JudikaturJustiz13Os135/05k

13Os135/05k – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom 19. Oktober 2005, GZ 8 Hv 482/05i-61, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, sowie des Angeklagten Johann H***** und seines Verteidigers Dr. Rudolf Mayer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Johann H***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 25. Oktober 2004 in Kitzladen Viktoria S***** vorsätzlich getötet, indem er ihr mit einer Wasserwaage Schläge gegen den Kopf versetzte, ihr mit einem Messer zwei Stichverletzungen zufügte und sie sodann mit beiden Händen und unter Verwendung eines Scartkabels erwürgte.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform auf das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gerichtete Hauptfrage bejaht und die auf Zurechnungsunfähigkeit gerichtete Zusatzfrage 1 verneint; folgerichtig unterblieb die Beantwortung der auf das Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB gerichteten Eventualfrage 1. Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6 und 10 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Fragenrüge (§ 345 Abs 1 Z 6 StPO) wendet sich gegen das Unterbleiben der Stellung einer zweiten, auf vorsätzliche Tötung der Viktoria S***** (allein) durch Erwürgen mit beiden Händen gerichteten Hauptfrage. Dadurch hätte sich dem Beschwerdevorbringen zufolge den Geschworenen die Möglichkeit eröffnet, den Tötungsvorsatz bei den anderen von der Anklage umfassten, nach dem gerichtsmedizinischen Gutachten des Sachverständigen Dr. Mario D***** nicht tödlichen Aggressionshandlungen zu verneinen und letztlich das Vorliegen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung bei der Tötung der Viktoria S***** zu bejahen.

Der Einwand versagt: Hauptfragen sind stets anklagekonform zu stellen; bei ihrer Abfassung ist der Schwurgerichtshof, soweit nicht die (im gegebenen Fall nicht eingreifende) Ausnahmebestimmung des § 312 Abs 2 StPO zur Tragen kommt, an den der Anklageschrift zugrunde gelegten Sachverhalt und dessen dort vorgenommene rechtliche Beurteilung gebunden, und zwar ungeachtet allfälliger anderer Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung (Schindler, WK-StPO § 312 Rz 4, 8 mwN). Dem Vorkommen anderer - vom Anklagesachverhalt abweichender - Tatsachen in der Hauptverhandlung, die im Fall ihrer Bejahung einen Schuldspruch wegen einer anderen strafbaren Handlung in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken, wäre durch Stellung einer Eventualfrage Rechnung zu tragen (Schindler, WK-StPO § 314 Rz 1).

Eine zweite Hauptfrage hätte daher nicht gestellt werden dürfen, weshalb von der behaupteten Verletzung der Vorschriften über das Fragenschema nicht die Rede sein kann.

Im Übrigen war es den Geschworenen gestattet, die Hauptfrage auch nur teilweise zu bejahen (§ 330 Abs 2 StPO). Dadurch konnten sie ihrer allfälligen Überzeugung Ausdruck geben, dass einzelne Aggressionshandlungen des Angeklagten nicht von einem Tötungsvorsatz getragen waren. Über diese Möglichkeit teilweiser Bejahung einer Frage wurden die Geschworenen auch ausdrücklich belehrt (S 417/III), doch machten sie davon keinen Gebrauch.

Mit der Tatsachenrüge (§ 345 Abs 1 Z 10a StPO) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die mit der Bejahung der auf das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gerichteten Hauptfrage verbundene Ablehnung der Annahme einer im Tatzeitpunkt vorgelegenen allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung im Sinne des § 76 StGB. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt dann vor, wenn die in der Beschwerde konkret genannten Beweismittel nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Der Umstand, dass aus den den Geschworenen vorgeführten Beweisen auch andere, dem Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich nicht geeignet, erhebliche Bedenken im Sinne der Z 10a des § 345 Abs 1 StPO darzutun.

