JudikaturJustiz12Os59/96

12Os59/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Dezember 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pösinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl G***** und andere Angeklagten wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Karl G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11.September 1995, GZ 12 f Vr 542/89-133, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Tiegs, des Angeklagten Karl G***** und des Verteidigers Dr.Meyenburg zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Karl G***** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Karl G***** wurde des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG schuldig erkannt. Demnach hat er in Wien vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- und Wahrheitspflichten (I.) vom 31. März 1981 bis in das Jahr 1983 durch die Nichtabgabe von Steuererklärungen bzw durch deren inhaltlich unrichtige Vornahme eine Verkürzung der Einkommensteuer für die Jahre 1979 bis 1982 um insgesamt 1,496.202 S bewirkt; (II.) vom 1.März 1983 bis Ende 1984 als Geschäftsführer der Karl G***** GesmbH durch unrichtige Steuererklärungen eine Verkürzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1979 und 1980 um insgesamt 149.991 S, der Körperschaftssteuer für die Jahre 1979 bis 1981 um insgesamt 736.560 S und der Gewerbesteuer für die Jahre 1979 und 1980 um insgesamt 119.200 S bewirkt sowie ferner eine Verkürzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1981 und 1982 um insgesamt 310.531 S und der Gewerbesteuer für das Jahr 1981 um 106.000 S zu bewirken getrachtet; (III.) von 1980 bis 1983 als Geschäftsführer der Karl G***** GmbH eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer für die Jahre 1980 bis 1982 um insgesamt 554.340 S bewirkt, indem er dazu die Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr unterließ.

Rechtliche Beurteilung

Die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit c und 10 StPO gegen dieses (auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch des Beschwerdeführers sowie rechtskräftige Freisprüche von Mitangeklagten enthaltende) Urteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl G***** geht fehl.

Dies gilt zunächst für die Verfahrensrüge (Z 4), die, soweit sie über den in der am 11.September 1995 gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung wiederholten (477/II) Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen für Spielautomatenwesen hinaus auf die erstgerichtliche Abstandnahme von weiters beantragten Beweisaufnahmen abstellt, schon daran scheitert, daß eine entsprechende Erneuerung der in der Hauptverhandlung vom 14.November 1994 gestellten Beweisanträge (273 ff/II) bei der Neudurchführung der Hauptverhandlung unterblieb. In diesem Umfang fehlt es der Verfahrensrüge daher an der nach gefestigter Rechtsprechung unabdingbaren Formalvoraussetzung für eine prozessual taugliche Inanspruchnahme des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Dem Beschwerdestandpunkt zuwider bewirkte aber auch jenes erstgerichtliche Zwischenerkenntnis, mit dem der prozeßordnungsgemäß wiederholte Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen für Spielautomatenwesen abgewiesen wurde, keine Hintansetzung wesentlicher Verteidigungsinteressen. Den für die gerügte Beschlußfassung maßgebenden erstgerichtlichen Erwägungen (479/II iVm US 22 f) ist nämlich dahin beizupflichten, daß die Beurteilung der Frage, welche Zählerstände die vorliegend ingerierten Automaten aufwiesen, nicht einem an technischen Daten über gleichartige Automaten orientierten Sachverständigengutachten, sondern bei der hier gegebenen Fallkonstellation ausschließlich der freien tatrichterlichen Würdigung jener im konkreten Fall verfügbaren spezifisch aussagekräftigen Verfahrensergebnisse (Aussagen bzw Aufzeichnungen der in diesem Zusammenhang involvierten Personen) vorbehalten bleibt. Vor dem Hintergrund der evidenten Tatsache, daß die einzelnen Spielautomaten zuzuordnende Spielfrequenz primär von der je nach Aufstellungsort schwankenden Nachfrageintensität einschlägiger Spielinteressenten abhing, waren besondere Gründe, aus denen der angestrebte - vorweg zwangsläufig auf spekulative Rekonstruktionen Jahre zurückgelegener Tatsachengrundlagen angewiesene - Sachverständigenbeweis die erhofften zusätzlichen sachdienlichen Aufschlüsse eröffnen hätte können, keineswegs von selbst einsichtig, eine entsprechende Konkretisierung dem Antragsvorbringen jedoch nicht zu entnehmen. Der nunmehr in dieser Richtung nachgetragene - im übrigen schon infolge seiner gezielten Ausrichtung auf Mutmaßungen und eigenständige beweiswürdigende Überlegungen auch inhaltlich nicht überzeugende - Beschwerdeversuch, die sachliche Unentbehrlichkeit des relevierten Sachverständigenbeweises darzutun, erweist sich demnach schon wegen der Unzulässigkeit späterer Antragsergänzung als ungeeignet, den solcherart in seiner ursprünglichen Fassung untauglichen Beweisantrag nachträglich zu sanieren.

