JudikaturJustiz13Os112/94

13Os112/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Mag. Strieder, Dr. Mayrhofer und Dr. Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kahofer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Rudolf L***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach § 173 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Dr. Rudolf L***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Jänner 1994, GZ 1 c Vr 11831/91-169a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Dr. Rudolf L***** und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten treffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Dr. L***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Dr. Rudolf L***** wurde mit dem angefochtenen Urteil (zu I a) des Verbrechens der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach § 173 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB und (zu I b) des Vergehens der versuchten Vollstreckungsvereitelung zugunsten eines anderen nach §§ 15, 163 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

(I a) Anfang Juni 1991 den diesbezüglich bereits rechtskräftig verurteilten Rudolf (richtig: Rupert) K***** dazu bestimmt, am 18. Juli 1991 in Maria Enzersdorf ein mit 2,5 kg Schwarzpulver gefülltes Stahlrohr unter dem PKW des Ing.Herbert S***** anzubringen und zu entzünden, wodurch das Schwarzpulver explodierte, das Fahrzeug vernichtet und Bewohner der umliegenden Häuser konkret gefährdet wurden sowie

(I b) ohne Einverständnis mit dem Schuldner Walter B***** Bestandteile dessen Vermögens beiseitegeschafft und dadurch die Befriedigung von dessen Gläubigern durch Zwangsvollstreckung zu vereiteln versucht, indem er den abgesondert verfolgten Rupert K***** beauftragte, aus dem von Walter B***** gemieteten Geschäftslokal Pelz- und Lederwaren mit einem 25.000 S übersteigenden Wert zu entfernen.

Das Erstgericht stellte zum Verbrechen (I a) fest, daß der Angeklagte im Wissen, daß K***** über seinen Auftrag bzw seine Aufforderung für die Begehung von Straftaten zur Verfügung stünde, diesem gegenüber erklärte, man müsse Ing. S***** einen Denkzettel verpassen. Dr. L***** sei dabei klar gewesen, daß daraufhin K***** ein Sprengstoffdelikt oder eine andere vergleichbare Straftat setzen würde. Der Tatplan wäre Dr. L***** in wesentlichen Grundzügen bekannt gewesen und er habe sein Einverständnis dazu gegeben, indem er den unmittelbaren Täter davon nicht abhielt. K***** habe dann im Auftrag des Angeklagten das Auto des Ing. S***** gesprengt. Subjektiv wäre das Tatbild gegeben, weil durch die Zündung von Sprengstoffen in einem Wohngebiet, in dem der PKW des Ing. S***** abgestellt war, üblicherweise eine Gefahr für Leib oder Leben anderer herbeigeführt werde (US 8, 9, 13 und 16).

Zum versuchten Vergehen (I b) wurde konstatiert, daß der seit 1991 zahlungsunfähige Walter B***** den Angeklagten als seinen Rechtsanwalt beauftragt habe, ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Wegen Verzögerungen bei der Konkurseröffnung habe Dr. L***** befürchtet, daß eine pfandweise Beschreibung der Pelz- und Lederwaren im Geschäftslokal des B***** durchgeführt werden könnte. Andererseits habe aber auch die Gefahr bestanden, es würden Exekutionen gegen B***** geführt, weswegen der Angeklagte wiederum K***** beauftragt habe, die genannten Waren an anderer Stelle einzulagern. Der Angeklagte hatte sich damit verantwortet, er habe die Pelze nur gesondert aufbewahren wollen (US 10 ff). Nach der weiteren Aussage von Dr. L***** in der Hauptverhandlung habe er dies alles nur gemacht, um eine pfandweise Beschreibung der Waren des B***** zur Sicherung des Bestandzinses zu verhindern, weil er kurz vorher einen (gleichgelagerten) Fall erlebt habe, bei dem eine an sich lebensfähige Firma komplett zugrundegegangen wäre. Den Bestandzins wollte er anderweitig abdecken (S 16, 236 ff/VIII; siehe auch S 289 und 291/II).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen beide Schuldsprüche ist berechtigt.

Beim Schuldspruch zu Punkt I a schlägt bereits die Feststellungsmängel monierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) durch. Vorgeworfen wird dem Angeklagten die Bestimmungstäterschaft zum konkreten Gefährdungsdelikt (Leukauf-Steininger, Komm3, § 173 RN 5) nach § 173 Abs 1 StGB. Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB ist, wer vorsätzlich einen anderen zur Ausführung einer strafbaren Handlung veranlaßt, also den Anstoß zur Tatausführung durch einen anderen gibt (Leukauf-Steininger, aaO, § 12, RN 27 und 30; Kienapfel, AT4, E 4, RN 1 und 9). Der unmittelbare Täter muß dabei zu einer individuell bestimmten strafbedrohten Handlung verleitet werden, die zwar nicht in allen ihren Einzelheiten feststeht, aber ihrer Art nach und in groben Umrissen in der Vorstellung des Bestimmenden vorhanden, das heißt so ausreichend umschrieben sein muß, daß sie nach Unrechtsgehalt und Angriffsrichtung individualisiert ist. Der Bestimmungstäter muß mit dem für das angesonnene Delikt geforderten Tatvorsatz handeln, in seiner Person muß dessen subjektiver Tatbestand zur Gänze erfüllt sein (SSt 47/30; Leukauf-Steininger, aaO, RN 3 und 36; Kienapfel, aaO, RN 12, 19 und 31).

