JudikaturJustiz12Os8/95

12Os8/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. März 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Madersbacher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jack U* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des (verstorbenen) Angeklagten und seiner Mutter Theresia S* gegen den Beschluß des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 5. Dezember 1994, GZ 12 Vr 426/92 938, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Jack U* wurde mit dem (überdies Teilfreisprüche enthaltenden) Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 28. Juni 1994, GZ 12 Vr 426/92 933, des (in neun Fällen begangenen) Mordes nach § 75 StGB sowie des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt, gemäß §§ 28, 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Unmittelbar nach der Verkündung dieses Urteils meldete der Angeklagte dagegen die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung an. In der Nacht zum 29. Juni 1994 verstarb der Angeklagte durch Selbstmord.

Unbeschadet der zwischenzeitigen Verfahrensbeendigung infolge Ablebens des Angeklagten führte sein Verteidiger (nach Urteilszustellung) für den Verstorbenen und (auf Grund gesonderter Vollmacht) dessen Mutter Theresia S* (gemeinsam) die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung aus. Diese Rechtsmittelausführung wurde mit dem angefochtenen Beschluß unter Hinweis auf die (am 6. Oktober 1994 ausgesprochene) Beendigung des Strafverfahrens und die für den verstorbenen Angeklagten potentiell nachteiligen Auswirkungen einer allfälligen Erfolglosigkeit der wenn auch zu seinen Gunsten erhobenen Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde beider Rechtsmittelwerber geht fehl.

Der Erwiderung der Beschwerdeargumentation ist voranzustellen, daß der staatliche Strafanspruch mit dem Tod des Angeklagten erlischt, ein infolge Wegfalls des anklagebetroffenen Prozeßsubjektes rechtlich gar nicht mehr existenter Strafanspruch demnach einer weiteren Überprüfung im ordentlichen Rechtsmittelverfahren schon begrifflich nicht zugänglich ist (11 Os 41/87 und die dort zitierte Vorjudikatur). Davon ausgehend kamen aber in bezug auf eine abschließende materielle Prüfung des anklagegegenständlichen Strafanspruchs rechtswirksame Prozeßakte (von welcher Seite auch immer) ab dem Tod des Angeklagten nicht mehr in Betracht. Die von der Beschwerde relevierten Aspekte des zivilrechtlichen Fortbestandes des Vollmachtsverhältnisses über den Tod des Mandanten hinaus, einer dem geltenden Recht fremden "theoretischen" Urteilsrechtskraft infolge Ablebens des Angeklagten sowie des behaupteten "Verfolgungscharakters" der (nur vermeintlich prozeßrechtlich wirksamen) Urteilszustellung an den Verteidiger des bereits verstorbenen Angeklagten verfehlen daher den entscheidenden Kern der in Rede stehenden prozessualen Zulässigkeitsproblematik, deren Lösung letztlich auch durch die Bestimmung des § 354 StPO im Sinn der gefestigten oberstgerichtlichen Rechtsprechung bekräftigt wird. Bezweckt doch auch die danach eröffnete Wiederaufnahme eines Strafverfahrens selbst nach dem Tod des Verurteilten im Ergebnis keine abschließende materielle Beurteilung des Anklagevorwurfs, sondern nicht anders als die ablebensbedingte prozessuale Perpetuierung des Rechtszustandes vor Urteilsrechtskraft bloß eine Verfahrensfinalisierung unter Wahrung der Unschuldsvermutung im Sinn des Art 6 Abs 2 EMRK.

Dem Beschwerdestandpunkt zuwider trifft es letztlich auch nicht zu, daß die erstgerichtliche Zurückweisung der Rechtsmittelausführung keinen der in § 285 a StPO normierten Anwendungsfälle zu unterstellen sei, weil aus den dargelegten Erwägungen mit dem Tod des Angeklagten sowohl diesem selbst als auch seiner Mutter das entsprechende prozessuale Recht nicht (mehr) zukam.