JudikaturJustiz13Os149/07x

13Os149/07x – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef R***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und 2 zweiter Satz StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 21. August 2007, GZ 20 Hv 17/06d-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Josef R***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 23. Oktober 2006, GZ 20 Hv 17/06d-25, unter anderem des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und 2 zweiter Satz StGB (I) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Urteils hatte er „in G***** von 1996 bis März 2005 als Leiter der Geschäftsabteilung 7 Hv des Landesgerichts für Strafsachen G*****, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, die Republik Österreich sowie Antragsteller und Parteien, Parteienvertreter und Verfahrensbeteiligte in ihrem Recht auf eine den Verfahrensvorschriften entsprechende Bearbeitung und Erledigung von Aktenanfällen, Anträgen und Rechtsmitteln ohne unnötigen Aufschub in angemessener Zeit, weiters auf Strafverfolgung, Einhebung von Geldstrafen und Kostenersatz, Aktualisierung und Vollständigkeit von Strafregisterdaten sowie die Bewirkung des Eintrittes tilgungsrechtlicher Folgen, teils auch an Vermögensrechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen (§§ 43 Abs 1, 2 und 3, 44 Abs 1 BDG 1979; §§ 108, 110 Geo - betr Einlaufstücke; §§ 216 ff, 231 iVm § 230 Abs 22, 234, 241, 484, 489, 490, 493 Geo - betr Einbringung, Erlass, Stundung, Herabsetzung von Geldstrafen und dazu gehörende Registerführung; §§ 171, 360, 527, 534, 535 Geo - betr Fristenvormerk; §§ 167, 174 Geo - betr Aktenaufbewahrung und -rekonstruktion, §§ 33, 50, 172, 359, 365, 370, 378 Abs 2 Geo - betr Register und die hiezu korrespondierenden Bestimmungen des VJ-Online Handbuches sowie JABl Nr 21/2001 - ADV-Register Redesign) wissentlich missbraucht, wobei er durch die Taten einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er

1. zumindest 574 Einlaufstücke zu zwischen 1993 und 2004 angefallenen Akten nicht bearbeitete;

2. in zumindest 44 Fällen bei zwischen 1997 und 2001 angefallenen Akten offene Geldstrafen unbearbeitet ließ, wobei er an nicht eingebrachten Geldstrafen einen Schaden von 69.504,08 Euro = 956.396,99 ATS zum Nachteil des Bundes herbeigeführt hat;

3. in zumindest 637 Fällen bei zwischen 1991 und 2002 angefallenen Akten Fristvormerke zur endgültigen Strafnachsicht unerledigt ließ;

4. in zumindest 84 Fällen bei zwischen 1991 und 2001 angefallenen und in Verstoß geratenen Akten deren Verlust durch Unterlassen der Mitteilung an den Richter zum Zweck der Veranlassung der Aktenrekonstruktion iSd BGBl 1927/248 iVm § 174 Abs 1 Z 8 Geo aufrecht hielt bzw förderte und

5. in zumindest 7 Fällen bei zwischen 1996 und 2001 angefallenen Akten unrichtige Eintragungen in Registern und Amtsbehelfen tätigte, wobei er in den beiden letzterwähnten Punkten 4. und 5. an nicht eingebrachten Geldstrafen einen Schaden von insgesamt 48.256,22 Euro = 664.020 ATS zum Nachteil des Bundes herbeigeführt hat (Schaden daher insgesamt 117.760,33 Euro)."

