JudikaturJustiz13Os98/06w

13Os98/06w – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. November 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. November 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Roland als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gertrude T***** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 3. Mai 2006, GZ 25 Hv 308/05a-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gertrude T***** der Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1.) und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat sie in Pöttsching

1. im Zeitraum zwischen September 1996 und 2004 die ihr durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen und andere zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht, dass sie als „Geschäftsführerin" der A***** Blankogutscheine im Nennwert von 100 ATS und ab der Euroumstellung zum Nennwert von 5 Euro in die Kasse legte bzw die Verkäuferinnen anwies, bei bar zahlenden Kunden bis zum Nominalwert der Gutscheine deren Zahlung nicht als Barzahlung, sondern als Gutschein zu bonieren, sodass sie dem Tankstellenpächter Mag. Karl U***** einen Vermögensnachteil zufügte, weil sie den Gegenwert der Gutscheine in bar aus der Kasse entnahm, wobei sie einen 3.000 Euro deutlich übersteigenden, an 50.000 Euro heranreichenden, diesen Betrag jedoch nicht übersteigenden und nicht mehr genau feststellbaren Schaden herbeiführte;

2. von April 2004 bis Februar 2005 in insgesamt 18 Angriffen ein Gut, das ihr anvertraut worden ist, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem sie den Abrechnungszeitraum der Schichtabrechnung der GO-Box Aufladung zeitlich verkürzte, weshalb Entgelterlöse aus diesen Aufladungen im Verkürzungszeitraum nicht darin erfasst wurden, die Geschäftsfälle auch nicht in der Kassa bonierte und dieses Geld im Gesamtbetrag von 2.470 Euro für sich selbst entnahm.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Angeklagten aus dem Grund der Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Die erschwerende Annahme eines Handelns in „Bereicherungsabsicht" verstößt entgegen dem Rechtsmittelvorbringen nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil ein derartiges Motiv die Strafdrohung des § 153 StGB, auf den sich der Erschwerungsgrund ersichtlich bezieht, keineswegs bestimmt. Der Tatbestand stellt vielmehr nur auf den aus dem Missbrauch selbst (unmittelbar) erwachsenen Vermögensnachteil des Machtgebers ab, ein auf Bereicherung gerichteter Vorsatz ist nicht erforderlich.

Die Berücksichtigung des „mehrfachen Überschreitens der Schadensgrenze betreffend das Faktum 1." (gemeint ersichtlich: das mehrfache Übersteigen der Wertgrenze des § 153 Abs 2 erster Fall StGB) berührt das Problem der Doppelverwertung gleichermaßen nicht, ist doch die Größe der Schädigung nach § 32 Abs 3 StGB jedenfalls zu beachten. Ein Verstoß läge nur dann vor, wenn gerade jene Schadenshöhe, die die erhöhte Strafdrohung nach dem Gesetz auslöst, oder aber das Überschreiten der Wertgrenze an sich als erschwerend gewertet würde (Ebner in WK² § 32 Rz 64 mwN; Ratz WK-StPO § 281 Rz 700, 704, 714). Die von der Beschwerdeführerin angesprochene erschwerende Annahme einer Mehrfachqualifikation hat damit nichts zu tun.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Ungeachtet der verfehlten rechtlichen Subsumtion des dem Schuldspruch

1. zugrunde liegenden Sachverhalts als das Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB anstatt dessen Unterstellung unter § 133 StGB bei gleichzeitiger Bildung einer - aus den den beiden Schuldsprüchen zugrunde liegenden Taten bestehenden - Subsumtionseinheit (§ 29 StGB), bestand kein Anlass für eine Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO.

Angesichts der nicht eindeutig erfolgten Feststellung der Schadenshöhe zu 1. scheidet eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst nach § 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO in Form eines Schuldspruchs wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB aus. Da der Inhalt der im Fall eines kassatorischen Erkenntnisses (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO) zu treffenden Feststellungen zur Frage des Überschreitens der im § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB genannten Wertgrenze durch die zu 1. und 2. genannten Taten nicht sicher abzusehen ist, ist zwar eine formale Beschwer der Angeklagten zu bejahen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 656, § 282 Rz 17, § 290 Rz 21). Die angesichts der Aktenlage und der im ersten Rechtsgang zu dieser Frage getroffenen Urteilsannahmen lassen es jedoch als unwahrscheinlich erscheinen, dass die Tatrichter eines nachfolgenden Rechtsgangs die Tatsachengrundlage für die Annahme der in Rede stehenden Schadensqualifikation verneinen. Mit Blick auf den dann anzuwendenden Strafsatz (zum Begriff: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 25) von einem bis zu zehn Jahren gegenüber dem bei Verurteilung wegen der Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 erster Fall und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB in Anschlag zu bringenden Strafrahmen (zum Begriff: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 568, 666) von bis zu drei Jahren ist solcherart jedoch der für amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO von der Rechtsprechung geforderte, über die Beschwer hinausgehende inhaltliche Nachteil für die Angeklagte vorliegend nicht auszumachen (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22). Denn das Verschlechterungsverbot des § 293 Abs 3 (§ 290 Abs 2) StPO gilt nur für den Sanktionenbereich (WK-StPO § 290 Rz 31 ff).

Rechtssätze
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