JudikaturJustiz14Os132/13p

14Os132/13p – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Roman D***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Roman D***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 6. Mai 2013, GZ 10 Hv 19/13k 82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (unter anderem) Roman D***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach „§

28a Abs 1 vierter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG“ (I/A/1 und 2) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2

SMG (I/B) schuldig erkannt.

Danach hat er soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant -

(I) in Wien und anderen Orten Österreichs

A) von zumindest Februar 2010 bis 5. November 2012 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen

1) überlassen, indem er den Großteil von Ing. Christian K***** und anderen unbekannten Lieferanten erworbener Suchtgifte, nämlich etwa 75 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 44,5 % (33,375 Gramm Reinsubstanz) und etwa 220 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 33,63 % (73,986 Gramm Reinsubstanz; US 13 und 20 ff) sowie eine nicht mehr feststellbare Menge Delta-9-THC-hältiges Marihuana (Reinheitsgehalt: 2 %) in einer Vielzahl von Angriffen an teils bekannte, teils unbekannte Abnehmer, teils im Zuge gemeinsamen Suchtgiftkonsums unentgeltlich weitergab, und zwar:

a) Roswitha B***** zumindest 120 Gramm Marihuana und eine nicht mehr konkretisierbare Menge Kokain;

b) Elisabeth Ba***** 25,9 Gramm Kokain und

c) Heinz F*****, Ulrike W*****, Sandra H***** und anderen Personen je nicht näher konkretisierbare Mengen Marihuana und Kokain,

2) angeboten, indem er 400 Gramm Kokain (Reinsubstanz 134,52 Gramm) Elisabeth Ba***** zum Verkauf offerierte,

wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Suchtgiftverkäufen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war.

Rechtliche Beurteilung

Die nur gegen diese Schuldsprüche gerichtete, aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit a und (nominell Z 10) des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Roman D***** verfehlt ihr Ziel.

Dass der Beschwerdeführer (bloß) 100 und nicht wie in der Anklageschrift ausgeführt 250 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 44,5 % von Ing. Christian K***** bezog, wurde ohnehin festgestellt (US 13, 19 f).

Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge zum Schuldspruch I/A/1 beruhen die Urteilsannahmen, wonach er darüber hinaus (zumindest) weitere 420 Gramm Kokain (mit einer Reinsubstanz von 141,246 Gramm) von unbekannten Lieferanten erwarb und dieses Suchtgift unter Berücksichtigung eines Eigenbedarfs von etwa 200 Gramm zum Großteil ebenso gewinnbringend an andere verkaufte wie etwa 75 Gramm der von Ing. Christian K***** erhaltenen Kokainquantität (US 13 iVm US 21 f), keineswegs auf „unstatthaften Vermutungen zum Nachteil des Angeklagten“. Deren Ableitung aus der ursprünglich weitgehend geständigen (bloß hinsichtlich der vorgeworfenen Mengen leugnenden) Verantwortung des Beschwerdeführers anlässlich seiner Vernehmung durch die Kriminalpolizei, die er teilweise auch in der Hauptverhandlung aufrecht hielt, aus den für glaubwürdig erachteten belastenden Angaben der Zeugin Elisabeth Ba*****, (zu A/I/1/c), den Depositionen der Zeugin Ulrike W***** vor der Polizei sowie (in Betreff der Weitergabe an Sandra H*****) aus allgemeiner Lebenserfahrung, weiters aus den eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten des Angeklagten und der Sicherstellung einer Vielzahl (teils mit Kokain gefüllter) milieutypischer Papierbriefchen sowie einer Feingrammwaage anlässlich seiner Festnahme und einer in seiner Wohnung durchgeführten Hausdurchsuchung (US 19 ff), begegnet unter dem Gesichtspunkt der

Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken.

Gleiches gilt für die den Schuldspruch I/A/2 betreffenden Feststellungen zu einer sowohl die zu überlassende Menge an Suchtgift als auch den Kaufpreis umfassenden bestimmten Willenserklärung des Beschwerdeführers, Elisabeth Ba***** 400 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von 134,52 Gramm zu einem Preis von 60 Euro pro Gramm, sohin insgesamt 24.000 Euro zum Kauf anzubieten (US 3, 15, 27 f; vgl dazu RIS-Justiz RS0125860). Diese stützten die Tatrichter nämlich gleichfalls den Gesetzen folgerichtigen Denkens sowie grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend im Wesentlichen auf die Angaben der Letztgenannten, die Ausführungen des verdeckten Ermittlers in seinem darüber aufgenommenen Amtsvermerk (ON 55 S 13) und den Umstand, dass der Angeklagte Elisabeth Ba***** im Zusammenhang mit diesem Geschäft 0,9 Gramm Kokain um den gewünschten Preis von 60 Euro als Probe zur Weitergabe an den potentiellen Endabnehmer überließ (US 26 ff).