Der Oberste Gerichtshof hat mit Urteil vom 2. Mai 2007, AZ 13 Os 17/07k, aus Anlass einer vom Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in der Subsumtion der genannten Taten nach § 302 Abs 2 zweiter Satz StGB, - (anders als im Fall von bereits im Grundtatbestand auf einen Vermögensschaden abstellenden strafbaren Handlungen hier) überflüssiger (indes an der Teilrechtskraft der die strafbare Handlung [sui generis] des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB konstituierenden Schuldsprüche wegen Straftaten nach § 302 Abs 1 StGB nichts ändernder) Weise auch - in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit nach § 302 Abs 1 StGB und demnach auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte im zweiten Rechtsgang (unter überflüssiger [11 Os 85/05t mwN] Wiederholung der bereits im ersten Rechtsgang in Teilrechtskraft erwachsenen Schuldsprüche) - rechtlich verfehlt, aber im Nichtigkeitsverfahren sanktionslos (vgl dazu unten) - nunmehr mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Einen durch die in Teilrechtskraft erwachsenen Schuldspruchsfakten (I/2/, I/4 und I/5) herbeigeführten Schaden, der 50.000 Euro überstiege, erachteten die Tatrichter im zweiten Rechtsgang nicht als erwiesen und lehnten demnach eine Subsumtion der Taten nach § 302 Abs 2 zweiter Satz StGB ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich eine aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, welche sich als unbegründet erweist.

Die (Negativ )Feststellung der Tatrichter, wonach ein 50.000 Euro übersteigender Schaden nicht habe festgestellt werden können, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie wurde explizit getroffen und eingehend erläutert (vgl US 10 - 15), weshalb die Mängelrüge (Z 5 erster Fall), die diese Urteilsausführungen ignoriert, fehl geht.

Soweit die Staatsanwaltschaft aus Z 10 Konstatierungen zu der nach ihrer Ansicht einer Antwort bedürftigen Frage vermisst, ob der Wille des Angeklagten auf einen 50.000 Euro übersteigenden Schadensbetrag gerichtet war, fehlt es dem Vorbringen an einem für die Geltendmachung eines Feststellungsmangels erforderlichen Hinweis auf konkrete, in der Hauptverhandlung vorgeführte Beweise, welche eine solche Willensausrichtung indiziert hätten, sodass das Rechtsmittel insoweit nicht am Verfahrensrecht ausgerichtet ist (RIS-Justiz RS0118580; zuletzt 13 Os 72/07y, EvBl 2007/146, 789; eingehend Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600 ff).

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung zur Folge. Eine Delegierungsbefugnis des Obersten Gerichtshofs, wie sie § 288 Abs 1 Z 1, 2a und 3 StPO vorsehen, kennt § 285i StPO nicht. Mit seinem den Anschein der Befangenheit des Berufungsgerichts reklamierenden Vorbringen ist der Angeklagte auf die Möglichkeit zur Ablehnung von Gerichtspersonen zu verweisen (§§ 72 ff StPO; § 45 StPO idF StPRG).

In Betreff der gänzlich erfolglosen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft entfällt die Kostenersatzpflicht des Angeklagten (§ 390a Abs 1 StPO).

Anzumerken bleibt, dass die entgegen dem (seit der Einführung der Schadensqualifikation des § 302 Abs 2 zweiter Satz StGB durch BGBl I 2001/130) auch für Amtsmissbrauch geltenden Zusammenrechnungsgrundsatz nach § 29 StGB (13 Os 17/07k, ÖJZ-LS 2007/65, 704) rechtlich verfehlte Annahme mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO keinen Anlass bietet. Stellt nämlich einerseits dieser Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil im Sinne der genannten Bestimmung dar (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23), so ist andererseits dem durch die - von diesem ausgelöste - aggravierende Wertung des Zusammentreffens „mehrerer Verbrechen" mit mehreren Vergehen neben der zugleich erfolgten Annahme des Erschwerungsgrundes der Tatwiederholung (US 17) hergestellten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen (Ratz aaO § 290 Rz 29; zum Ganzen 13 Os 64/07x, 11 Os 34/06v; RIS-Justiz RS0090885). Dabei besteht keine dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts an den (durch die unterbliebene Bildung einer Subsumtionseinheit nach § 29 StGB verfehlten) Ausspruch des Erstgerichtes über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0118870).

Rechtssätze
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