JudikaturJustiz12Os44/15k

12Os44/15k – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerd G***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 5. November 2014, GZ 39 Hv 18/14k 41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch und demgemäß auch in den Aussprüchen über die Strafe und die

privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die

Strafsache an das Bezirksgericht Zell am See mit dem Auftrag verwiesen,

nach den Bestimmungen des 11. Hauptstücks

vorzugehen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthält, wurde Gerd G***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 8. Oktober 2013 in Z***** Carmen H***** durch Versetzen eines Schlages mit dem Handrücken in das Gesicht vorsätzlich am Körper in Form einer Augapfelprellung links und eines Blutergusses um das linke Auge verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 10a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Dieser kommt Berechtigung zu.

Die Diversionsrüge (Z 10a) kritisiert zutreffend, dass die Urteilskonstatierungen die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 659).

Das Erstgericht ist im vorliegenden Fall offensichtlich selbst davon ausgegangen, dass keine schwere Schuld (§ 198 Abs 2 Z 1 StPO) anzunehmen ist, zumal schon mit Blick auf die Strafdrohung des § 83 Abs 1 StGB ein diversionsausschließender Schuldgehalt nur in einem (hier nicht vorliegenden) besonderen Ausnahmefall anzunehmen wäre (RIS Justiz RS0122090; vgl auch Schroll , WK StPO § 198 Rz 28).

Ein Geständnis des Angeklagten ist für ein diversionelles Vorgehen nicht vorausgesetzt, vielmehr wird eine gewisse (nicht unbedingt einem Geständnis zum Anklagevorwurf entsprechende) Unrechtseinsicht oder eine partielle (etwa auf die Mitveranlassung der Tat durch einen Kontrahenten verweisende) Übernahme der Verantwortung für das Bewirken der eine strafrechtliche Haftung begründenden Tatsachen vorausgesetzt. Fehlt eine solche Bereitschaft des Angeklagten, Verantwortung für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen zu übernehmen, so scheidet eine Diversion aus spezialpräventiven Gründen aus. Schon die Bereitschaft zur diversionellen Vorgangsweise indiziert in der Regel eine solche Verantwortungsübernahme. Diese das Unrecht seines Verhaltens akzeptierende Einsicht ist nicht nur eine Bedingung, um eine Diversion hindernde Präventionsbedenken auszuräumen. Auch die bei allen diversionellen Erledigungsformen geforderte (innere) Bereitschaft zur Schadensgutmachung bzw zum Tatfolgenausgleich (die nur bei entsprechendem Unrechtsbewusstsein möglich ist) erfordert eine solche sich nach außen manifestierende Einsicht. Dass der Angeklagte in der Anzeige vorerst noch keine Bereitschaft für eine Verantwortungsübernahme signalisiert, schließt nicht aus, nach dem 11. Hauptstück der StPO

vorzugehen. Nur dann, wenn eine solche Einsicht fehlt und sich der Verteidiger eines bis zuletzt leugnenden (im Sinn eines die Tatbegehung von sich weisenden) Angeklagten erst im Plädoyer auf eine allenfalls vorzunehmende diversionelle Erledigung beruft, gebietet dieses Verhalten in der Regel aus spezialpräventiven Gründen einen Schuldspruch und eine Straffestsetzung (eingehend 12 Os 82/15y mwN).

Im vorliegenden Fall verneinte das Tatgericht die Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung aus spezialpräventiven Gründen angesichts der wechselhaften Verantwortung des Angeklagten, im Zuge derer er seine Handlung beschönigt und seine Verantwortung auf das Opfer habe bürden wollen, indem er unter anderem mehrfache Schläge der Carmen H***** bzw deren vorangegangenen Angriff als Grund für seine Handlungsweise angegeben habe. Als besonders verwerflich erachtete der Schöffensenat die anfängliche Behauptung einer Ohrfeige des Opfers, die eine Schwellung bei ihm verursacht haben soll (US 9 iVm ON 3 S 29 f, ON 26 S 6 ff, 10 f). Die Tatrichter nahmen jedoch als erwiesen an, dass Carmen H***** dem Nichtigkeitswerber vor der Tathandlung im Zuge einer Diskussion einen leichten Stoß gegen den rechten Schulterbereich versetzte und bereits am Tag zuvor gegen dessen Pkw getreten haben, ohne jedoch, wie von diesem behauptet, eine Beschädigung zu verursachen (US 3).