Der psychiatrische Sachverständige Dr. Gottfried H***** gestand zwar dem Angeklagten auf Befragung des Verteidigers ein Handeln im Affekt zu (S 381 f/III); doch war jener Sachverständige nicht mit der Erstattung eines Gutachtens zu diesem Beweisthema, sondern zur Frage der Zurechnungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht beauftragt, und nahm auch nur aus Sicht des ihm erteilten Auftrags zu den emotionalen Tatkomponenten Stellung (S 149/I, 376/III).

Die Frage, ob sich der Angeklagte zur Tat in einer heftigen Gemütsbewegung hinreißen ließ, war vielmehr Thema des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Joachim M*****. In Anlehnung an die vom deutschen Psychiater S***** aufgestellten Kriterien für und gegen das Vorliegen eines Affekts beleuchtete er im Gutachten die Umstände, die fallbezogen für und gegen eine heftige Gemütsbewegung des Angeklagten bei Begehung der Tat sprachen. Dabei führte er unter anderem aus, dass das zumindest vier Angriffe mit vier verschiedenen Mitteln umfassende länger andauernde Tatgeschehen, nämlich Schläge mit der Wasserwaage, Stiche mit einem Messer, Würgen mit den Händen und Drosseln mit einem Kabel, die für die Annahme von Delinquenz in schwerem Affekt erforderliche Impulsivität vermissen lasse. Die Abwägung der aufgezeigten Merkmale überließ er der Beweiswürdigung der Geschworenen (S 199 ff, 387 ff/III).

Indem der Angeklagte aus Beweismitteln einen anderen Schluss als die Geschworenen abzuleiten sucht, vermag er keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Wahrspruchs aufzuzeigen. Soweit er das „aggressive Vorgestalten in der Phantasie" - im Gegensatz zum Psychiater S***** - nicht als Kriterium gegen das Vorliegen eines Affekts gewertet wissen will, entfernt er sich vom Akteninhalt; dieses Argument hatte der Sachverständige Dr. M***** in seinem Gutachten gar nicht herangezogen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren. Dabei wertete es den Umstand, dass der minderjährigen noch unversorgten Tochter die Mutter genommen wurde, als erschwerend, hingegen das reumütige Geständnis des Angeklagten, dass er bisher einen ordentlichen Lebenswandel führte und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht sowie „dass eine Beziehungstat vorlag im Grenzbereich der Privilegierung im Sinn des § 76 StGB" als mildernd. Gegen den Strafausspruch wendet sich der Angeklagte mit Berufung. Er sei ein „Beziehungstäter", der keine Vorstrafen aufweise. Die Aufträge an seinen Betrieb seien zurückgegangen, die letzten Geldreserven aufgebraucht worden und es sei dann laufend zu Streitigkeiten zwischen ihm und seiner Lebensgefährtin Viktoria S***** gekommen. „Der richtige Streit" habe begonnen, als die 15-jährige Tochter aus Tirol zu ihnen gekommen sei; sie habe ihn nicht gemocht. Er habe einen Selbstmordversuch unternommen. Das Wochenende sei „ganz normal verlaufen bis auf den Anruf vom Amtsarzt". Ab diesem Moment habe er eine innere Unruhe verspürt. Montag Mittag habe Viktoria S***** ihm gesagt, dass sie nichts mehr für ihn empfinde.

Aus diesen Gründen und auch deshalb, weil der psychiatrische Sachverständige beim Angeklagten Hinweise auf depressiv-abhängige Züge sowie auf eine mangelnde Kommunikationsfähigkeit fand, wird mit der Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes angestrebt. Der Oberste Gerichtshof sieht sich jedoch nicht zu einer Strafreduktion bestimmt. Das Geschworenengericht hat dem Schuld- und Unrechtsgehalt der durch beträchtlichen Handlungsunwert gekennzeichneten Tat (vgl insbesondere S 372 ff, 389, 395/III) zutreffend Rechnung getragen, indem es ausgehend von den angeführten Umständen eine zeitliche Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren verhängte.

Daher war der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.