JudikaturJustiz13Os48/99

13Os48/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 1999 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Thumb als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter J***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 StGB, AZ 10 Vr 1261/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Graz vom 29. Oktober 1998, AZ 9 Bs 489/98 (= ON 35) und des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. Jänner 1999, GZ 10 Vr 1261/98-42 sowie den Vorgang, daß die Haftverhandlung vom 13. Oktober 1998 in Abwesenheit des Staatsanwaltes durchgeführt wurde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalprokurators Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

I) Im Strafverfahren AZ 14 (10) Vr 1261/98 des Landesgerichtes für

Strafsachen Graz wurde das Gesetz verletzt:

1) dadurch, daß es der Untersuchungsrichter am 13. Oktober 1998 unterließ, vor Durchführung der Haftverhandlung der Oberstaatsanwaltschaft Graz zur Kenntnis zu bringen oder dem Oberlandesgericht Graz darüber die Anzeige zu erstatten, daß der Staatsanwalt trotz Verständigung vom Termin nicht erschienen war, in der Bestimmung des § 27 StPO;

2) durch den Beschluß vom 19. Jänner 1999 auf Aufschub der Einleitung des Strafvollzuges in der Bestimmung des § 6 Abs 1 StVG.

II) Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Trotz der am 7. Oktober 1998 erfolgten Verständigung (auch) des Staatsanwaltes von dem auf 8.00 Uhr des 13. Oktober 1998 festgelegten Termin (S 3 h verso und 3 r des Antrags- und Verfügungsbogens) erschien dieser nicht zur Haftverhandlung, worauf der Untersuchungsrichter bis 8.08 Uhr zuwartete (S 327), die Verhandlung sodann in Abwesenheit des Staatsanwaltes durchführte und die Untersuchungshaft gegen Anwendung gelinderer Mittel (§ 180 Abs 5 StPO) aufhob.

Der gegen diesen Beschluß eingebrachten Beschwerde des Staatsanwaltes, die auch das Vorbringen enthielt, "daß die Haftverhandlung nicht in der vom Gesetz vorgesehenen Form (§ 182 Abs 3 StPO) durchgeführt wurde und die Aufhebung der Untersuchungshaft auf nicht gesetzmäßige Weise nach Art eines 'Versäumungsbeschlusses' erfolgte, da die Staatsanwaltschaft Graz einer Enthaftung nicht zugestimmt hat und keine Gelegenheit hatte, zur Frage der Untersuchungshaft Stellung zu nehmen" (S 370), gab das Oberlandesgericht Graz unter anderem mit der darauf bezogenen Begründung nicht Folge, der Staatsanwalt habe sich selbst des angesprochenen Rechtes begeben und der Untersuchungsrichter sei ohnehin von fehlender Zustimmung des öffentlichen Anklägers zur Enthaftung ausgegangen.

Mit (unbekämpft gebliebenem) Beschluß vom 19. Jänner 1999 (ON 42) schob der Vorsitzende des erkennenden Gerichtes die Einleitung des Vollzuges der mittlerweile rechtskräftig verhängten (gänzlich unbedingten) zweijährigen Freiheitsstrafe (nach Zustimmung des öffentlichen Anklägers; S 441) bis 31. Mai 1999 auf.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde - insoweit zutreffend - aufzeigt, hätte der Untersuchungsrichter die Haftverhandlung, welche - anders als die Hauptverhandlung (vgl insb §§ 31 Abs 1, 263, 279 StPO; Mayerhofer StPO4 § 276 ENr 15) - durch die Abwesenheit des Staatsanwaltes nicht unmöglich gemacht wird (§ 181 Abs 4 StPO; vgl auch § 193 Abs 1 StPO), nicht durchführen dürfen, bevor er nicht auf dem im § 27 StPO vorgezeichneten Weg versucht hat, Abhilfe gegen dessen Saumseligkeit (s. § 182 Abs 3 StPO) zu erwirken.

Die Beschwerde des Generalprokurators sieht das Gesetz jedoch auch durch die Beschlußbegründung des Oberlandesgerichtes Graz vom 29. Oktober 1998, AZ 9 Bs 489/98 (= ON 35) - in den Bestimmungen der §§ 27, 31 und 182 Abs 3 StPO - verletzt, weil diese einen Hinweis auf die (s § 27 StPO) vom Untersuchungsrichter vernachlässigte Verpflichtung vermissen lasse, "wodurch unmißverständlich die Billigung der gesetzwidrigen Vorgangsweise dieses Richters zum Ausdruck gebracht wird."

Insoweit geht die Beschwerde fehl, weil der (nicht als Aufsichtsbehörde nach § 15 StPO angerufene) Gerichtshof II. Instanz bei der Entscheidung über die gemäß § 182 Abs 4 erster Satz StPO eingebrachte Beschwerde des Staatsanwaltes nicht in der Lage war amtswegig, die Beseitigung des aufgezeigten Verfahrensgebrechens nach § 114 Abs 4 StPO anzuordnen.

Demgegenüber ist dem Generalprokurator weiters darin zuzustimmen, daß § 6 Abs 1 Z 2 StVG es nicht gestattet, die Einleitung des Vollzuges einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe für die Dauer von mehr als einem Monat mit der Begründung aufzuschieben, der Aufschub erscheine für das spätere Fortkommen des Verurteilten zweckmäßiger als der sofortige Vollzug (s § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG).