JudikaturJustiz13Os91/23s

13Os91/23s – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. De Rijk in der Strafsache gegen * W* wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 25. Mai 2023, GZ 66 Hv 45/23a 83, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch A umfassten Taten (auch) nach § 130 Abs 3 StGB und im Schuldspruch wegen mehrerer Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB (C), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Ausspruch der Einziehung, aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit seiner Sanktionsrüge wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen gegen den Strafausspruch werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Verfallsausspruch wird das Erstgericht dem Oberlandesgericht Innsbruck die erforderlichen Aktenteile zuzuleiten haben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * W* eines Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) und 15 StGB (A), eines Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (B) und mehrerer Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 (C) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

A) vom 14. Juni 2022 bis zum 4. Oktober 2022 in Vorarlberg und Tirol anderen fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert teils durch Einbruch in Wohnstätten mit dem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Einbruchsdiebstähle in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und er mehr als zwei solcher Taten begangen hat, und zwar

1) am 4. Oktober 2022 * P* Wertgegenstände, indem er mit einem Brecheisen eine Terrassentüre aufzubrechen trachtete, dabei jedoch auf frischer Tat betreten wurde, sodass es beim Versuch blieb,

2) am 14. Juni 2022 * N* diverse Schmuckgegenstände sowie eine Münze, indem er durch eine unversperrte Kellertüre ins Haus gelangte,

3) am 14. Juni 2022 * B* und * Bu* 1.650 Euro sowie einen silbernen Ring, indem er mit einem Flachwerkzeug ein gekipptes Fenster aufhebelte und die Wohnung durchsuchte,

4) am 15. Juni 2022 * T* Schmuck und Bargeld, indem er eine Türe mit einem in einer Zeitungsrolle versteckten Schlüssel öffnete,

5) am 28. Juni 2022 * S* 415 Euro, indem er ein gekipptes Fenster aufhebelte und in das Haus eindrang,

6) am 28. Juni 2022 * St* 930 Euro, indem er das Haus durch eine unversperrte Garagentüre betrat,

7) am 28. Juni 2022 * Br* 6.665 Euro sowie Schmuckstücke, indem er auf unbekannte Weise in das versperrte Haus gelangte, und

8) am 28. September 2022 * G* Schmuck und Münzen im Gesamtwert von 780 Euro, indem er die Haustüre mittels eines unter der Fußmatte versteckten Schlüssels öffnete,

B) am 4. Oktober 2022 in Ü* zwei „totalgefälschte“ deutsche Kennzeichentafeln *, an denen auch eine deutsche Prüfplakette angebracht war, sohin eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, „die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist“, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, indem er die Kennzeichentafeln an dem von ihm gelenkten Fahrzeug der Marke Mercedes Benz anbrachte und damit öffentliche Straßen befuhr, sowie

C) „zu einem unbekannten Zeitpunkt vor“ dem 4. Oktober 2022 einen anderen dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), falsche öffentliche Urkunden und falsche ausländische öffentliche Urkunden, „die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind“, herzustellen, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar

1) einen „totalgefälschten“ polnischen Führerschein lautend auf seinen Namen, der mittels Tintenstrahldrucker hergestellt worden war,

2) zwei „totalgefälschte“ deutsche Kennzeichensätze samt TÜV-Prüfplakette*, und

3) drei „totalgefälschte“ österreichische Kennzeichensätze*.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf Z 5, 5a, 9 lit a und b sowie 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten wurden vom Erstgericht in vernetzter Betrachtung von Beweisergebnissen und daran geknüpften Plausibilitätserwägungen erschlossen, insbesondere aus den besonderen Umständen der Tatbegehung und vorgefundenen Schuhabdruckspuren (A 3, 5 und 6), aus dem Auffinden von Spuren, die einem Werkzeug zugeordnet wurden, das beim Angeklagten sichergestellt werden konnte (A 3), aus den Angaben von Zeugen, welche den Angeklagten im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Tatbegehung beim Ausspähen von Häusern beobachtet hatten (A 7), und aus dem Ergebnis der Auswertung der Verbindungsdaten des beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefons (A 8), welches mit hoher Wahrscheinlichkeit bei sämtlichen Taten in Vorarlberg eingeloggt war, obwohl der Angeklagte in Polen wohnhaft ist (US 15 bis 19).

[5] Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) ist diese Ableitung unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

[6] Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) aus einzelnen Beweisergebnissen in isolierter Betrachtung anhand eigenständig entwickelter Spekulationen von jenen des Erstgerichts abweichende Schlüsse gezogen wissen will, erschöpft sie sich in einem Angriff auf die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[7] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) in Bezug auf den Schuldspruch C Feststellungen zu einem Bestimmungsvorsatz vermisst, lässt sie nicht erkennen, welche zusätzlich zu den getroffenen Konstatierungen (US 12 f) erforderlich sein sollen, und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erledigung (RIS-Justiz RS0116565).

