JudikaturJustiz12Os191/08t

12Os191/08t – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. März 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. T. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Böhm als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas U***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Satz erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 7. Oktober 2008, GZ 421 Hv 2/08v-61, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch Privatbeteiligtenzusprüche enthaltenden, Urteil wurde Thomas U***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Satz erster Fall StGB (A./I./), des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A./II./) sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A./ am 22. November 2007 mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar:

I./ Irene K***** eine Kosmetiktasche mit Bargeld in der Höhe von 50 Euro sowie diverse Gebrauchsgegenstände im Gesamtwert von mehr als 100 Euro, indem er ihr die Handtasche entriss, wodurch sie zu Sturz kam und die im Spruch näher bezeichneten an sich schweren Verletzungen (ua einen Bruch der rechten Speiche) erlitt und die Tat eine mehr als 24-tägige Gesundheitsschädigung zur Folge hatte; II./ Johanna Ul***** eine Geldbörse mit Bargeld in der Höhe von 30 Euro und einen Bund mit Schlüsseln, indem er ihr einen Stoß versetzte und ihr gleichzeitig die Handtasche entriss, wodurch sie zu Sturz kam und ein Hämatom an der linken Hüfte erlitt;

B./ am 28. November 2007 die Polizeibeamten CI Wolfgang W*****, AI Johann S*****, BI Werner H***** und BI Heimo Sch***** der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, indem er sie im Wissen, dass die Verdächtigungen falsch waren, vor der Untersuchungsrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien durch die Behauptung, sie hätten ihm Beweismaterial unterschoben, ihn zur Unterschriftsleistung genötigt und durch einen Tritt in den Genitalbereich verletzt, einer von Amts wegen zu verfolgenden und mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB falsch verdächtigte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus den Nichtigkeitsgründen des § 345 Abs 1 Z 4, 5, 9 und 13 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführt - ihr Ziel. Mit der aus der Z 4 vorgetragenen Kritik an der Abweisung eines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags ist der Angeklagte auf die Ausführungen zur Z 5 zu verweisen.

Soweit unter diesem Nichtigkeitsgrund weiters gerügt wird, der Angeklagte sei im Ermittlungsverfahren von der Kriminalpolizei - angeblich entgegen seinem Willen - ohne Vertrauensperson und ohne anwaltliches Beisein vernommen worden, zeigt der Rechtsmittelwerber keine Verletzung der in § 345 Abs 1 Z 4 StPO erschöpfend aufgezählten Verfahrensvorschriften während der Hauptverhandlung (Fabrizy, StPO10 § 345 Rz 6 iVm § 281 Rz 33) auf.

Durch Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 3. September 2008 gestellten Antrags „auf Durchführung einer DNA-Auswertung inklusive einer Auswertung der Fingerabdrücke am gesamten Raubsgut […] zum Beweis dafür, dass er diese Raubüberfälle nicht gemacht hat, sowie zum Beweis dafür, dass er misshandelt worden ist" (ON 55, S 111), wurden Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht geschmälert (Z 5). Denn das Antragsvorbringen lässt nicht erkennen, aufgrund welcher Erwägungen der begehrten Beweisaufnahme die Eignung zukäme, das Vorliegen oder Fehlen eines für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage erheblichen Umstands (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321) zu beweisen. Es legt nämlich nicht dar (WK-StPO § 281 Rz 330; RIS-Justiz RS0118444), weshalb davon auszugehen sei, dass bei nicht nachweisbaren Spuren des Nichtigkeitswerbers oder solchen, die ihm nicht zugeordnet werden können seine Unschuld bewiesen wäre. Derartiger Ausführungen hätte es im Anlassfall um so mehr bedurft, als seitens des DNA-Teams des Instituts für gerichtliche Medizin (laut AV vom 2. September 2008; AV-Bogen S 9 verso) mitgeteilt wurde, dass die Wahrscheinlichkeit intakter DNA-Spuren auf den Beweisgegenständen infolge ihrer Berührung durch zahlreiche Personen äußerst gering sei.

Das, sollte eine Auswertung nicht mehr möglich sein, gestellte Eventualbegehren, durch Sachverständigenbeweis abzuklären, „mit welcher Wahrscheinlichkeit DNA-Spuren und Fingerabdrücke vom Angeklagten, insbesondere am Diebsgut vorhanden sein müssen, wenn der Angeklagte das Diebsgut in die Hand genommen hat, ins Auto abgelegt hat oder in die Tasche gesteckt hat" (ON 55, S 111), war als bloßer Erkundungsbeweis von vornherein unzulässig (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330; RIS-Justiz RS0118123).

Da die Berechtigung des Beweisbegehrens stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist, muss das den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag ergänzende Vorbringen in der Beschwerdeschrift unbeachtet bleiben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325; RIS-Justiz RS0099618).

In der Wahrspruchsrüge (Z 9) werden Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und innerer Widerspruch der Antwort der Laienrichter bloß behauptet, ohne derartige Mängel deutlich und bestimmt zu bezeichnen. Der Inhalt der gemäß § 331 Abs 3 StPO vom Obmann der Geschworenen zu verfassenden Niederschrift ist nicht Bestandteil des Wahrspruchs und demnach nicht „Antwort der Geschworenen" im Sinn der Z 9 (Philipp, WK-StPO § 331 Rz 9). Der Inhalt dieser - im Übrigen auch im Anlassfall sehr wohl ausgeführten (siehe „StPOForm Nr 139a" in den Beilagen) - Niederschrift kann daher weder im Rahmen der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO noch eines anderen Nichtigkeitsgrundes erörtert und wegen Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder inneren Widerspruchs angefochten werden (RIS-Justiz RS0100917).

Die Kritik der Strafzumessungsrüge (Z 13), die Voraussetzungen des § 39 StGB lägen offensichtlich nicht vor, weil diese Bestimmung nicht zur Anwendung gelangt sei, entzieht sich als bloßer Zirkelschluss einer sachlichen Erwiderung. Soweit damit die - grundsätzlich zulässige (Ebner in WK2 § 33 Rz 8) - Berücksichtigung der als gegeben erachteten (US 8) Voraussetzungen des § 39 StGB als weiterer Erschwerungsgrund bekämpft werden soll, wird bloß ein Berufungsgrund aufgezeigt, kann doch Nichtigkeit im Zusammenhang mit § 39 StGB nur dann mit Erfolg aus Z 13 geltend gemacht werden, wenn das Gericht die Grenzen der ihm zustehenden Strafschärfung überschritten, dh eine Strafe verhängt hat, die über das nach § 39 Abs 1 StGB zulässige Höchstmaß hinausging (13 Os 147/08d; Flora in WK2 § 39 Rz 43 mwN; vgl auch WK-StPO § 281 Rz 712).

Da eine Verletzung des Opfers beim Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB kein dessen Strafrahmen beeinflussendes Tatbestandsmerkmal bildet und die bei der Strafzumessung berücksichtigte Verletzung der Johanna Ul***** als erschwerend (s US 9) allein das Schuldspruchfaktum A./II./ betrifft (das gerade nicht der Qualifikationsnorm des § 143 zweiter Satz erster Fall StGB subsumiert wurde), geht auch der Einwand eines Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot (vgl dazu WK² § 32 Rz 59 ff) ins Leere. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung - bereits in nichtöffentlicher Beratung gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über seine Berufung sowie über jene der Staatsanwaltschaft folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.