Aus den schöffengerichtlichen Feststellungen läßt sich die notwendige Konkretisierung des dem Angeklagten in Form der Bestimmungstäterschaft angelasteten Deliktes weder im Hinblick auf den Unrechtsgehalt noch auf die Angriffsrichtung ableiten. Das Erstgericht beschränkt sich vielmehr auf den Hinweis, dem Angeklagten wäre klar gewesen, daß K***** über seine Aufforderung ein Sprengstoffdelikt oder eine vergleichbare Straftat begehen werde. Das angefochtene Urteil enthält jedoch keine Feststellungen darüber, welches Rechtsgut nach dem Vorsatz des Angeklagten durch das "Sprengstoffdelikt" des unmittelbaren Täters getroffen werden sollte oder wie weitreichend die Tatfolgen zu sein hätten. Durch den Hinweis auf die Möglichkeit der Begehung einer einem Sprengstoffdelikt vergleichbaren Straftat wird sogar aus der Sicht des Angeklagten das zu gebrauchende Tatmittel (Sprengstoff) in Frage gestellt. Die Bestimmungstäterschaft zum konkreten Gefährdungsdelikt des § 173 Abs 1 StGB findet somit keine Deckung in den Urteilsfeststellungen. Die Tatrichter haben dazu gezielt konstatiert, der Angeklagte habe in seinen Vorsatz aufgenommen, daß die Zündung von Sprengstoffen in Wohngebieten wie dem Abstellplatz des PKW üblicherweise eine Gefahr für Leib oder Leben anderer herbeiführe, diesbezüglich also auf eine abstrakte Gefährdung abgestellt und damit den Tatvorsatz in Richtung der Bestimmung zum Verbrechen nach § 173 Abs 1 StGB sogar ausgeschlossen.

Aber auch andere Täterschaftsformen sind aus dem Urteilssachverhalt nicht ableitbar. Vielmehr weisen die Feststellungen, wonach der Angeklagte den Tatplan in wesentlichen Grundzügen gekannt und sich damit konkludent einverstanden erklärt habe, auf die Notwendigkeit einer näheren Klärung hin, ob allenfalls ein psychischer Tatbeitrag im Sinn des § 12 dritter Fall StGB vorliegt oder die Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung unterlassen worden ist (§ 286 Abs 1 StGB). Die Feststellungen des Schöffengerichts lassen somit die Beantwortung der Frage nach der Straftat, zu der der Angeklagte den unmittelbaren Täter vorsätzlich veranlassen wollte, auch bloß nach deren Art und in groben Umrissen in der für das Strafverfahren erforderlichen eindeutigen Weise nicht zu. Die Folgerungen des Erstgerichtes weisen eher in Richtung einer vom Angeklagten gewollten Beeinträchtigung von (Rechts )Gütern des Ing. S***** und nicht in jene einer vorsätzlichen konkreten Gefährdung von Leib und Leben anderer Personen.

Aber auch die zum Schuldspruch I b erhobenen (nominell auf Z 5 a und 9 lit a, sachlich als Mängelrüge nach Z 5 aufzufassenden) Einwände einer unzureichenden Begründung der subjektiven Tatseite sind berechtigt.

Das Schöffengericht ging ausdrücklich davon aus, der Angeklagte habe sich damit verantwortet, nur für eine sichere Aufbewahrung der Pelz- und Lederwaren des Walter B***** gesorgt zu haben (US 13 und 14). Damit hat es dessen Verantwortung jedoch nur bruchstückhaft und unzulänglich erörtert. Dieser hatte vielmehr die Verbringung der Waren an einen anderen Aufbewahrungsort damit begründet, daß er dies zur Verhinderung einer pfandweisen Beschreibung (zur Sicherstellung des Bestandzinses) getan habe, um die Mietrechte in der Zwischenzeit wieder "in Ordnung" (S 237/VIII) zu bringen, also für die Abdeckung der Mietzinsrückstände zu sorgen.

Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters entsteht bereits mit dem Einbringen der beweglichen Sachen in den Mietgegenstand. Deren pfandweise Beschreibung ist keine Exekutionsführung, dieses Pfandrecht ist vielmehr wie jedes andere selbständig durch Klage und Exekution geltend zu machen. Die pfandweise Beschreibung dient zur Beweisführung und Kontinuierung des Pfandrechtes, hindert aber die Verfügung des Bestandnehmers an den beschriebenen Sachen in keiner Weise (vgl Rummel, Komm2, I S 1934 ff). Die Verantwortung des Angeklagten über die Anordnung der anderweitigen Aufbewahrung der Pelz- und Lederwaren umfaßt daher noch nicht die Vereitelung oder Schmälerung eines Gläubigers durch Zwangsvollstreckung. Bei der vorliegenden Beweislage wäre das Erstgericht vielmehr gehalten gewesen, sich mit dem vom Angeklagten behaupteten Vorhaben näher auseinanderzusetzen. Denn die Ableitung eines auf Vollstreckungsvereitelung oder -schmälerung gerichteten Vorsatzes ist gerade im Hinblick auf die Erfahrung des Angeklagten als Angehöriger eines Berufsstandes, der grundsätzlich mit den Voraussetzungen und Wirkungen einer pfandweisen Beschreibung nach § 1101 ABGB vertraut ist, mit der langjährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt allein unzureichend begründet. Das Erstgericht hätte vielmehr logisch ableitbar darstellen müssen, weshalb es die Verantwortung des Angeklagten, er habe nur die pfandweise Beschreibung der Pelz- und Lederwaren verhindern wollen, zurückgewiesen hat.

Aus den angeführten Erwägungen war daher - ohne daß es einer Erörterung der weiteren Beschwerdeeinwände bedurft hätte - der begründeten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gemäß § 285 e StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.

Mit seiner Berufung war Dr. L***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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