JudikaturJustiz12Os6/87

12Os6/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. März 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ernst M*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Ernst M*** und die Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 29. Oktober 1986, GZ 20 Vr 4125/85-59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser und des Verteidigers Dr. Goller, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und Ernst M*** gemäß § 75 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernst M*** aufgrund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig gesprochen, weil er am 9.Oktober 1985 in Ried im Oberinntal seine Ehegattin Lorena M*** durch Versetzen zahlreicher Schläge mit einem Beil gegen deren Kopf und Körper vorsätzlich getötet hat. Er wurde hiefür nach § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit einer lediglich auf § 345 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung, von der Staatsanwaltschaft mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

In Ausführung der Beschwerde macht der Angeklagte zunächst geltend, daß über seinen im Schriftsatz vom 27.Oktober 1986 gestellten Antrag auf Vernehmung des Zeugen Franz K*** nicht entschieden wurde.

Die prozeßordnungsgemäße Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes setzt jedoch einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag voraus. Auf einen Antrag, der wie im vorliegenden Fall vor der Hauptverhandlung überreicht, in der Hauptverhandlung jedoch nicht wiederholt wurde, kann daher die Rüge nicht gestützt werden (Mayerhofer-Rieder 2 E 1 zu § 281 Z 4 StPO). Der Angeklagte hat ferner in der Hauptverhandlung (S 46 in ON 58) den Antrag gestellt, Univ.Prof. Dr. P*** als Zeugen zum Beweis dafür zu vernehmen, daß ihm gegenüber der Angeklagte bereits in Gesprächen am 31.Dezember 1985 und am 2.Jänner 1986 den Tathergang gleich geschildert hat, wie er sich in den Hauptverhandlungen vom 8.Juli 1986 und 29.Oktober 1986 verantwortet hat.

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde hat das Schwurgericht, wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, über den Beweisantrag in der Hauptverhandlung erkannt (S 71 in ON 58) und ihn mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das Beweisthema, zu dem der Sachverständige Dr. P*** als Zeuge vernommen werden sollte, betrifft nämlich ausschließlich Wahrnehmungen, die der Sachverständige bei seiner Befundaufnahme machte, und die er in seinem Befund (§ 124 StPO) unter Wahrheitspflicht wiedergegeben hat (ON 25; S 59 ff in ON 58). Seine neuerliche Vernehmung als Zeuge über dieses Thema war daher nicht erforderlich.

Mit Recht wurde auch der Antrag auf Verlesung des Gutachtens des Medizinalrates Dr. Robert W***, Facharzt für Psychiatrie, vom 26. Oktober 1986 und dessen Vernehmung als Sachverständiger "zur Erhellung bzw. Ergänzung bislang unerhoben und unbeurteilt gebliebener Sachverhalte in psychiatrischer Sicht" (S 58 in ON 58) abgewiesen. Abgesehen davon, daß kein konkretes, für die Sache erhebliches Beweisthema genannt wurde, ist die Verlesung eines Privatgutachtens gemäß § 252 Abs 1 StPO gegen den Widerspruch des Anklägers (S 69 in ON 58) unzulässig (Mayerhofer-Rieder aaO E 109 ff zu § 252). Für die Vernehmung eines zweiten Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie - dessen Auswahl dem Gericht und nicht dem Angeklagten obliegt - fehlen die Voraussetzungen der Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung im Sinne des § 118 Abs 2 StPO. Die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Pharmazie, der zum Beweis dafür beantragt wurde, daß "die verabreichten Medikamente den Angeklagten im Rahmen der Vorerhebung und der Voruntersuchung beeinflußt haben" (S 69 in ON 58), war ebenfalls entbehrlich, weil die Frage, ob der Angeklagte durch die Einnahme von Medikamenten (in seiner Aussagefähigkeit) beeinträchtigt war, auch in das Sachgebiet der Psychiatrie fällt und vom Sachverständigen Dr. P*** frei von Widersprüchen und Mängeln beantwortet wurde (S 63 ff in ON 58).

