JudikaturJustiz13Os82/04

13Os82/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Oktober 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matschegg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhold K***** wegen der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 19. April 2004, GZ 20 Hv 1/04y-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Reinhold K***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (1.) sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB aF (2.) schuldig erkannt.

Danach hat er zu nicht näher bekannten Zeitpunkten zwischen den Jahren 1989 und 1996 in Kapfenberg in zahlreichen Angriffen den am 1. Jänner 1983 geborenen, somit zum damaligen Zeitraum unmündigen Michael T*****

zu 1. auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er den Unmündigen zunächst mit der Hand am Penis streichelte, in weiterer Folge die Hand des Unmündigen erfasste und zu seinem Penis führte, ihn aufforderte, ihn auf den Mund zu küssen und schließlich den Oralverkehr am Unmündigen ausführte sowie den Oralverkehr durch den Unmündigen an sich ausführen ließ; zu 2. außer den Fällen des § 201 StGB durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Freiheit, nämlich durch die Ankündigungen, er werde weggesperrt oder eingesperrt werden, wenn er seinen Aufforderungen zur Vornahme und Duldung der zu 1. beschriebenen geschlechtlichen Handlung nicht nachkomme, zur Vornahme und Duldung dieser geschlechtlichen Handlung genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 3, 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 19. April 2004 gestellten Antrages auf Beiziehung eines psychologischen Gutachters zum Beweis dafür, dass der Zeuge Michael T***** auf Grund seiner Alkohol- und Drogenprobleme zum Fabulieren neigt (S 141 f), wurden - der Verfahrensrüge nach Z 4 zuwider - keine Verteidigungsrechte beeinträchtigt. Abgesehen davon, dass die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage grundsätzlich dem erkennenden Gericht zusteht (Mayerhofer/Hollaender StPO5 § 270 E 142; § 281 Z 4 E

117) und die erforderliche Zustimmung des Zeugen zu einer psychologischen Exploration im Antrag nicht behauptet wurde, kommt eine Psychiatrierung ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn objektive Momente die Fähigkeit, Wahrnehmungen zu machen und diese gedächtnisgetreu wiederzugeben, in Frage stellen. Solche erheblichen Zweifel, die ihrem Gewicht und ihrer Art nach den im § 11 StGB erfassten Geistesstörungen gleichkommen, wurden mit dem allgemeinen Hinweis auf die Alkohol- und Drogenprobleme des Tatopfers nicht dargetan (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350; Mayerhofer/Hollaender aaO § 281 Z 4 E 121, 121a).

Auch die weitere Verfahrensrüge nach Z 3 versagt. Es trifft zwar zu, dass die Aussage der Irene T***** in der Hauptverhandlung am 16. Februar 2004 nichtig war, weil sie ohne Belehrung über das ihr als Schwester der geschiedenen Ehegattin des Angeklagten ("Ex-Schwägerin") gemäß § 152 Abs 1 Z 2 StPO zukommende Entschlagungsrecht (Mayerhofer/Hollaender aaO § 152 E 9b) vernommen wurde und darauf nicht ausdrücklich verzichtet hatte (S 115 ff; § 152 Abs 5 StPO). Die Beschwerde übersieht jedoch, dass diese Aussage der Zeugin Irene T***** zu Beginn der am 19. April 2004 wegen Zeitablaufs gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung zusammen mit den bisherigen Verfahrensergebnissen einverständlich (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) verlesen (S 139 und 143) und somit der vorangegangene Verfahrensmangel obsolet wurde (Mayerhofer/Hollaender aaO § 281 Z 3 E 18). Demnach waren die Angaben der genannten Zeugin bei der Urteilsfindung heranzuziehen (11 Os 123, 124/00; EvBl 2003/15). Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf die geringfügige Aussagedivergenz des Zeugen Michael T***** zur (nicht entscheidungswesentlichen) Frage, wie oft Tathandlungen auch in der Wohnung seiner Eltern stattgefunden haben, aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Demnach war die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Reinhold K***** bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO). Aus § 285i StPO folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz für die Entscheidung über die angemeldete (ON 21) Berufung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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