Jene Einwände, die sich nach der Beschwerdeintention als undifferenzierte Ausführung sowohl der Mängel- (Z 5) als auch der Tatsachenrüge (Z 5 a) darstellen sollen, verfangen weder in der einen noch in der anderen Richtung. Dies gilt zunächst für den Beschwerdeversuch, die Aussage der Zeugin Antonia S***** und deren Aufzeichnungen über an Karl G***** bzw die Karl G***** GesmbH abgeführte Betriebserlöse aus Spielautomaten als Grundlage für die Quantifizierung der urteilsgegenständlichen Abgabenhinterziehung mit dem Hinweis darauf zu problematisieren, daß die Zeugin zum Tatzeitpunkt große finanzielle Schwierigkeiten zu bewältigen hatte, damals über die Automatenkasse allein verfügte, sich selbst für betragsmäßig ins Gewicht fallende Abgabenhinterziehungen anfällig zeigte und mit den Angeklagten G***** belastenden Angaben die Erwartung eigener Entlastung verbinden konnte. Erstreckt sich doch das Beschwerdevorbringen in diesen Punkten in einer bloßen Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer gesetzlich hier nicht vorgesehenen Schuldberufung mit der Zielsetzung, der vom Erstgericht aus eingehend dargelegten Erwägungen als unglaubwürdig abgelehnten Täterverantwortung eine gegenüber den Urteilsgründen aufgewertete Beweiskraft beizulegen und gleichzeitig die Aussagen der Zeuginnen Antonia S***** und Gertrude C***** entsprechend gegenläufig abzuwerten. Dazu genügt der Hinweis auch darauf, daß die zu Unrecht kritisierten Urteilspassagen (US 15 bis 17) ebenso mit den Verfahrensergebnissen und den Denkgesetzen im Einklang stehen wie jene tatrichterlichen Erwägungen, aus denen das Erstgericht in Abweichung von den Aufzeichnungen des Zeugen Josef W***** den Ergebnissen des als zuverlässig beurteilten Betriebsprüfungsberichtes folgte (US 17).

Dem Beschwerdestandpunkt zuwider widerspricht es keineswegs dem Akteinhalt, wenn in den Urteilsgründen auf "Berechnungen" der Abgabenbehörden verwiesen wird, weil auch im Fall einer (wie hier laut S. 2 des Prüfungsberichtes vom 6.November 1985 vorgenommenen) Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung (§ 184 BAO) die Höhe der Verkürzungsbeträge nach Maßgabe der Schätzungsbasis durch entsprechende Berechnungen zu ermitteln ist. Auf nichts anderes stellt aber die hier zu Unrecht als aktenwidrig kritisierte Wortfolge der Urteilsgründe ab.

Die weiters bekämpfte Höhe des dem Angeklagten G***** angelasteten Verkürzungsbetrages von 862.935 S aus Spielerlösen der im geschäftlichen Wirkungsbereich der Zeugin S***** aufgestellten Automaten erweist sich auch nicht als unvereinbar mit den vom Spieleinsatz, Spieldauer und Benützungsfrequenz abhängigen und solcherart vorweg einer zuverlässigen Generalisierung nicht zugänglichen Einnahmemöglichkeiten aus dem Automatenbetrieb der hier in Rede stehenden Art. Das in diesem Zusammenhang zur Bekräftigung der Beschwerdeargumentation ins Treffen geführte Beispiel einer rechnerischen Rekonstruktion scheitert schon daran, daß einerseits nicht bloß ein, vielmehr zwei Automaten betrieben wurden und andererseits die Beispielsprämisse von einer durchschnittlichen Spieldauer von einer Minute an der (von erheblich geringeren Durchschnittswerten gekennzeichneten) Realität vorbeigeht (ua 497/I). Die Beschwerdebehauptung, das inkriminierte Hinterziehungsvolumen hätte eine zusätzliche Spielzeit von im Tagesdurchschnitt 19,2 Stunden zur Voraussetzung, beruht demnach auf Tatsachenprämissen, die nach den hier maßgebenden Verfahrensergebnissen im konkreten Fall nicht aktuell sind.

Der die (erneut undifferenziert auf mehrere Nichtigkeitsgründe - Z 9 lit a und c, Z 10 - gestützte) Rechtsrüge einleitende Hinweis auf mehrere Punkte des Vorbringens zu den bereits formell erörterten Nichtigkeitsgründen läßt jede konkrete Substantiierung vermissen und erweist sich schon aus diesem Grund vorweg als zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung dem Erstgericht vermeintlich unterlaufener Rechtsirrtümer ungeeignet.