Mit den in der Beschwerde zudem großteils ohne Angabe der entsprechenden Fundstellen in den umfangreichen Akten (vgl aber RIS-Justiz RS0124172) hervorgehobenen Widersprüchen in den Aussagen der Zeugin Elisabeth Ba*****, den entlastenden Depositionen weiterer in der Mängelrüge gar nicht namentlich genannter Suchtgiftabnehmer des Beschwerdeführers (Ulrike W***** und Sandra H*****) und dessen teilweise leugnender Verantwortung hat sich das Erstgericht dem Rechtsmittelstandpunkt (Z 5 zweiter Fall) zuwider - auseinandergesetzt (US 23 ff, 26 ff).

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht behauptet (RIS-Justiz RS0117445).

Prozessordnungskonforme Darstellung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5a StPO verlangt, aus dem in der Hauptverhandlung (oder sonst unter bestimmten Voraussetzungen in den Akten) vorgekommenen Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) unter konkreter Bezugnahme auf solches anhand einer Gesamtbetrachtung der tatrichterlichen Beweiswürdigung

erhebliche Bedenken gegen die Urteilsfeststellungen zu entscheidenden Tatsachen abzuleiten ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 481, 487).

Demgegenüber erschöpft sich die Tatsachenrüge in der Behauptung, das Erstgericht hätte „die entsprechenden durchaus glaubwürdigen Angaben sämtlicher, in der Hauptverhandlung am 6. Mai 2013 vernommenen Personen betreffend die Urteilsfakten I/A/1/b und c nicht ausreichend bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt“ und insoweit einen Freispruch fällen müssen. Solcherart orientiert sie sich nicht an den dargelegten Kriterien des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes.

Die den Schuldspruch I/A/2 betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet unter Hinweis auf die schon in der Mängelrüge angesprochenen Angaben der Zeugin Elisabeth Ba***** in der Hauptverhandlung und die Verantwortung des Angeklagten, wonach von einer konkreten Suchtmittelmenge „nie die Rede war“, die Urteilsannahmen zur Bestimmtheit des Anbots (US 15) und verfehlt damit den (auf der Sachverhaltsebene) gerade in den Konstatierungen der Tatrichter gelegenen

Bezugspunkt materieller Nichtigkeit ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 581).

Weshalb Voraussetzung für die vorgenommene Subsumtion reale Verfügbarkeit des angebotenen Suchtgifts sein sollte (vgl dagegen RIS Justiz RS0125860) und demzufolge eine Auseinandersetzung mit der Behauptung des Beschwerdeführers, wonach er „auch niemanden wüsste, der 400 Gramm Kokain zu Hause hätte und bei dem er es einfach abholen hätte können“, erforderlich gewesen wäre, erklärt die Beschwerde (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) nicht.

Mit Blick auf die vom bekämpften Schuldspruch umfasste Tathandlung eines ausschließlich an Elisabeth Ba***** gerichteten Anbots spricht die Beschwerde auch mit dem Hinweis auf deren Aussage, wonach nur sie Kontakt zum verdeckten Ermittler hatte und daher auch kein entsprechendes direktes Offert des Beschwerdeführers an diesen (als potentiellen Letztabnehmer) erfolgte (der Sache nach ebenfalls Z 5 zweiter Fall), keine entscheidende Tatsache an.

Eine allfällige Anstiftung der Elisabeth Ba***** durch den verdeckten Ermittler ist demzufolge gleichermaßen irrelevant und beträfe zudem bloß einen für die Srafbemessung bedeutsamen Umstand (RIS-Justiz RS0119618).

