JudikaturJustiz13Os142/89

13Os142/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. November 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger (Berichterstatter), Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Edelmann als Schriftführers in der Strafsache gegen Thomas S*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 4 StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichts Leoben als Berufungsgerichts vom 18.Mai 1989, AZ. 17 Bl 28/89, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, seines Verteidigers, des Subsidiaranklägers und dessen Vertreters zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Kreisgerichts Leoben als Berufungsgerichts vom 18. Mai 1989, 17 Bl 28/89, verletzt die §§ 49 Abs. 2, Z. 3, 447 Abs. 1, 465 Abs. 3, 470 Z. 1 StPO.

Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Die Berufung des Subsidiaranklägers Dr. Gottfried G*** gegen das Urteil des Bezirksgerichts Rottenmann vom 31.August 1988, GZ. U 19/88-19, wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO wird dem Subsidiarankläger der Ersatz der durch sein Rechtsmittel verursachten Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichts Rottenmann vom 31. August 1988, GZ. U 19/88-19, wurde der am 24.Mai 1961 geborene Angeklagte Thomas S*** von der gemäß § 449 StPO erhobenen Subsidiaranklage, er habe am 4.Jänner 1988 auf dem Flugplatz Trieben als Tandem-Springer (Fallschirmspringer) seinen Passagier Dr. Gottfried G*** dadurch, daß er infolge Unachtsamkeit eine falsche Landeeinteilung wählte, fahrlässig am Körper verletzt, wodurch Dr. Gottfried G*** einen Oberschenkelhalsbruch rechts mit einem Hämatom im Hüftgelenk, Prellungen beider Oberschenkel, einen Bruch der zweiten Rippe links, eine Nasenbeinfraktur sowie eine Gehirnerschütterung erlitt, und habe hiedurch das Vergehen nach § 88 Abs. 4, erster Fall, StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Gemäß § 366 Abs. 1 StPO wurde der Subsidiarankläger Dr. Gottfried G*** mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen sowie gemäß § 390 Abs. 1 StPO in den Kostenersatz verfällt. Gegen dieses Urteil erhob der Subsidiarankläger eine Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld.

Das Kreis- als Berufungsgericht in Leoben bejahte die Zulässigkeit der Berufung des Subsidiaranklägers wegen Nichtigkeit (und Schuld) im wesentlichen mit der Begründung, daß die Rechtsmittelbefugnis des Subsidiaranklägers im bezirksgerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften über die Rechtsmittelbefugnis des Privatanklägers zu beurteilen sei, gab der Berufung (wegen Nichtigkeit) Folge, hob den Freispruch auf und verwies die Sache zur Erneuerung des Verfahrens an das Bezirksgericht Irdning (dg. AZ. U 61/89).

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Berufungsgerichts steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die Rechtsstellung des Subsidiaranklägers im Strafprozeß ist im V. Hauptstück der Strafprozeßordnung geregelt (§§ 48 ff. StPO). Seine Rechtsmittelbefugnis gegen Urteile der Strafgerichte ergibt sich aus der - ausdrücklich als Einschränkung gegenüber den für den Privatankläger erlassenen Bestimmungen bezeichneten - Vorschrift des § 49 Abs. 2 Z. 3 StPO. Demnach ist er nicht berechtigt, die Nichtigkeitsbeschwerde gegen das in der Hauptverhandlung ergehende Urteil zu ergreifen; die Berufung gegen das Urteil steht ihm nur insoweit offen, als sie dem Privatbeteiligten überhaupt eingeräumt ist (§§ 283, 344 und 465 StPO). Dem Privatbeteiligten (der ja der Subsidiarankläger nach wie zuvor ist) steht aber die Berufung im Gerichtshofverfahren nur gegen die Verweisung auf den Zivilrechtsweg nach Maßgabe des § 366 Abs. 3 StPO offen (§§ 283 Abs. 4, letzter Satz, 344 StPO); im bezirksgerichtlichen Verfahren kann die Berufung vom Privatbeteiligten nur wegen seiner privatrechtlichen Ansprüche ergriffen werden (§ 465 Abs. 3 StPO). Sowohl das Klammerzitat des § 465 StPO im § 49 Abs. 2 Z. 3 StPO als auch die allgemeine Verweisungsnorm des § 447 Abs. 1 StPO lassen keinen Zweifel, daß § 49 Abs. 2 Z. 3 StPO inhaltlich im Verfahren vor den Bezirksgerichten anzuwenden ist.

Diese klare und eindeutige, ausdrücklich als Einschränkung der den Privatankläger betreffenden Bestimmungen normierte Rechtslage ist, ohne daß es eines Rückgriffs auf die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung KH. 2428 bedürfte, einer sich zudem zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden extensiven Interpretation zu Gunsten des Subsidiaranklägers nicht zugänglich. Das Recht des Staatsanwalts, die gerichtliche Verfolgung wieder zu übernehmen (§ 49 Abs. 1 StPO), soll offenbar nach der Ansicht des Gesetzgebers hinreichende Gewähr dafür bieten, eine notwendige Strafverfolgung zu sichern. Die vom Berufungsgericht verfochtene These, daß die Rechtsmittelbefugnis des Subsidiaranklägers im bezirksgerichtlichen Verfahren derjenigen des Privatanklägers gleichzusetzen sei, würde übrigens ein im Grund des Art. 7 Abs. 1 B-VG bedenkliches Ungleichgewicht schaffen: Im bezirksgerichtlichen Verfahren und im Einzelrichterverfahren beim Gerichtshof (§ 489 Abs. 1 StPO) hätte der Subsidiarankläger die volle Rechtsmittelbefugnis des Anklägers (§ 465 Abs. 3, erster Halbsatz, StPO), in dem (noch dazu die gravierenderen Strafsachen betreffenden) kollegialgerichtlichen Verfahren hätte er nur die durch § 49 Abs. 2 Z. 3 StPO massiv eingeschränkte Rechtsmittellegitimation. Will man freilich, wie vielfach postuliert, die Subsidiaranklage als Korrektiv unberechtigter Einstellungs- und Rücktrittserklärungen der Staatsanwaltschaft ausgestalten, so drängt sich allerdings das vom Berufungsgericht vertretene rechtspolitische Anliegen förmlich auf. Indes müßte, um die dem entgegenstehenden kategorischen Hindernisse des § 49 Abs. 2 Z. 2 und 3 StPO zu beseitigen, der Gesetzgeber tätig werden.

Die Berufung des Subsidiaranklägers gegen das freisprechende Urteil des Bezirksgerichts Rottenmann vom 31.August 1988 wäre daher gemäß § 470 Z. 1 StPO zurückzuweisen gewesen. Durch die Zulassung der Berufung des Subsidiaranklägers und die Aufhebung des Freispruchs unter gleichzeitiger Anordnung der Verfahrenserneuerung wurde das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten in den §§ 49 Abs. 2 Z. 3, 447 Abs. 1, 465 Abs. 3 und 470 Z. 1 StPO verletzt. Der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde war daher stattzugeben und gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO wie eingangs zu erkennen. Der Kostenausspruch ist eine notwendige Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens (§ 390 a StPO), die auch in einer gemäß § 292 StPO gefällten Entscheidung zum Tragen kommt (SSt. 50/9, verstärkter Senat).

Rechtssätze
3