JudikaturJustiz14Os105/23g

14Os105/23g – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. November 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Sekljic in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, § 143 Abs 2 erster Satz StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Juli 2023, GZ 125 Hv 68/23w 50.2, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, der Angeklagten sowie deren Verteidiger Mag. Hruby zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

* H* wird für die ihr zur Last liegenden strafbaren Handlungen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, § 143 Abs 2 erster Satz StGB (I./) und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (II./) unter Anwendung der §§ 28 und 39 Abs 1 und Abs 1a StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die von 10. Mai 2023, 8:00 Uhr, bis 13. Juli 2023, 14:05 Uhr, erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil * H* des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, § 143 Abs 2 erster Fall StGB (I./) und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in W*

I./ am 17. April 2022 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * D* und einer unbekannten Täterin mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz * M* mit Gewalt gegen seine Person, nämlich durch das Versetzen von zwei Faustschlägen in dessen Gesicht, ein Mobiltelefon weggenommen, wobei der Genannte durch die ausgeübte Gewalt eine nach links verschobene Mehrfragmentfraktur des Nasenbeins mit Frakturlinien auch am Nasenrücken und eine Fraktur der Nasenbeinspitze erlitt, somit schwer verletzt (§ 84 Abs 1 StGB) wurde;

II./ am 21. Februar 2023 vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien in der Hauptverhandlung gegen D* und einen weiteren Angeklagten als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem sie wahrheitswidrig behauptete, sie sei am 17. April 2022 nicht mit D* unterwegs gewesen.

[3] H* wurde nach dem ersten Strafsatz des § 143 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, wobei das Erstgericht ausdrücklich von einem Strafrahmen von fünf bis zu fünfzehn Jahren ausging (US 16).

Rechtliche Beurteilung

[4] Ausschließlich gegen den Strafausspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

[5] Zutreffend zeigt diese auf, dass das Schöffengericht seine Strafbefugnis überschritten hat (Z 11 erster Fall), indem es nicht von dem nach § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB um die Hälfte erhöhten Strafrahmen ausgegangen ist.

[6] § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB (in der seit 1. Jänner 2020 geltenden Fassung) nennt die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen sich das Höchstmaß der angedrohten Strafe (zwingend) um die Hälfte erhöht. Solcherart normiert das Gesetz bei qualifiziertem Rückfall – anders als die Vorgängerbestimmung des § 39 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2019/105 – einen stets anzuwendenden erweiterten Strafrahmen (RIS Justiz RS0133600, RS0133690).

[7] Nach den Urteilsfeststellungen zum Vorleben der Angeklagten (US 5) wurde diese (unter anderem) mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Februar 2017, AZ 163 Hv 96/16g, wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 und 5 Z 2 StGB sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB zu einer teilweise bedingt nachgesehenen (Zusatz )Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, deren unbedingter Teil von sechs Monaten bis 15. September 2017 vollzogen wurde. Anschließend wurde sie mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. November 2018, AZ 161 Hv 97/18t, wegen der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 4 StGB zu einer bis 27. November 2018 vollzogenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

[8] Zu Recht kritisiert die Sanktionsrüge daher, dass das Schöffengericht § 39 Abs 1 und Abs 1a (zur rechtsgutbezogenen Auslegung dieser Bestimmung 15 Os 119/22x [verstärkter Senat]; RIS Justiz RS0134087) StGB anzuwenden gehabt hätte ( zur gleichzeitigen Heranziehung beider Bestimmungen vgl RIS Justiz RS0133600 [T1]).

[9] Dieser Rechtsfehler führt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und zur Neubemessung der Strafe durch den Obersten Gerichtshof (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

[10] Dabei war unter Anwendung des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB von einem Strafrahmen von fünf bis zu 20 Jahren auszugehen. Erschwerend waren das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), die auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) sowie die Begehung einer mit Gewalt verübten Vorsatztat als Volljährige gegenüber einem Minderjährigen (§ 33 Abs 2 Z 1 StGB) zu werten. Dem standen keine Milderungsgründe gegenüber.

[11] Im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen schlägt zum Nachteil der Angeklagten der Umstand aus, dass sie die Taten zwischen dem Widerruf eines ihr gewährten A ufschubs der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. Juli 2020, AZ 151 Hv 117/18k, verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten und dem Vollzug dieser (nicht freiwillig angetretenen) Strafe begangen hat.

[12] Davon ausgehend (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) entspricht – auf Grundlage der Schuld der Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) und unter Berücksichtigung des Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwerts der Taten – die im Spruch genannte Freiheitsstrafe dem Unrechts- und Schuldgehalt derselben sowie der Täterpersönlichkeit.

[13] Mit Blick auf das Berufungsvorbringen der Angeklagten bleibt anzumerken, dass für eine bedingte Nachsicht eines Teils der ausgesprochenen Strafe (schon) eine gesetzliche Grundlage fehlt . Der von der Berufung ins Treffen geführte Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 4 StGB liegt mangels Anhaltspunkten für eine weitreichende psychische Beeinflussung der Angeklagten durch D* im Zusammenhang mit der Tatbegehung (RIS Justiz RS0118618) nicht vor. Der Berufung zuwider war auch nicht der Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 7 StGB anzunehmen, weil Unbesonnenheit nicht nur voraussetzt, dass das Delikt nicht aufgrund reiflicher Überlegung verübt worden ist, sondern auch, dass der Tat keine – hier aber vorliegende – kriminelle Neigung oder grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde liegt (RIS Justiz RS0091026).

[14] Die Anrechnung der Vorhaftzeiten gründet sich auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB.

[15] Über die Anrechnung der nach Fällung des Urteils erster Instanz in Vorhaft (§ 38 StGB) zugebrachten Zeit hat gemäß § 400 StPO der Vorsitzende des Erstgerichts mit Beschluss zu entscheiden (RIS Justiz RS0091624).

[16] Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

[17] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
4