Endgültiger Bindungswille des Beschwerdeführers (vgl dazu US 16, 28, 34 f) wird schließlich mit der Behauptung, ein solcher sei aus dem „gesamten Beweisverfahren“ nicht abzuleiten, bloß substratlos bestritten, womit sich dieser Einwand einer inhaltlichen Antwort entzieht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus Anlass der Beschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem Urteil im Ausspruch über die Konfiskation „sichergestellter Suchtgiftutensilien“ nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter und dritter Fall StPO anhaftet, weil das Erkenntnis den Gegenstand der Konfiskation mit dem pauschalen Hinweis auf einzelne (auch nicht grundsätzlich als „Suchtgiftutensilien“ zu qualifizierende und teilweise bereits an die Angeklagten ausgefolgte Wertgegenstände enthaltende [vgl etwa ON 42: „2 Handy mit Simk.“; ON 40 S 37 verso: eine Festplatte, ein Laptop samt Netzteil und Rucksack, 1 Mobiltelefon ohne Simkarte und Speicherkarte]) Aktenseiten und Ordnungsnummern nicht determiniert (US 7; Fuchs/Tipold in WK² StGB § 19a Rz 20; vgl zur Einziehung zuletzt 14 Os 109/13f), weiters differenzierte Feststellungen zum Eigentümer der sichergestellten Gegenstände und zu deren Verwendung zur Begehung welcher vorsätzlichen Straftat fehlen

(US 37; vgl dazu

15 Os 50/13m) und das Erstgericht zudem die zwingend vorgesehene (§ 19a Abs 2 StGB) Verhältnismäßigkeitsprüfung unterließ (RIS-Justiz RS0088035, dort vor allem

13 Os 100/12y).

Während die vorliegende Berufung nicht gegen das Konfiskationserkenntnis gerichtet ist (§ 294 Abs 2 StPO), weshalb das Oberlandesgericht über diese Sanktion (vgl zur Rechtsnatur der Konfiskation als Strafe: Fuchs/Tipold in WK² StGB § 19a Rz 17) nicht entscheiden kann (vgl RIS-Justiz RS0122140, RS0119220, RS0114427), haben die davon ebenfalls betroffenen Angeklagten Elisabeth Ba*****, Ing. Christian K***** und Michael A***** keine Berufung erhoben.

Dieser Sanktionsausspruch war daher aufzuheben und im Umfang der Aufhebung dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

Die Entscheidung über die vorliegende gegen die Freiheitsstrafe und insoweit, verfehlt als „Beschwerde“ bezeichnet das Verfallserkenntnis gerichtete Berufung des Roman D***** kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Klarstellend (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 521, 633 ff) bleibt anzumerken:

Den Entscheidungsgründen ist (ungeachtet der missverständlichen Formulierung im Rahmen der Beweiswürdigung [US 29]) zu entnehmen, dass die Tatrichter nur in Betreff der entgeltlichen Weitergabe von Suchtgift durch Roman D***** (I/A/1) von Gewerbsmäßigkeit ausgingen (US 2, 16 f). Demnach ist erkennbar, dass die irrige Zusammenfassung sämtlicher der von den Schuldsprüchen I/A/1 und I/A/2 umfassten strafbaren Handlungen (nämlich jener nach § 28a Abs 1 vierter Fall einerseits und jener nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG andererseits) zu mehreren Verbrechen nach „§ 28a Abs 1 vierter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG“ der Sache nach je einen Schuldspruch dieses Angeklagten wegen jeweils mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (I/A/2) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall; Abs 2 Z 1 SMG (I/A/1) zum Ausdruck bringt.

Da sich die verfehlte Bildung einer zwei der alternativen Tatbestandsvarianten des § 28a Abs 1 SMG umfassenden Subsumtionseinheit (vgl dazu RIS Justiz RS0116676) nicht zum Nachteil dieses Angeklagten ausgewirkt hat, war der Rechtsfehler von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) nicht aufzugreifen.

Voraussetzung für eine Kostenersatzpflicht im Rechtsmittelverfahren (§ 390a StPO) ist sofern das Rechtsmittelgericht nicht in der Sache selbst erkennt ein grundsätzlicher Ausspruch derselben nach §§ 389 oder 390 StPO in der Entscheidung erster Instanz. Weil das Erstgericht entgegen § 260 Abs 1 Z 5 und § 389 Abs 1 StPO den allgemeinen Ausspruch über die Kostenersatzpflicht (unbekämpft) unterließ (US 37 f), ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, eine Kostenersatzpflicht nach § 390a StPO auszusprechen (vgl RIS-Justiz RS0101332; Lendl , WK-StPO § 389 Rz 1 und 4 f und § 390a Rz 4).