JudikaturJustiz13Os12/12g

13Os12/12g – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. März 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas P***** wegen Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 1. Dezember 2011, GZ 609 Hv 3/11b-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Thomas P***** mehrerer Verbrechen nach § 3g VG schuldig erkannt.

Danach hat er sich von September bis Dezember 2010 in Wien auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er „auf seinem Profil auf Facebook“ im angefochtenen Urteil einzeln wiedergegebene Äußerungen (A bis E) veröffentlichte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des normativen Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ einschließlich des Bedeutungsinhalts einer Äußerung oder eines Verhaltens ist auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten (RIS-Justiz RS0119234; Lässig in WK 2 VG § 3g Rz 17).

Mit dem Hinweis auf einzelne Aussagen des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung, wonach „nicht jeder Angehörige der SS ein Nazi, ein Verbrecher war“ und „hoch geachtete Persönlichkeiten Mitglieder dieser Organisation“ gewesen seien (vgl ON 19 S 23 und 55), sowie mit der Behauptung, dass sich der Beschwerdeführer „im Zuge der Hauptverhandlung klar“ von den „angelasteten Vorwürfen distanziert“ und angegeben habe, „Nazi-Methoden nicht zu billigen“ (vgl ON 19 S 53 ff), weckt die Tatsachenrüge (Z 10a) keine erheblichen Bedenken gegen die Annahme der Geschworenen, die inkriminierten Äußerungen hätten nationalsozialistischen Inhalt.

Das weitere - nominell ebenfalls im Rahmen der Tatsachenrüge vorgetragene - Argument, der Beschwerdeführer fühle sich in seinem „in Art. 6 EMRK garantierten Recht auf ein faires Verfahren“ verletzt, weil er nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich „an der Auswahl der Geschworenen zu beteiligen und Geschworene aus Gründen ihrer Geisteshaltung oder mangelnder Sachkenntnis abzulehnen“, ist mit Blick auf die Möglichkeit, (auch) hinsichtlich Laienrichtern einen Antrag auf Ablehnung wegen Ausschließung zu stellen (§ 46 iVm § 44 Abs 3 StPO) und bei Fehlen der erforderlichen Befähigung eines Geschworenen dessen Amtsenthebung zu beantragen (§ 15 Abs 2 GSchG), unverständlich (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 98 und 132). Ein entsprechender Antrag wurde in der Hauptverhandlung nach dem ungerügten Protokoll über diese nicht gestellt (vgl ON 19 S 5 ff). Im Übrigen wird Ausgeschlossenheit oder das Fehlen der erforderlichen Befähigung in Bezug auf die hier im Verfahren tätigen Geschworenen nicht konkret behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Die unterbliebene Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf die aktenkundige (vgl ON 18 S 9), vom Erstgericht jedoch übersehene (US 9) Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 9. August 2011, AZ 4 Hv 76/11b, wird in Ermangelung einer Strafneubemessung oder einer ausstehenden Berufungsentscheidung - im Weg des in § 410 StPO geregelten Verfahrens nachzuholen sein (RIS-Justiz RS0107405).

Rechtssätze
2
  • RS0107405OGH Rechtssatz

    24. April 2013·3 Entscheidungen

    Nach der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl 1996/762, geänderten Rechtslage kann die gesetzwidrige Nichtanwendung der §§ 31, 40 StGB schon vom Erstgericht - auf Antrag oder von Amts wegen - im Wege über das in § 410 StPO neue Fassung geregelte Verfahren zur Vermeidung eines tilgungsrechtlichen Nachteils für den Verurteilten (§ 4 Abs 4 TilgG) saniert werden, und zwar auch dann, wenn nach Prüfung der Voraussetzungen des § 31 a StGB hervorkommt, dass zu einer nachträglichen Strafmilderung (letztlich doch) kein Anlass besteht. In einem solchen Fall hat das Gericht (im kollegialgerichtlichen Verfahren der Dreirichtersenat - siehe § 13 Abs 3 neue Fassung beziehungsweise § 14 Abs 2 StPO) auszusprechen, dass auch unter Bedacht auf die erst nachträglich bekannt gewordene (oder übersehene), im Verhältnis des § 31 StGB stehende Verurteilung zu einer nachträglichen Milderung der spruchmäßig nunmehr als Zusatzstrafe zu deklarierenden Strafe kein Anlass besteht. Diesen Beschluss hat das Gericht gemäß §§ 2 Abs 1 Z 4 lit k, 3 Abs 1 und Abs 3 StRegG dem Strafregisteramt mitzuteilen. Eine Berichtigung des Strafregisters durch eine formlose Mitteilung im Sinne des § 5 Abs 1 StRegG kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht. Eine Berichtigung hat zur Voraussetzung, dass die im Strafregister enthaltenen Angaben über eine Verurteilung unrichtig sind, also die Eintragung nicht mit dem Entscheidungsinhalt übereinstimmt. Ist aber der dokumentierte Entscheidungsinhalt selbst unrichtig, so bedarf es zunächst der prozessordnungsgemäßen korrigierenden Entscheidung eines zuständigen Richters (eben § 410 StPO; sonst §§ 33, 292; §§ 353 ff oder §§ 363a ff StPO).