JudikaturJustiz13Os69/11p

13Os69/11p – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Servet S***** wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 2, 130 vierter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Jänner 2011, GZ 93 Hv 105/10g 12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten Servet S***** und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Lechner zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil in der Subsumtion der Taten nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Der Angeklagte hat hiedurch das Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB begangen und wird hiefür zu einer Freiheitsstrafe von

neun Monaten

verurteilt.

Die Strafe wird nach § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Servet S***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von Jänner 2009 bis April 2010 32.000 Euro, die er in eigener Verantwortung von Münztelefonen zu einer Postfiliale transportieren hätte sollen, sich mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet.

Das Erstgericht ging soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung davon aus, dass der Angeklagte als sogenannter Stützpunktfahrer der Österreichischen Post AG beauftragt war, (eigenständig und ohne Kontrolle durch die Auftraggeberin) aus den im 16. und 17. Wiener Gemeindebezirk eingerichteten Münztelefonen mittels eines ihm anvertrauten Schlüssels die mit Bargeld gefüllten Kassetten zu entnehmen und die Kassetten in eine Postfiliale zu bringen (US 4). Und weiter (US 5 f): „Der Angeklagte wusste, dass ihm die Münzkassetten mit den beinhaltenden Münzen dahingehend von seinem Arbeitgeber, der Österreichischen Post AG, anvertraut waren, dass er sie nur von den Münzfernsprechern in die Postfiliale transportieren sollte, diese aber weder öffnen, noch sich den Inhalt behalten durfte. Der Angeklagte wollte sich durch dieses Vorgehen unrechtmäßig Vermögensvorteile verschaffen und sich dadurch bereichern. Er wusste, dass diese Tathandlungen gegen seine arbeitsrechtliche Verpflichtung, nämlich die Plastikkassetten nur zu transportieren, widersprach. Aufgrund dieses Entschlusses schüttelte nun der Angeklagte bei einem Teil der Kassetten, die oben ein Loch hatten, einen Teil der darin befindlichen Münzen heraus und steckte sie ein. Bei einem anderen Teil der Münzen, die mit“ einer „'Plastikplombe' verschlossen waren, öffnete er die 'Plombe' durch einfaches Herausschieben der Schlaufe, nahm sich die im Behältnis befindlichen Münzen und schloss die 'Plombe' ohne Beschädigung wieder“. Zuletzt weisen die Tatrichter auf den Umstand hin, dass der unzureichende Schutz, den die Kassetten gegen Münzentnahme boten, den dafür Verantwortlichen der Österreichischen Post AG nicht bewusst war.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft begehrt eine Subsumtion des Geschehens nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 2, 130 vierter Fall StGB mit dem Vorbringen, den Feststellungen zufolge habe „der Angeklagte gewusst, dass ihm die Münzkassetten mit den 'beinhaltenden' Münzen von seinem Arbeitgeber, der Österreichischen Post AG, anvertraut waren, dass er sie (aber) nur von den Münzfernsprechern in die Postfiliale transportieren sollte und diese nicht öffnen durfte“. Sie ist damit teilweise im Recht.

Anvertraut ist einem eine Sache, wenn aufgrund eines „Rechtsgeschäfts oder eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses“ alleiniger Gewahrsam daran mit der Verpflichtung erlangt wird, die Sache im Interesse eines anderen zu verwenden, zu verwahren, zurückzustellen oder an einen Dritten weiterzugeben (statt aller: Leukauf/Steininger 3 § 133 RN 3 mwN; vgl RIS Justiz RS0093920, RS0093962, RS0093947, RS0093896). Werden vertretbare Sachen wie Geld übergeben, spricht man von „Anvertrauen“, wenn der Täter verpflichtet ist, ebensoviel derselben Art (zB einen gleich hohen Geldbetrag) ständig zur Rückgabe, Weitergabe oder Verwendung bereitzuhalten (RIS Justiz RS0119788).

Wird aufgrund eines „Rechtsgeschäfts oder eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses“ ein Geld enthaltendes Behältnis erlangt, bezieht sich diese Art von Gewahrsamserlangung dann nur auf das Behältnis und nicht auch auf das darin enthaltene Geld, wenn das Behältnis den direkten Zugriff des zur Verwendung, Verwahrung, Zurückstellung oder Weitergabe des Behältnisses Verpflichteten hindern soll (idS ausdrücklich: SSt 10/23, 19/63; vgl auch EvBl 1973/299; zustimmend zur gleich gelagerten deutschen Rechtsprechung: Eser/Bosch in Schönke/Schröder 28 § 242 Rz 34; vgl auch Hoyer in SK StGB § 242 Rz 42). Das ist nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung keineswegs nur der Fall, wenn der Zugriff auf das Geld bloß durch Handlungen zu erlangen wäre, wie sie § 129 StGB unter strengere Strafe stellt.

Vorliegend war dem (im unmittelbarem Umfeld seines Poststützpunkts agierenden; vgl BGH 5 StR 804/78) Angeklagten nach den die sofortige Entscheidung in der Sache selbst ermöglichenden Feststellungen der Tatrichter klar, dass nur verbotswidriges Öffnen oder Schütteln der Behälter ihm den direkten Zugriff auf die darin befindlichen Münzen ermöglichte. Da er sich gleichwohl just dadurch Münzen im Wert von 32.000 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Willen aneignete, hat er das Vergehen des Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StPO verwirklicht.

In diesem Umfang ist die das Problem präzise auf den Punkt bringende Subsumtionsrüge der Staatsanwaltschaft begründet. Soweit sie auch die unselbständige Qualifikation des § 129 Z 2 StGB (und weitergehend jene des § 130 vierter Fall StGB) reklamiert, nimmt sie nicht an den Entscheidungsgründen Maß, wo einerseits vom Herausschütteln von Münzen, andererseits von deren Entnahme nach gewaltlosem Herausziehen einer Schlaufe die Rede ist.

Zu Recht weist die Staatsanwaltschaft auch darauf hin, dass das Erstgericht bloßem Anerkenntnis des Schadens angesichts des erheblichen Zeitraums, welcher seit Begehung der Taten verstrichen ist und den Ersatz wenigstens eines Teils des Schadens durchaus ermöglicht hätte, ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Trotz des reumütigen Geständnisses und des bislang ordentlichen Lebenswandels ist eine maßvolle Erhöhung der Strafe sachgerecht, deren bedingte Nachsicht jedoch aus den vom Schöffengericht ins Treffen geführten Gründen keinen Bedenken begegnet.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a StPO.

Rechtssätze
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