Susanne W***, die geschiedene Gattin des Angeklagten, sollte über das Verhalten des Angeklagten ihr gegenüber in der ersten Ehe, über seine Gewohnheiten, Eigenheiten und Reaktionen Auskunft geben, ohne daß im Beweisantrag dargetan wurde, inwieweit dieses Beweisthema für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit von Bedeutung sein sollte (Mayerhofer-Rieder, aaO, E 19 zu § 281 Z 4). Ihre Vernehmung konnte daher unterbleiben. Der Angeklagte verließ nach seiner eigenen Verantwortung in der Hauptverhandlung (S 7 in ON 58) gemeinsam mit seiner Gattin am Tag der Tat zwischen 18,30 Uhr und 18,40 Uhr sein Haus in Pfunds. Es erübrigt sich daher, die Vernehmung der Maria H*** als Zeugin, die laut Beweisantrag lediglich bestätigen sollte, daß der Angeklagte spätestens nach 18,30 Uhr von Pfunds weggefahren ist (S 68 in ON 58). Aber auch die Vornahme eines Augenscheines und einer Stellprobe mit einer Puppe in einem Fahrzeug gleicher Type war nicht erforderlich. Von einer Besichtigung des Tatortes - der in der Tatbestandsmappe (ON 18 und 19) eingehend beschrieben und photographiert und in die in der Hauptverhandlung Einsicht genommen wurde (S 70 in ON 58) - war keine weitere Aufklärung des Tatherganges zu erwarten. Aus welchen Gründen aber eine neuerliche Rekonstruktion des Tatherganges vor dem erkennenden Gericht geeignet sein sollte, die Ergebnisse der Tatrekonstruktion im Vorverfahren (ON 18 und 19) im Zusammenhalt mit den Gutachten des medizinischen Sachverständigen Oberarzt Dr. U*** (S 46 ff in ON 58, ON 28) und des kraftfahrtechnischen Sachverständigen Ing. H*** (S 54 ff in ON 58) zuwiderlegen, wurde im Beweisantrag nicht dargetan (Mayerhofer-Rieder aaO E 19 zu § 281 Z 4).

Der Antrag auf Vornahme eines Tauchversuches schließlich wurde schon deswegen zu Recht abgewiesen, weil die Sicherstellung der Tatwaffe - daß der Angeklagte seine Frau mit einer Hacke erschlagen hat, gibt er selbst zu - und die Klarstellung, an welchem Ort sie der Angeklagte nach der Tat weggeworfen hat, für die Beurteilung seiner Schuld ohne Bedeutung ist.

Durch die Ablehnung der Beweisanträge des Angeklagten wurden

somit Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Jahren und nahm bei der Strafbemessung als erschwerend die Planung der keineswegs aus Unbesonnenheit begangenen Tat, die besondere Brutalität der Tatausführung, die auch für das Opfer sehr qualvoll war, sowie der Umstand an, daß der Angeklagte seine Ehefrau und Mutter seiner drei Kinder aus niedrigen Beweggründen, nämlich um ohne Scheidung und Verlust seiner Kinder mit der Freundin zusammenleben zu können, getötet hat; mildernd hingegen war der Umstand, daß der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat, und daß die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, weiters das in der Voruntersuchung abgelegte Geständnis, das zur Wahrheitsfindung beigetragen hat sowie eine nicht ausschließbare, aber nicht schwerwiegende Provokation durch das Opfer.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf 16 Jahre, die Staatsanwaltschaft hingegen strebt mit ihrer Berufung die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe an.

Die vom Angeklagten in seiner Berufung geltend gemachten zusätzlichen Milderungsgründe liegen nicht vor; auch kann seinen Berufungsausführungen, soweit sie sich gegen das Vorliegen der vom Geschwornengericht angenommenen Erschwerungsgründe wenden, nicht gefolgt werden. Sein Vorbringen, daß die Tat nicht geplant war, geht nicht vom Urteilssachverhalt aus. Wie sich aus den Strafbemessungsgründen ergibt, hat das Geschwornengericht vielmehr angenommen, daß die Tat vom Angeklagten geplant war, um ohne Scheidung und Verlust seiner Kinder mit der Freundin zusammenleben zu können, und daß sie nicht aus Unbesonnenheit begangen wurde. Die Versetzung zahlreicher Schläge mit der Hacke gegen das sich längere Zeit verzweifelt wehrende Opfer zeigt eine Brutalität der Tatausführung, welche über die, bei einem Mord wesensmäßige Roheit, weit hinausgeht, sodaß das Geschwornengericht auch mit Recht die Brutalität der Tatausführung, die für das Opfer sehr qualvoll war, als erschwerend angenommen hat. Das Geständnis wurde ohnehin als mildernd gewertet. Daß der Angeklagte, wenn auch sehr spät, Reue über seine Tat zeigte, und seine Unbescholtenheit an sich, stellen noch keine Milderungsgründe dar. Der ordentliche Lebenswandel und der Umstand, daß die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, wurde vom Geschwornengericht weitgehend berücksichtigt. Daß der Angeklagte im Fall einer Scheidung bei seinen zahlreichen Sorgepflichten in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen wäre und er auch voraussichtlich seine Kinder verloren hätte, kann ihm nicht als mildernd bei der Verübung eines Mordes an seine Ehegattin angerechnet werden. Ebenso ist die geringe Intelligenz des Angeklagten, der jedoch keineswegs debil ist und das Unrecht seiner Tat voll zu erkennen in der Lage war, nicht als mildernd zu werten. Die vom Erstgericht somit zutreffend und vollständig angenommenen Milderungsgründe fallen gegenüber den Erschwerungsgründen nicht ins Gewicht.

Ausgehend von den Feststellungen des angefochtenen Urteils ist vielmehr die Berufung der Staatsanwaltschaft berechtigt. Bei dem hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat - der Mord an der Ehegattin war geplant, die Tat wurde brutal ausgeführt - ist nur eine lebenslange Freiheitsstrafe angemessen.

Es war daher der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen, der Angeklagte hingegen mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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