JudikaturJustiz13Os36/07d

13Os36/07d – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Mai 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Mai 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz und Dr. Schwab, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Frizberg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz V***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 21. November 2006, GZ 16 Hv 102/06p-14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Krems verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Franz V***** wurde des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. Juli 2002 in G***** als Beamter des Gendarmeriepostens G***** mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er es unterließ, über die ihm dienstlich zur Kenntnis gelangte Mitteilung der am 3. August 1988 geborenen Sabrina B*****, 2001 von ihrem Stiefvater vergewaltigt worden zu sein, Strafanzeige „bei der zur Strafverfolgung zuständigen Behörde" zu erstatten. Der aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge kritisiert mit Recht die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Vernehmung zweier Polizeibeamter zum Beweis dafür, dass der Angeklagte über die erwähnte Mitteilung „eine Meldung an den Dienstvorgesetzten gemacht hat" (S 253).

Wie der Oberste Gerichtshof zu 11 Os 43/02, EvBl 2003/104, 473 (= RZ 2003/190; RIS-Justiz RS0117254; vgl auch SSt 26/44) erneut klargestellt hat, ist ein Polizeibeamter hinsichtlich eines ihm in seinem gesetzmäßigen Wirkungsbereich bekannt gewordenen strafrechtlich relevanten Verhaltens (soweit es nicht bloß auf Verlangen des Verletzten oder eines anderen Beteiligten zu verfolgen ist; § 2 Abs 2 erster Satz StPO) unter dem Aspekt des § 84 StPO nur zur Meldung gegenüber dem Leiter seines Amtes verpflichtet, damit dieser die Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder den Untersuchungsrichter erstatte. Zu einer unmittelbaren Anzeigeerstattung (namens des Amtes) wäre er dagegen nur dann verhalten, wenn er selbst Leiter des Amtes wäre.

Da sich der Verteidiger des Angeklagten in seiner Gegenäußerung zum Anklagevortrag (§ 244 Abs 3 StPO) darauf berufen hatte, dass der Angeklagte zur Zeit des Vorfalls nicht selbst Kommandant des Gendarmeriepostens G***** war, war es für das erkennende Gericht solcherart ohne weiteres erkennbar, dass das erwartete Beweisergebnis für die Schuldfrage von Bedeutung war, sodass der Antrag eines entsprechenden expliziten Vorbringens nicht bedurfte. Die Tauglichkeit der beantragten Vernehmung des Postenkommandanten selbst und eines weiteren Polizeibeamten zum Beweis der erfolgten Mitteilung lag auf der Hand und bedurfte ebenso wenig eines ausdrücklichen Hinweises.

Da keineswegs unzweifelhaft erkennbar ist, dass die demnach zu Unrecht unterlassene Beweisführung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung üben konnte (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO), war bereits bei der nichtöffentlichen Beratung mit Urteilsaufhebung und Rückverweisung vorzugehen (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 1 StPO), ohne dass es einer Erörterung der weiteren Beschwerdegründe bedarf.