JudikaturJustiz13Os39/06v

13Os39/06v – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richterin im Evidenzbüro Dr. Kropiunig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Axel H***** wegen des Vergehens nach § 60 Abs 1 zweiter Fall Markenschutzgesetz über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. September 2005, AZ 21 Bs 102/05m, GZ 42 Hv 26/04y-41 des Landesgerichtes Wiener Neustadt, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Knibbe, des Dr. Ploil als Vertreter der Privatanklägerinnen, des Verteidigers Dr. Armster und des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren AZ 42 Hv 26/04y des Landesgerichtes Wiener Neustadt verletzt das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 2. September 2005, AZ 21 Bs 102/05m, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 10 Abs 1 Z 1, 10a und 60 Abs 1 Markenschutzgesetz.

Dieses Urteil wird aufgehoben, und es wird in der Sache selbst erkannt:

Mag. Axel H***** wird von der Anklage, er habe als Geschäftsführer der D***** Gesellschaft mbH im Mai 2003 in L***** im geschäftlichen Verkehr gewerbsmäßig eine Marke verletzt und das Vergehen nach § 60 Abs 1 zweiter Fall Markenschutzgesetz begangen, indem er ohne Berechtigung C*****-Originalwaren, darunter Toner, Patronen und Trommeln mit den Warenbezeichnungen „NPG 7, NPG 11, NPG 1 und NPG 11", die mit der geschützten Marke C***** bezeichnet und weder von den Privatanklägerinnen selbst noch von Dritten mit ihrer Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden waren, dadurch erstmals in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt, angeboten und zu diesem Zweck besessen habe, dass er diese Originalwaren aus dem EWR-Ausland nach Österreich einführte, im Wege des Zollausschlussverfahrens in das Zollfreilager der D***** nach L***** verbrachte und dort anbot, verkaufte und zu diesen Zwecken lagerte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Den Privatanklägern fallen die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Text

Gründe:

Im Privatanklageverfahren der C***** (C***** Inc.) und der Ca***** GmbH gegen Mag. Axel H***** wegen des Vergehens nach § 60 Abs 1 zweiter Fall Markenschutzgesetz, AZ 42 Hv 26/04y des Landesgerichtes Wiener Neustadt, wurde der Beschuldigte mit Urteil vom 27. Oktober 2004 (ON 34), mangels subjektiver Tatbestandsverwirklichung (im zweiten Rechtsgang neuerlich) von der wider ihn erhobenen Privatanklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 2. September 2005, AZ 21 Bs 102/05m (ON 41 des Hv-Aktes), wurde Mag. Axel H***** in Stattgebung der Berufung der Privatankläger des Vergehens nach § 60 Abs 1 zweiter Fall Markenschutzgesetz schuldig erkannt und zu einer (teilweise bedingt nachgesehenen) Geldstrafe verurteilt, weil er als Geschäftsführer der D***** Gesellschaft mbH in L***** im Mai 2003 im geschäftlichen Verkehr gewerbsmäßig eine Marke verletzt habe, indem er ohne Berechtigung im Urteil näher genannte, mit der geschützten Marke C***** bezeichnete C*****-Originalwaren, die weder von den Privatanklägern noch von Dritten mit deren Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden waren, dadurch erstmals in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt, angeboten und zu diesem Zweck besessen habe, dass er die Originalwaren aus dem EWR-Ausland nach Österreich einführte, im Wege des Zollausschlussverfahrens in das Zollfreilager der D***** nach L***** verbrachte und dort anbot, verkaufte und zu diesen Zwecken lagerte.

Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Urteilsfeststellungen ist die Erstprivatanklägerin Inhaberin der im österreichischen Markenregister registrierten internationalen Marke C***** und die Zweitprivatanklägerin auf Grund von Lizenzverträgen zur Nutzung dieser Marke im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit und zur gerichtlichen Verfolgung von Markenrechtsverletzungen im eigenen Namen berechtigt. Der Angeklagte, der keine Lizenzen zur Benutzung der Marke C***** besitzt, ist Geschäftsführer und Miteigentümer der D***** Gesellschaft mbH, die auch mit außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), nämlich in Südostasien und in Amerika erworbenen Produkten der Marke C***** handelt, welche aus marktpolitischen Gründen ausschließlich für den US-amerikanischen Raum bestimmt sind. Diese Produkte werden durch die D***** über ihren Geschäftsführer ausschließlich außerhalb des EWR im Wege des (sogenannten) Zollausschlussverfahrens verkauft, wobei dafür ein Zollfreilager in L***** zur Verfügung steht. Die Ware wird auf Vorrat oder über Vorbestellung von Kunden angefordert, von einer Spedition verplombt in einen europäischen Hafen gebracht, wiederum verplombt und mittels Spedition mit Lkw oder Bahn in das Zollfreilager gebracht. Nach Überprüfung der Waren erfolgt die Lagerung und der Weiterverkauf in das EWR-Ausland. Diese Geschäftstätigkeit führte der Angeklagte auch nach Zustellung einer von den Privatanklägern erhobenen (Unterlassungs )Klage fort, indem er im Mai 2003 mit auf die Verwirklichung einer Markenverletzung gerichtetem (bedingtem) Vorsatz und in der Absicht, sich (durch die wiederkehrende Begehung der Tat) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weiterhin Originalprodukte der Firma C***** vom Zollfreilager L***** anbot und in nicht dem EWR zugehörige Länder vertrieb (US 9 bis 12). Da sich das durch § 10 Abs 1 Z 1 Markenschutzgesetz geschützte Recht des Markeninhabers auch auf das Inverkehrbringen von Originalmarkenwaren beziehe, bei denen die Voraussetzungen eines (wegen Erschöpfung des Markenrechtes) zulässigen Parallelimports (§ 10b Abs 1 Markenschutzgesetz) nicht vorliegen, begründe dieses Verhalten eine Markenverletzung im Sinn der §§ 10 Abs 1 Z 1, 10a Markenschutzgesetz. Zollfreilager seien markenrechtlich nicht als Ausland oder exterritorial anzusehen; der Import markenverletzender Ware aus einem Nicht-EU-Mitgliedstaat in ein österreichisches Zollfreilager und die Lagerung dieser Ware zum Zweck des späteren Exports in andere Nicht-EU-Mitgliedstaaten falle daher unter den Begriff des Inverkehrbringens (§ 10a MSchG).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 2. September 2005 mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Mit den die Rechte aus einer eingetragenen Marke regelnden Vorschriften der §§ 10, 10a und 10b Markenschutzgesetz 1970 idF BGBl I 1999/111, deren Verletzung den Straftatbestand nach § 60 Abs 1 Markenschutzgesetz verwirklicht, wurde die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (im Folgenden: RL) umgesetzt. In Vollzug von Art 5 Abs 1 lit a der RL gewährt § 10 Abs 1 Z 1 Markenschutzgesetz dem Inhaber einer eingetragenen Marke vorbehaltlich der Wahrung älterer Rechte und der in §§ 10 Abs 3 und 10b Markenschutzgesetz genannten Einschränkungen das ausschließliche Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke gleiches Zeichen für Waren zu benutzen, die mit denjenigen gleich sind, für die die Marke eingetragen ist. Dieses Recht bezieht sich auch auf Originalmarkenwaren (EuGH 1. Juli 1999 C-173/98 = ÖBl 1999, 308).

