JudikaturJustiz13Os71/03

13Os71/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hubert M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 24. Jänner 2003, GZ 24 Hv 169/02w-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Hubert M***** wurde (richtig:) mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und zweier Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. April 2002 in L***** Bernadette A***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur mehrfachen Duldung des Beischlafs und zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem er ihr "die Hose samt Unterhose herunterriss, sich im Badezimmer, dessen Türe er versperrte, auf den Klodeckel setzte, sie gewaltsam zwang, sich auf sein Glied zu setzen und mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang, ihren Kopf in weiterer Folge zu seinem Glied drückte und sie zwang, sein Glied in den Mund zu nehmen, in weiterer Folge Bernadette A***** in der Küche befahl, sich auf den Küchentisch zu legen, wo er wiederum trotz heftiger Gegenwehr der auch um Hilfe schreienden A***** sein Glied in ihre Scheide einführte und schließlich auf der Couch gewaltsam deren Beine auseinander riss und sich auf die nach wie vor sich heftig wehrende und um Hilfe schreiende Bernadette A***** legte und mit seinem Glied gewaltsam in deren Scheide eindrang";

II. durch gefährliche Drohung zu einer Handlung oder Unterlassung zu nötigen versucht, und zwar

1. am 27. April 2002 in L***** durch die Äußerung, dass er ihr Leben zur Hölle machen werde, wenn sie jemandem von den zu I. angeführten Handlungen erzähle, zur Abstandnahme von einer Strafanzeige;

2. Ende April/Anfang Mai 2002 durch die Äußerung, dass sie mehr im Krankenhaus sein werde, wenn sie bei ihren Angaben bleibe, dazu, ihre Angaben zurückziehen.

Rechtliche Beurteilung

Die - teils undifferenziert - aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Der Antrag auf "psychiatrisch-psychologische" Begutachtung des Tatopfers zur Frage der Glaubwürdigkeit (S 241) verfiel schon deshalb zu Recht der Abweisung, weil er des erforderlichen Vorbringens entbehrte, dass dieses sich hierzu bereit finden werde (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Vage Hinweise auf einen angeblich "labilen Gesundheitszustand", "Stimmungsschwankungen", einen Suizidversuch und widersprüchliche Aussagen ergeben zudem keinen Hinweis auf eine Einschränkung ihrer Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit aufgrund einer geistigen oder seelischen Störung, sodass der Antrag ohnehin auf unzulässige Erkundungsbeweisführung hinauslief. Der Antrag auf Vernehmung des Tatopfers in der Hauptverhandlung, "insbesondere weil die Zeugin auf ihr Entschlagungsrecht bislang noch nicht aufmerksam gemacht wurde und davon auch nicht implizit Gebrauch gemacht hat" (S 235), zielte - zum unmissverständlich gleichen Beweisthema wie bei deren kontradiktorischer Vernehmung (§ 162a StPO) - ebenso unmissverständlich auf die Geltendmachung des im § 252 Abs 1 StPO normierten (bedingten) Verlesungsverbotes ab, dessen Verletzung aus Z 3 nicht geltend gemacht wird. Der Antrag wurde mit dem Hinweis auf die - bereits vor der Hauptverhandlung (ON 24) schriftlich und in dieser erneut (S 237) - abgegebene Erklärung des anwaltlichen Vertreters dieser Privatbeteiligten, wonach sie auf das ihr nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO zustehende Entschlagungsrecht nicht verzichte, abgewiesen.

Zwar sind auch bloß auf die Hintanhaltung von Verletzungen der im § 281 Abs 1 Z 3 StPO genannten Vorschriften gestellte Anträge Gegenstand der Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO (WK-StPO § 281 Rz 195); auch hat ein entschlagungsberechtigter Zeuge kein korrespondierendes Recht, bei der Hauptverhandlung nicht zu erscheinen (§ 242 StPO). Erklärt er aber bereits davor unmissverständlich, vom Entschlagungsrecht in der Hauptverhandlung Gebrauch machen zu wollen (zur prozessualen Wirksamkeit einer solchen Erklärung vgl 12 Os 22/99), hat der Antragsteller darzutun, weshalb erwartet werden könne, dass sich der Zeuge gleichwohl zur Aussage bereit finden werde (WK-StPO § 281 Rz 327, 333), woran es vorliegend gebricht.

Die Gültigkeit der Erklärung ist von einer richterlichen Belehrung über ein Entschlagungsrecht gänzlich unabhängig, wenn nur das Entschlagungsrecht besteht. Indem das Entschlagungsrecht gerichtlicher Überprüfung unterliegt, kommt dessen Anerkennung zwar regelmäßig in der Belehrung des Zeugen darüber (§ 152 Abs 5 erster Satz [§ 249 Abs 1] StPO) zum Ausdruck. Abhängig ist es aber nur von der - in welcher Form immer - geschehenen gerichtlichen Anerkennung; hier durch den Beschluss des Schöffengerichtes über den Antrag auf Vernehmung (§ 238 StPO). Da Bernadette A***** am 5. August 2002 (übrigens in Anwesenheit des in der Hauptverhandlung einschreitenden Verteidigers; S 95) nach § 162a StPO vernommen wurde, geschah diese Anerkennung zu Recht (§ 152 Abs 1 Z 2a StPO). Daraus aber folgte die Zulässigkeit der Vorführung der technischen Aufnahme über diese Vernehmung (§ 252 Abs 1 Z 2a StPO) und der Niederschrift über die davor gelegene polizeiliche Abhörung.

Da ein über den Gegenstand der kontradiktorischen Vernehmung hinausgehendes Beweisthema nicht genannt wurde und nachträgliche Ergänzungen im Rechtsmittel unerheblich sind (WK-StPO § 281 Rz 325), liegt in der unterlassenen neuerlichen Abhörung des Tatopfers kein Verfahrensmangel.

Der Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins am Tatort der Vergewaltigung „zum Beweis dafür, dass das Bad nicht versperrbar ist und" dem Tatopfer "somit ein Verlassen selbst nach der geschilderten Art, wie der Angeklagte die Notdurft verrichtete, möglich gewesen wäre" (S 241), ließ das erst im Rechtsmittel nachgetragene Beweisthema der Unglaubwürdigkeit dieser Zeugin nicht unmissverständlich erkennen und enthielt zudem keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer entsprechenden Falschaussage der Zeugin. Gleichermaßen bloß Erkundungscharakter trug das Begehren auf Einvernahme eines "Dr. N. H*****, zum Beweis dafür, dass die Zeugin A***** ihm eine Verletzung nicht gezeigt hat bzw. dass es sich bei Dr. H***** nicht um den Hausarzt der Zeugin handelt", samt ergänzendem Vorbringen, wonach "es sich bei dem angeführten Arzt um einen in V***** ansässigen Arzt handelt", der "auch keine Ordination in L*****" habe (S 239).

Zur Frage, ob angesichts der Tatschilderung der Zeugin A***** diese weitere Verletzungen hätte erleiden müssen, bedurfte es - wie das Schöffengericht zutreffend erkannt hat - keines Gutachtens. Aus Z 5 wird mit vagen Beweiswerterwägungen nur unzulässig die - eingehende - Beweiswürdigung der Tatrichter kritisiert und unter dem Gesichtspunkt einer - teils bloß das aus Z 4 erstattete Vorbringen wiederholenden - Aufklärungsrüge (Z 5a) nicht gesagt, was den Angeklagten gehindert hätte, nachträglich für erforderlich gehaltene Beweisaufnahmen zu begehren (WK-StPO § 281 Rz 480). Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390a StPO.

Rechtssätze
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