[8] Dass der Angeklagte in Ansehung ein und derselben Tat doppelt verurteilt worden sei (Z 9 lit b), wird nicht auf der Basis der Feststellungen des Erstgerichts zu B und C, wonach von den Tathandlungen verschiedene Kennzeichentafeln betroffen waren (US 10 ff), entwickelt. Solcherart entzieht sich das Vorbringen einer inhaltlichen Erwiderung (RIS Justiz RS0099810).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[10] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Rechtsfehler anhaften, die von Amts wegen wahrzunehmen waren (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Zum Schuldspruch A:

[11] Die Annahme der Qualifikation des § 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB setzt (unter anderem) voraus, dass es dem Täter darauf ankommt, sich durch Einbruch in Wohnstätten (§ 129 Abs 2 Z 1 StGB) längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen.

[12] Die insoweit getroffenen Urteilsfeststellungen, wonach die Absicht des Angeklagten auf die wiederkehrende Begehung von „teilweise durch Einbruch begangenen Diebstählen“ (US 10) gerichtet war, tragen die Subsumtion nach § 130 Abs 3 StGB somit nicht.

[13] Das aufgezeigte Feststellungsdefizit bewirkt Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO.

Zum Schuldspruch C:

[14] Nach den Feststellungen des Erstgerichts bestimmte der Angeklagte „zu einem unbekannten Zeitpunkt vor“ dem 4. Oktober 2022 einen Unbekannten, die im Schuldspruch C angeführten Falsifikate herzustellen (US 11 und 12). Auf der Basis dieses Urteilssachverhalts erweist sich schon die (implizite) Nichtannahme von Verjährung (Z 9 lit b) als unschlüssig.

[15] Die aufgezeigten Rechtsfehler erforderten, das angefochtene Urteil wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und das Verfahren in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch zu verweisen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

[16] Mit Blick auf die amtswegige Maßnahme erübrigt sich ein Eingehen auf das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11).

[17] Für den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt:

[18] 1. Der Schuldspruch wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 2, 224 StGB (B) ist ebenso mit nicht geltend gemachter Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet:

[19] Nach den Konstatierungen des Erstgerichts verwendete der Angeklagte in Österreich falsche deutsche Kennzeichentafeln im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache (US 10 f), also falsche ausländische öffentliche Urkunden. Diese sind nur dann vom Schutzbereich des § 224 StGB umfasst, wenn sie durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind, was auf ausländische Kfz Kennzeichentafeln nicht zutrifft (RIS Justiz RS0112566 [T6]; sowie Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 224 Rz 38). Die Subsumtion der vom Schuldspruch B umfassten Tat (auch) nach § 224 StGB ist somit verfehlt.

[20] Da der Strafausspruch von Amts wegen aufgehoben wurde und die vorliegende Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) den Angeklagten über die unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinaus nicht benachteiligt (vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 22 f), bestand für eine darauf bezogene amtswegige Maßnahme kein Anlass.

[21] An den insoweit fehlerhaften Schuldspruch besteht angesichts dieser Klarstellung bei der Entscheidung des Erstgerichts über die Straffrage keine Bindung (RIS Justiz RS0129614 [T1]).

[22] 2. Die Generalprokuratur zeigt unter Hinweis auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien (ON 12 S 20 f, 29 und ON 65.1 S 118 iVm ON 82 S 13 f) in Bezug auf den Vorwurf der Bestimmung eines Dritten zu einem unbekannten Zeitpunkt und an einem unbekannten Ort, Falsifikate herzustellen (C), zu Recht auf, dass zu prüfen wäre, ob diese Taten überhaupt der – eine objektive Bedingung der Strafbarkeit darstellenden (RIS Justiz RS0132763) – inländischen Gerichtsbarkeit unterliegen.

[23] Sollte sich für einen Inlandsort oder eine Anknüpfung nach § 64 Abs 1 Z 8 StGB in Bezug auf die Vergehen nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 1, 224 (C 1 und 3) im zweiten Rechtsgang kein Anhaltspunkt ergeben, wäre – nach entsprechender Information des Angeklagten (§ 262 StPO – in Ansehung des polnischen Führerscheins und der österreichischen Kennzeichen eine Strafbarkeit nach § 224a StGB zu prüfen (dazu RIS-Justiz RS0120168).

[24] Das Konfiskationerkenntnis (§ 19a Abs 1 StGB) ist in Ansehung des Ausspruchs betreffend ein Brecheisen mit – nicht geltend gemachter – Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO behaftet, weil das Erstgericht, wie es selbst einräumt (US 21), nicht feststellen konnte, dass dieses im Alleineigentum des Angeklagten stand, was aber eine der Voraussetzungen für die Anordnung der Konfiskation wäre. Da der Angeklagte der Konfiskation in der Hauptverhandlung nach der Aktenlage aber ausdrücklich zustimmte (ON 82 S 12), bedurfte es mangels ihn treffender konkreter Nachteile insoweit keiner amtswegigen Wahrnehmung dieses Rechtsfehlers (vgl RIS-Justiz RS0088201 [T14]).

[25] Die Entscheidung über die Berufung gegen den Verfallsausspruch kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[26] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (RIS-Justiz RS0101558; Lendl , WK StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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