Unter Berücksichtigung der oben angeführten Grundsätze weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass der Angeklagte die Angaben der Privatbeteiligten schlussendlich geteilt und sich bereits anlässlich seiner Beschuldigteneinvernahme vor der Polizeiinspektion Z***** geständig gezeigt habe.

Wenngleich das Geständnis im Zuge des Ermittlungsverfahrens nur zum Tatsächlichen erfolgte und auch die abschließende Einlassung des Angeklagten den stets geleugneten Verletzungsvorsatz nicht einbekannte (ON 26 S 11; vgl auch US 4), so hat er doch schlussendlich die Verantwortung für die ihm vorgeworfene Tathandlung übernommen und im Übrigen das vom Opfer geforderte Teilschmerzensgeld anerkannt (ON 26 S 8), ohne dass es eines (uneingeschränkten) Geständnisses bedurft hätte, das aber wie bereits dargelegt gerade keine Voraussetzung einer diversionellen Erledigung darstellt.

Spezialpräventive Bedenken erblickte das Erstgericht des weiteren auch darin, dass der Beschwerdeführer bereits einmal „in Zusammenhang mit einem einschlägigsten Tatvorwurf“ in den Genuss der Rechtswohltat einer diversionellen Erledigung gekommen sei (US 8).

Auch in diesem Umfang zutreffend weist die Rüge darauf hin, dass die Bezugnahme auf den konkreten Tatvorwurf der früheren Diversionsentscheidung (vgl US 2) als Verstoß gegen die Unschuldsvermutung zu werten ist (vgl Schroll , WK StPO § 198 Rz 39) und dass zwischen dem nunmehrig inkriminierten Geschehen und dem der früheren diversionellen Erledigung zugrunde liegenden Vorwurf des unbescholtenen Angeklagten fast fünf Jahre vergangen sind. Da auch die Einstellung des früheren wegen des Vorwurfs der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB geführten Verfahrens nach Durchführung eines Tatausgleichs bereits am 12. Jänner 2010 erfolgte (US 2 iVm ON 39), liegt auch zwischen dieser Verfahrensbeendigung und dem nunmehrigen Schuldspruch ein Zeitraum von fast fünf Jahren.

Spezialpräventive Bedenken kann eine bereits erfolgte Diversion zwar insoweit auslösen, als sich der Beschuldigte durch eine bereits erfolgte Verfahrenseinstellung nach dem 11. Hauptstück der StPO von Delinquenz nicht abhalten lässt ( Schroll , WK StPO § 198 Rz 39). Im vorliegenden Fall liegt die frühere Entscheidung jedoch bereits so lange zurück, dass für den Fall eines vorangegangen Schuldspruchs die fünfjährige Tilgungsfrist des § 3 Abs 1 Z 2 TilgG fast abgelaufen gewesen wäre (vgl Schroll , WK StPO Vor §§ 198 209b Rz 6). Unter Berücksichtigung der Unbescholtenheit und des Gewichts des nunmehrigen Tatvorwurfs wirken daher spezialpräventive Gesichtspunkte nicht derart schwer, dass sie eine neuerliche diversionelle Erledigung ausschließen.

Da aber auch, worauf die Beschwerde ebenfalls zutreffend hinweist, keine Diversionshindernisse aus Gründen der Generalprävention vorliegen, war das angefochtene Urteil bereits bei nichtöffentlicher Beratung im bezeichneten Umfang aufzuheben (§ 285e StPO). Darauf war der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen.

Rechtssätze
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