Nichtigkeit im relevierten Sinne (Z 11 zweiter und dritter Fall) begründet, wogegen die Heranziehung fallbezogener Erwägungen, wie der unter dem Aspekt der Generalprävention beachtliche (ersichtlich gemeint: überdurchschnittlich hohe) soziale Störwert, nur unter dem Gesichtspunkt der Strafberufung zu berücksichtigen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 201 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wovon es gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Strafteil von 18 Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Dabei wertete es das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen als erschwerend, mildernd berücksichtigte es hingegen das Geständnis und die Schadensgutmachung jeweils in Ansehung des Betruges sowie die Unbescholtenheit.

Der gegen diesen Strafausspruch gerichteten Berufung des Angeklagten, mit der er beantragt, die Freiheitsstrafe "schuldangemessen herabzusetzen, in eine Gelstrafe umzuwandeln und unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zur Gänze bedingt nachzusehen", kommt keine Berechtigung zu.

Denn das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zutreffend festgestellt und die Freiheitsstrafe in einer Höhe festgesetzt, die allen Besonderheiten des Falles Rechnung trägt.

Im Blick auf das sichtbar gewordene hohe Maß an krimineller Energie des Polizeibeamten stehen schon spezialpräventive Überlegungen der bedingten Nachsicht der gesamten Freiheitsstrafe entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.