JudikaturJustiz14Os100/07y

14Os100/07y – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. August 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Brigitte Elisabeth Sch***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 21. Mai 2007, GZ 40 Hv 41/07i-136, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Brigitte Elisabeth Sch***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil sie am 11. Oktober 2004 in Saalfelden ihre am 13. November 1998 geborene Tochter Sarah Sch***** dadurch, dass sie diese zunächst mittels einer um deren Hals gelegten Sprungschnur zu erdrosseln versucht, anschließend in das Bad geschleppt, in die zuvor mit Wasser gefüllte Badewanne gelegt und deren Kopf bis zum Eintritt des Ertrinkungstodes unter Wasser gehalten hatte, vorsätzlich tötete.

Mit Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Salzburg vom 28. März 2006 war Brigitte Elisabeth Sch***** in dieser Sache difform von der Mordanklage wegen Verbrechens des Totschlags schuldig erkannt worden (ON 96). Der dagegen gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wurde mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 10. Oktober 2006, GZ 14 Os 97/06f-9, Folge gegeben und der Wahrspruch der Geschworenen sowie das darauf beruhende Urteil wegen unberechtigter Stellung einer Eventualfrage nach Totschlag aufgehoben (ON 108). Nachdem die Geschworenen im folgenden Rechtsgang die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit der Angeklagten bejaht hatten, wurde ihr Wahrspruch vom Schwurgerichtshof am 12. Jänner 2007 ausgesetzt (S 153/III).

Im nunmehrigen Rechtsgang bejahten die Geschworenen die anklagekonform gestellte (einzige) Hauptfrage nach Mord stimmeneinhellig und verneinten die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit stimmenmehrheitlich.

Die von der Angeklagten dagegen aus den Gründen der Z 4, 5 und 6 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet - ohne sich auf solche zu beziehen - eine Nichtbeachtung von „Vorschriften", deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt. Es wird insoweit auch lediglich „in Wahrung des Verteidigungsrechtes" zur Kenntnis gebracht, dass sich zufolge - nicht näher bescheinigter - Informationen die Staatsanwältin während der Mittagspause mit den Geschworenen „intensiv und ausführlich unterhalten" habe, weshalb eine Einflussnahme der Staatsanwaltschaft auf die Objektivität der Laienrichter wie auch deren Befangenheit „nicht ausgeschlossen" werden könne.

Eine Befangenheit (auch) eines Laienrichters kann jedoch im Nichtigkeitsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nicht durch entsprechende Antragstellung vor Vernehmung des Angeklagten (§ 74a StPO) bzw spätestens vor Urteilsfällung geltend gemacht wurde, auch wenn der behauptete Ablehnungsgrund erst im nachhinein bekannt wurde (RIS-Justiz RS0097102; Lässig, WK-StPO § 73 Rz 2; Fabrizy StPO9 § 74a Rz 1). Im Übrigen behauptet nicht einmal die Beschwerde das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich die erkennenden Laienrichter bei ihrer Urteilsfällung am 21. Mai 2007 nicht nur eine Meinung über den Fall der Beschwerdeführerin gebildet hätten, sondern auch angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt gewesen seien, von dieser abzugehen. Erst dann stünde aber eine Befangenheit im Sinn der Hemmung einer unparteiischen Entscheidungsfindung durch unsachliche psychologische Motive in Rede (Lässig, WK-StPO § 72 Rz 1). Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider lehnte der Schwurgerichtshof den Antrag des Verteidigers auf Einvernahme der erstaufnehmenden Ärztin der Christian-Doppler-Klinik im Februar 2005, Dr. Johanna S*****, zum Beweis dafür, dass sich bei der Aufnahmeuntersuchung der Angeklagten ein andauerndes und sohin bereits zum Zeitpunkt der Tat vorhandenes schweres depressives Störungsbild gezeigt hat, mit einem vorangegangenen Affektstau, welcher tatauslösend war (S 285/III), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab. Welche bestimmten, für ein derartiges Zustandsbild sprechenden Tatsachen aus der Verfassung der Angeklagten ca vier Monate nach der Tat abzuleiten seien, legte der Beweisantrag nicht dar, sodass er auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis abzielte (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 ff), wie der Schwurgerichtshof in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis auch unter Hinweis auf die zeitlich lange davor erfolgten Untersuchungen der Angeklagten durch den gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. H***** (nämlich schon am 29. Oktober 2004, S 393/I) darlegte (S 286/III).

Die aus Z 6 vorgetragene Kritik an der unterlassenen Fragestellung in Richtung des Verbrechens des Totschlags unterlässt eine Substanziierung dahin, durch welche in der Hauptverhandlung konkret vorgebrachten, im Verhältnis zum ersten Rechtsgang neuen Tatsachen (§ 314 Abs 1 StPO) die begehrte weitere Fragestellung indiziert gewesen sein soll (vgl Schindler, WK-StPO § 314 Rz 12 ff; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23, 42). Ein solches Tatsachenvorbringen vermag die Rechtsmittelwerberin mit dem bloßen Verweis darauf, dass sie nicht mehr klar denken und keine Entscheidungen treffen konnte, alles so schnell abgelaufen sei und sie dies nie hätte überleben wollen, nicht aufzuzeigen. Mangels Änderung der Tatsachenbasis kann insofern auf die zu AZ 14 Os 97/06f dargelegten Erwägungen des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang verwiesen werden, denen zufolge keine Anhaltspunkte für einen Affektsturm vorlagen, hatte sich doch die Tat zudem in mehreren Etappen über einen längeren Zeitraum erstreckt und Anforderungen an psychische Präsenz sowie an das Denk- und Urteilsvermögen gestellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.