JudikaturJustiz12Os15/24h

12Os15/24h – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Februar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Februar 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. De Rijk in der Strafsache gegen * V* wegen des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach §§ 15, 228 Abs 1 StGB, AZ 8 U 179/23p des Bezirksgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 29. Juni 2023 (ON 15) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Oberstaatsanwalt Dr. Sprajc, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 8 U 179/23p des Bezirksgerichts Innsbruck verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 29. Juni 2023 (ON 15) in seinem Schuldspruch § 228 Abs 1 StGB.

Dieses Urteil wird zur Gänze ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

[1] Mit – unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem und gekürzt ausgefertigtem – Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 29. Juni 2023, GZ 8 U 179/23p-15, wurde * V* des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach §§ 15, 228 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen zu je 20 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 125 Tagen, verurteilt.

[2] Danach hat er am 29. November 2022 in I* zu bewirken versucht, dass gutgläubig eine Tatsache, nämlich seine Befähigung zur Lenkung eines Personenkraftwagens aufgrund einer erfolgreich und regulär bestandenen Führerscheinprüfung, in einer inländischen öffentlichen Urkunde, nämlich einem amtlichen Führerscheindokument, beurkundet wird, indem er sich während seiner Führerscheinprüfung die Antworten auf die Prüfungsfragen unter Verwendung einer funktechnischen Einrichtung von einem Außenstehenden übermitteln ließ, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis des Rechts, nämlich dem Nachweis seiner Befugnis zur Lenkung eines Personenkraftwagens, gebraucht werde.

[3] Nach der Todesfallsmitteilung des Standesamts Innsbruck verstarb der Verurteilte am 19. Oktober 2023 (ON 26).

Rechtliche Beurteilung

[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt dieses Urteil in seinem Schuldspruch das Gesetz :

[5] § 228 StGB dient dem Schutz von echten, aber – bezogen auf den Errichtungsakt – inhaltlich unwahren (unrichtigen) inländischen öffentlichen Urkunden sowie inländischen öffentlichen Beglaubigungszeichen und pönalisiert das Erschleichen einer gutgläubig vorgenommenen unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung der den Zweck der Errichtung bildenden Tatsachen, die den jeweils maßgebenden Vorschriften zu entnehmen sind („errichtungsbezogener Wahrheitsschutz“; Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 228 Rz 4 uvm; RIS Justiz RS0132393). Zu unterscheiden ist dabei zwischen einfachen (schlichten) und qualifizierten Beweisurkunden. Während Erstere nur die Tatsache bestätigen, dass eine bestimmte Person vor einer Urkundsperson bestimmte Angaben gemacht hat, sind qualifizierte Beweisurkunden solche, die die inhaltliche Richtigkeit der in ihnen verkörperten Erklärung bezeugen und damit – im Umfang des Errichtungszwecks – qualifizierte Beweiskraft besitzen.

[6] Die qualifizierte Beweiskraft eines Führerscheins als Beweisurkunde beschränkt sich auf die Erteilung einer Lenkberechtigung (§ 13 Abs 1 FSG) sowie die Identität des Berechtigten. Die Beurkundung einer mit Bescheid erteilten Lenkberechtigung, die ihrerseits unter vorangegangenem Einsatz unlauterer Mittel bei der automationsunterstützten theoretischen Fahrprüfung (§ 3 Abs 1 Z 4 FSG iVm §§ 10 f FSG) erwirkt worden ist, stellt keine Beurkundung einer inhaltlich unrichtigen, sondern der (richtigen) Tatsache der Erteilung einer Lenkberechtigung in einem Führerschein (§ 13 FSG) dar (RIS-Justiz RS0134465). Ob die Lenkberechtigung selbst allenfalls unter Umgehung der Bestimmungen für die Ablegung der theoretischen Fahrprüfung durch Verwendung unerlaubter technischer Hilfsmittel erlangt wurde (hier: werden sollte), findet in der Urkunde keinen Niederschlag und ändert an der inhaltlichen Richtigkeit der Beurkundung des Vorliegens einer Lenkberechtigung nichts.

[7] Der bei der automationsunterstützten theoretischen Fahrprüfung (§ 11 Abs 1 und 2, § 11a Abs 1 und 4 FSG) von der Aufsichtsperson erstellte Ergebnisausdruck (§ 3 Abs 5 FSG-PV) stellt als „schlichte amtliche Urkunde“ (RIS-Justiz RS0095967) im Übrigen kein geeignetes Tatobjekt des § 228 Abs 1 StGB dar (RIS-Justiz RS0134466). Auch das Erwirken eines allenfalls rechtswidrigen Hoheitsaktes (hier: die intendierte – gesetzlich fingierte – behördliche Mitwirkung an der Erteilung einer Lenkberechtigung) wird von § 228 StGB nicht erfasst (13 Os 43/23g).

[8] Davon ausgehend hätte der gegenständliche Sachverhalt nicht „§§ 15, 228 Abs 1 StGB“ unterstellt werden dürfen. D as konstatierte Verhalten kann auch keiner anderen strafbaren Handlung subsumiert werden (siehe dazu eingehend 13 Os 43/23g und 11 Os 51/23v).

[9] Ungeachtet des zwischenzeitigen Ablebens des Verurteilten (RIS Justiz RS0096534) war die Feststellung dieser Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.

[10] Dies auch, weil der Verurteilte am 21. September 2023 bereits die erste Rate der verhängten Geldstrafe bezahlte (G1 im eAkt) und deren Rückzahlung (vgl § 6c Abs 1 Z 2 GEG) an seinen Nachlass oder seine Erben die Kassation des Schuldspruchs zur Voraussetzung hat (vgl 15 Os 27/96).

[11] Vom Urteil rechtslogisch abhängige Verfügungen und Entscheidungen gelten damit gleichfalls als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

[12] Die nach der eingetretenen Beendigung des Verfahrens erforderlichen weiteren Schritte sind vom Bezirksgericht Innsbruck zu setzen.

Rechtssätze
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