Gleichlautend mit Art 5 Abs 3 lit b und c der RL liegt nach § 10a Z 2 und 3 Markenschutzgesetz eine Benutzung im Sinn von § 10 Abs 1 Z 1 Markenschutzgesetz vor, wenn unter dem Zeichen Waren angeboten, in den Verkehr gebracht, zu den genannten Zwecken besessen, ein- oder ausgeführt werden.

Der Europäische Gerichtshof hat nun am 18. Oktober 2005 (C-405/03; wbl 2006, 24; RdW 2005/828) zur Auslegung der RL grundlegend Folgendes ausgesprochen:

Der durch § 10b Markenschutzgesetz umgesetzte Art 7 Abs 1 der RL, die auf Grund des Abkommens über den EWR vom 2. Mai 1992 auch für den Europäischen Wirtschaftsraum gilt, sieht die Erschöpfung des Markennutzungsrechts für Waren vor, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft (im EWR) in den Verkehr gebracht worden sind. Demnach erschöpft das Inverkehrbringen außerhalb der Gemeinschaft nicht das Recht des Markeninhabers der ohne seine Zustimmung unternommenen Einfuhr von Originalwaren zu widersprechen, und es wird dem Markeninhaber das Recht eingeräumt, das erste Inverkehrbringen der mit der Marke versehenen Waren in der Gemeinschaft zu kontrollieren. Eine Einfuhr im Sinne des Art 5 Abs 3 lit c RL setzt eine Verbringung der Waren in die Gemeinschaft zum Zweck ihres dortigen Inverkehrbringens voraus. Das Inverkehrbringen von Waren aus Drittländern in der Gemeinschaft hinwieder setzt deren Überführung in den zollrechtlichen freien Verkehr im Sinn von Art 24 EG voraus. In das Zollverfahren des externen Versandverfahrens oder des Zolllagerverfahrens überführte Nichtgemeinschaftswaren behalten, solange sie nicht in das Zollverfahren des zollrechtlich freien Verkehrs überführt werden, den zollrechtlichen Status als Nichtgemeinschaftswaren (Punkt 33 bis 37).

Solange in das externe Versand- oder das Zolllagerverfahren überführte Nichtgemeinschaftswaren nicht in den zollrechtlich freien Verkehr überführt und die Voraussetzungen einer anderen zollrechtlichen Bestimmung der Waren als der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr beachtet werden, steht ihre bloße körperliche Verbringung in das Gemeinschaftsgebiet einer „Einfuhr" im Sinn des Art 5 Abs 3 lit c der RL nicht gleich und bedeutet keine Benutzung der Marke im geschäftlichen Verkehr nach Art 5 Abs 1 lit a der RL (Pkt 44).

Das dem Schuldspruch des Mag. Axel H***** zugrunde gelegte Verhalten begründet demnach - objektiv - keine Verletzung des Art 5 Abs 1 lit a der RL umsetzenden § 10 Abs 1 Z 1 Markenschutzgesetz. In Ausübung des dem Obersten Gerichtshof von § 292 letzter Satz StPO eingeräumten Ermessens war das angefochtene Urteil daher aufzuheben und in der Sache selbst mit Freispruch und der Verfällung der Privatankläger in den Kostenersatz vorzugehen.

Einen damit verbundenen Nachteil für Dritte (hier: die Privatankläger) nimmt das Gesetz notwendigerweise in Kauf (Ratz, WK-StPO § 292 Rz 29, 33).

Zwar dient das Instrument der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht dazu, einer erst nachträglich veränderten Normsituation Rechnung zu tragen. Wohl aber kann eine nach Ansicht des Generalprokurators verfehlte - wenngleich im Einklang mit der zum Entscheidungszeitpunkt herrschenden Ansicht stehende - Anwendung eines (wie hier) unverändert gebliebenen Gesetzes gerügt werden (WK-StPO § 292 Rz 5).

Rechtssätze
6