Soweit aus der Sicht des § 53 Abs 1 (lit b zweiter Fall) FinStrG infolge der hinsichtlich der Urteilsfakten I und II auf zwei verschiedene Finanzstrafbehörden erster Instanz aufgespaltenen Zuständigkeit die Zulässigkeit der Zusammenzählung der strafbestimmenden Wertbeträge, die gerichtliche Zuständigkeit und die Rechtmäßigkeit der gemeinsamen Durchführung des gerichtlichen Strafverfahrens problematisiert wird, bleibt unberücksichtigt, daß die Gerichtszuständigkeitkeit für mehrere zusammentreffende (vorsätzlich begangene) Finanzvergehen nach der relevierten Kompetenzbestimmung die (fiktive) örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde für alle verfahrensgegenständlichen Straftaten nur dann voraussetzt, wenn die nach dem Gesetz für die Gerichtszuständigkeit maßgebende Hinterziehungsdimension von mehr als einer Million Schilling erst im Wege einer Summierung der strafbestimmenden Wertbeträge errechnet wird. Diese Voraussetzung trifft im konkreten Fall aber nicht zu, weil sowohl der in die Zuständigkeit des Finanzamtes für den 21. und 22. Bezirk fallende Komplex der Hinterziehung von Einkommensteuer (Faktum I) als auch die in die Zuständigkeit des Finanzamtes für Körperschaften fallenden Hinterziehungen von Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuer (Faktenkomplex II) jeweils für sich allein einen die Millionengrenze übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag aktualisieren, weshalb die Gerichtszuständigkeit zu beiden Tatkomplexen ohne jede Interdependenz jeweils eigenständig feststeht und solcherart auch die Verfahrensvereinigung den nach § 56 StPO bestimmenden Gesetzesintentionen entspricht.

Da die Beschwerde - insoweit rechtskonform - selbst einräumen muß, daß zwischen der Person des Angeklagten Karl G***** und dem Unternehmen Karl G***** GesmbH (auch) aus steuerrechtlicher Sicht keine die jeweilige Rechtspersönlichkeit betreffende Identität gegeben ist, ermangelt es schon an der grundlegenden Voraussetzung der reklamierten Befreiung der Karl G***** GesmbH Co KG von der Kapitalertragssteuer gemäß § 94 Z 1 EStG, wozu (auch) die in § 21 BAO vorgesehene Anwendung wirtschaftlicher Betrachtungsweise bzw die Regelungen über die Zurechnung von Wirtschaftsgütern nach § 24 Abs 1 BAO ohne entscheidend modifizierende Auswirkungen bleiben.

Durchaus rechtskonform war ferner (im Sinne der von der Beschwerde abgelehnten Rechtsprechung zu § 55 FinStrG - E 20 ff in Dorazil/Harbich) die Durchführung der Hauptverhandlung im gerichtlichen Strafverfahren wegen Hinterziehung von veranlagten Abgaben vom Einkommen trotz der Anhängigkeit von Beschwerden beim Verwaltungs- bzw Verfassungsgerichtshof sowie der den (Finanz )Oberbehörden gemäß § 299 BAO eröffneten Möglichkeit einer nachträglichen Bescheidaufhebung. Stellte doch § 55 FinStrG in damals geltender Fassung ausdrücklich auf das "... Ergebnis der rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung ..." ab (dazu ferner § 291 BAO). Ein nachträglich modifizierter - für den Verurteilten günstigerer - rechtskräftiger Abgabenbescheid, mag er auf einem höchstgerichtlichen Erkenntnis oder auf § 299 BAO beruhen, bleibt als allfälliger Wiederaufnahmegrund (§§ 221 ff, insbes 223 FinStrG) beachtlich, ohne allerdings vorweg der Durchführung der Hauptverhandlung entgegenzustehen.

Soweit im Rahmen der Rechtsrüge unter Zugrundelegung urteilsfremder Tatsachenprämissen (US 12, 13, 18, 19) die subjektive Tatbestandsverwirklichung nach § 33 Abs 1 FinStrG bestritten wird, gelangt der geltend gemachte materielle Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil die dazu vorgebrachten Argumente im Ergebnis nicht anders als überwiegend das Vorbringen zur Mängel- und Tatsachenrüge auf den Versuch einer grundlegenden Aufwertung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten gegenüber den ihn belasteten Verfahrensergebnissen hinauslaufen.

Als nicht gesetzmäßig ausgeführt erweist sich die Rechtsrüge aber auch, wenn sie die bereits aus der Sicht der Mängel- und Tatsachenrüge nicht zielführenden Einwände gegen die tatrichterliche Würdigung der handschriftlichen Aufzeichnungen des Zeugen Josef W***** zwecks Infragestellung der vom Finanzamt für Körperschaften erarbeiteten Betriebsprüfungsergebnisse wiederholt.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 33 Abs 5 FinStrG unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG zu einer Geldstrafe von 860.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu acht Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, wobei es acht finanzbehördliche Vorstrafen des Angeklagten als erschwerend, demgegenüber den teilweisen Versuch und das Wohlverhalten des Angeklagten seit der schon längere Zeit zurückliegenden Tatbegehung als mildernd wertete.

Auch die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten Karl G*****, mit der er unter Hinweis auf den Zusammenhang seiner finanzbehördlichen Vorstrafen mit den hier abgeurteilten Tathandlungen sowie auf angebliche expansionsbedingt tatfördernde Faktoren eine Herabsetzung und zumindest teilbedingte Nachsicht der über ihn verhängten Strafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Das vom Erstgericht ausgesprochene Strafausmaß erweist sich nach Lage des Falles aus der Sicht sowohl spezialpräventiver Straferfordernisse als auch des objektiven Handlungsunwerts als angemessen und solcherart in keiner Richtung der reklamierten Korrektur zugänglich.

Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.