JudikaturJustiz14Os137/90

14Os137/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Januar 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Jänner 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Franz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter K***** wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 13.Juni 1990, GZ 11 E Vr 323/89-35, und des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 6. September 1990, AZ 9 Bs 294-296/90, nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, in öffentlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 13. Juni 1990, GZ 11 E Vr 323/89-35, und des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 6.September 1990, AZ 9 Bs 294-296/90, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 2 StVG.

Die beiden bezeichneten Beschlüsse werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Graz aufgetragen, über die Anträge des Verurteilten Peter K***** auf Aufschub des Strafvollzuges neuerlich (meritorisch) zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 4. September 1989, GZ 11 E Vr 323/89-22, wurde Peter K***** des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Monaten verurteilt; zugleich faßte der gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 und Abs. 2 StPO zuständige Einzelrichter den Beschluß, die bedingte Nachsicht der über den Genannten mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.November 1987, GZ 11 Vr 2874/87-11, verhängten einjährigen Freiheitsstrafe und die mit Beschluß des Kreisgerichtes Leoben vom 20.Juni 1988, GZ 20 BE 106/88-6, hinsichtlich eines Strafrestes von einem Monat und zwanzig Tagen verfügte bedingte Entlassung zu widerrufen (S 82 iVm ON 20 und 21). Nach Bestätigung dieser von K***** insoweit mit Beschwerde bekämpften Entscheidung durch das Oberlandesgericht Graz (zum AZ 10 Bs 441-443/89 = ON 29 des Vr-Aktes) und Anordnung des Strafvollzuges (ON 30) wies das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschluß vom 13.Juni 1990, GZ 11 E Vr 323/89-35, die auf § 6 Abs. 1 Z 2 lit. a StVG gestützten Anträge des Peter K*****, die Einleitung des Vollzuges der angeführten (drei) Freiheitsstrafen für die Dauer eines Jahres aufzuschieben, mit der Begründung ab, daß bei unmittelbar nacheinander zu vollziehenden Strafurteilen die einzelnen Strafzeiten im Sinn des § 1 Z 5 StVG zusammenzurechnen seien und so vorzugehen sei, als ob eine einzige Freiheitsstrafe (deren Gesamtausmaß die Dauer eines Jahres übersteigt) zu vollziehen wäre. Die vom Verurteilten gegen diesen Beschluß erhobene Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Graz - das sich der Argumentation des Erstgerichtes unter Hinweis auf seine ständige Spruchpraxis anschloß -, mit Entscheidung vom 6.September 1990, AZ 9 Bs 294-296/90 (= ON 39 des Vr-Aktes), "als unbegründet verworfen".

Die beiden Beschlüsse stehen, wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend rügt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Die zu deren Begründung herangezogene Bestimmung des § 1 Z 5 StVG definiert den Begriff "Strafzeit", worunter jene - ausschließlich von der Vollzugsbehörde zu berechnende (SSt. 53/70) - Zeit zu verstehen ist, die der Verurteilte auf Grund eines Strafurteils oder auf Grund mehrerer unmittelbar nacheinander zu vollziehender Strafurteile in Strafhaft zuzubringen hat. Eine kraft Gesetzes gebotene Verpflichtung, mehrere zum Vollzug heranstehende Freiheitsstrafen in unmittelbarer Aufeinanderfolge gleichsam als Gesamtstrafe zu vollziehen, ist weder dieser noch einer anderen Gesetzesbestimmung zu entnehmen (vgl. SSt. 41/29). Auch die durch das StRÄG 1987 geschaffenen Normen (§§ 494 a ff StPO; § 6 Abs. 2 StVG nF) dienen nur dem Zweck, den in der Regel im Interesse der Strafrechtspflege und des Verurteilten (vgl. auch § 46 Abs. 4 StGB) liegenden, aufeinanderfolgenden Vollzug mehrerer Freiheitsstrafen sicherzustellen, ohne aber die Möglichkeit des unterbrochenen ("Raten"-)Vollzuges gänzlich zu unterbinden (vgl. 359 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR XVII. GP, 53 ff). Damit im Einklang stellt die hier allein maßgebliche, auch durch das StRÄG 1987 keiner Änderung unterzogene Vorschrift des § 6 Abs. 1 StVG unmißverständlich nicht auf die Strafzeit im Sinn des § 1 Z 5 StVG, sondern auf das konkrete Ausmaß der einzelnen zu vollziehenden Freiheitsstrafe ab (vgl. so schon nach der früheren Rechtslage RZ 1981/22); dieses darf, um die (an weitere Voraussetzungen geknüpfte) Möglichkeit eines Strafaufschubes zu eröffnen, unabhängig davon, ob noch andere Freiheitsstrafen unverbüßt aushaften, jeweils für sich allein die in der genannten Gesetzesbestimmung normierte Strafhöhe nicht übersteigen. § 6 Abs. 1 StVG bestimmt nämlich, daß unter den dort eingangs beschriebenen Prämissen die Einleitung des Vollzuges "einer Freiheitsstrafe" aufzuschieben ist, wenn beim Vorliegen der in Z 1 oder Z 2 jeweils angeführten weiteren Voraussetzungen "die Freiheitsstrafe" - also jene Strafe, jener Straf-Rest oder jener Straf-Teil, auf deren vom Gericht angeordneten Vollzug sich der betreffende Aufschubsantrag bezieht - drei Jahre (Z 1) oder ein Jahr (Z 2) nicht übersteigt (EvBl. 1990/33). Eine Zusammenrechnung mehrerer unmittelbar nacheinander zu vollziehender Freiheitsstrafen bei Prüfung der Voraussetzungen für einen Strafaufschub nach § 6 Abs. 1 StVG bedürfte angesichts der damit verbundenen nachteiligen Wirkungen für den Verurteilten einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung.

Die zufolge des aufgezeigten Rechtsirrtums unterlassene Prüfung der Strafaufschubsanträge auf ihre sachliche Berechtigung wird im Hinblick darauf, daß das Begehren auf Bewilligung eines einjährigen Aufschubes zufolge der am 15.März 1990 erfolgten Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt (S 123) einer Erledigung noch zugänglich ist, nachzuholen sein.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Rechtssätze
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