JudikaturJustiz12Os148/21p

12Os148/21p – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Frank in der Strafsache gegen * R* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 12 zweiter Fall, 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * R* gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 21. September 2021, GZ 38 Hv 26/21k 60, sowie über dessen Beschwerde gegen einen zugleich gefassten Beschluss auf Verlängerung von Probezeiten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

* R* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche des Mitangeklagten * W* (unter anderem wegen tateinheitlich begangener Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 und Abs 3 vierter Fall StGB und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 vierter Fall StGB [III./b./]) enthält, wurde * R* jeweils eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 12 zweiter Fall, 206 Abs 1 StGB (II./), des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 und 3 vierter Fall StGB sowie des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 vierter Fall StGB (III./a./) sowie des Vergehens der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach §§ 12 zweiter Fall, 207a Abs 1 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 StGB (V./) schuldig erkannt.

[2] Soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, hat * R* in K*

II./ im Sommer 2020 * W* dazu bestimmt, mit der am 12. Dezember 2007 geborenen, somit unmündigen, * Wa* den Beischlaf zu unternehmen, indem er ihn dazu im Zuge des Spiels „Wahrheit, Wahl oder Pflicht“ aufforderte;

III./a./ am 31. März 2021 mit der zu II./ genannten Unmündigen, die aufgrund ihrer massiven Alkoholisierung wehrlos war, unter Ausnutzung dieses Zustands den Beischlaf unternommen, wobei das Opfer in besonderer Weise dadurch erniedrigt wurde, dass * R* und der Mitangeklagten * W* hintereinander und zum Teil wiederholend den vaginalen Geschlechtsverkehr in zwei Fällen ohne Verwendung eines Kondoms vollzogen und diese geschlechtlichen Handlungen teilweise filmisch festhielten;

V./ am 31. März 2021 * W* dazu bestimmt, den von ihm zu III./ geschilderten Beischlaf mit seinem Mobiltelefon zu filmen und somit eine pornografische Darstellung einer minderjährigen Person herzustellen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5a sowie 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * R* schlägt fehl.

[4] Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht bloß, anhand eigenständiger Bewertung der Verfahrensergebnisse der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach er keine Bestimmungshandlungen (Schuldsprüche II./ und V./) gesetzt habe, zum Durchbruch zu verhelfen. Solcherart weckt das Rechtsmittel keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Aussprüche über entscheidende Tatsachen. Vielmehr bekämpft es bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) setzt sich mit dem Argument, das Spiel „Wahrheit, Wahl oder Pflicht“ stelle dadurch, dass es jederzeit freiwillig abgebrochen hätte werden können, keine taugliche Bestimmungshandlung dar, prozessordnungswidrig (vgl RIS Justiz RS0099810) über die Urteilsfeststellungen (US 5 f) hinweg. Denn danach stellte der Beschwerdeführer dem Opfer die als Pflicht zu erfüllende Aufgabe, mit dem Mitangeklagten W* einen Geschlechtsverkehr zu vollziehen und wäre es „ohne dieses Spiel und die von R* […] gestellten Pflichtaufgaben […] seitens W* nicht zu einem Geschlechtsverkehr […] gekommen“ (vgl RIS Justiz RS0089755).

[6] Aus welchem Grund die Annahme einer Bestimmungshandlung erfordern soll, dass bereits die Initiative zu dem Spiel selbst vom Angeklagten R* ausgehen hätte müssen, erklärt die (zum Schuldspruch II./ ergriffene) Beschwerde (nominell Z 9 lit b, der Sache nach lit a) nicht (vgl im Übrigen RIS Justiz RS0089793, wonach jede Verhaltensweise in Betracht kommt, die den Anstoß zur Tatausführung durch einen anderen gibt).

[7] Die weitere Rüge (nominell Z 9 lit b, der Sache nach lit a), vernachlässigt mit der Behauptung, der Beschwerdeführer habe das wahre Alter des Opfers nicht gekannt, erneut die gegenteiligen Urteilskonstatierungen (US 5).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[9] Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht zum Schuldspruch III./b./ des Angeklagten W* zwar zutreffend von echter Idealkonkurrenz zwischen § 205 Abs 1 und § 206 Abs 1 StGB ausgegangen ist (vgl RIS Justiz RS0132891). Allerdings hätte es ihm die Erfolgsqualifikationen nach § 205 Abs 4 dritter Fall und § 206 Abs 4 dritter Fall nicht doppelt anlasten dürfen (vgl RIS Justiz RS0120828). Dieser Subsumtionsfehler blieb aber ohne Nachteil für diesen Angeklagten (§ 290 Abs 1 StPO), weil der Schöffensenat jeweils bloß pauschal das Zusammentreffen von Verbrechen und einem Vergehen als erschwerend wertete (US 17 f).

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.