JudikaturJustiz12Os138/22v

12Os138/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Februar 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 und 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 20. Juli 2022, GZ 40 Hv 23/21t 16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte * A* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 „Abs 2 und 3“, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in M* von 16. Mai 2008 bis 18. (richtig [US 2]) August 2016 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung auch schwerer Betrugshandlungen eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, * L* in 33 im Urteil näher dargestellten Angriffen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Vorgabe ihrer Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Gewährung von Darlehen und Übergabe von Darlehensbeträgen verleitet, wodurch dieser im insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag von 455.000 Euro am Vermögen geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit dem Hinweis auf die (gewürdigten [US 6]) Aussagen des Opfers und der Angeklagten über Geldnot als Grund für die Darlehensgewährungen sowie auf die (ebenfalls erörterte [US 6]) Behauptung letzterer, L* sei in Kenntnis ihrer finanziellen Situation gewesen und sie hätte bloß im (gemeint offenbar unsicheren) Fall des Verkaufs einer Immobilie Rückzahlungen tätigen sollen, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Festellungen zur Täuschung über die Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit der Beschwerdeführerin (US 4 f) sowie zur subjektiven Tatseite hinsichtlich dieser Tatumstände (US 5). Mit der eigenen Schlussfolgerung aus den genannten Verfahrensergebnissen, die Angeklagte habe L* über ihre „Zahlungsunfähigkeit“ aufgeklärt, bekämpft die Beschwerde außerhalb des Anfechtungsrahmens der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO (vgl RIS Justiz RS0100555) die tatrichterliche Beweiswürdigung.

[5] Der einen Feststellungsmangel hinsichtlich der (tatsächlichen) Voraussetzungen des § 166 Abs 1 StGB reklamierenden Rechtsrüge (Z 9 lit [richtig] c, nominell verfehlt auch Z 10) ist vorauszuschicken, dass die prozessordnungskonforme Darstellung (unter anderem) die deutliche und bestimmte Bezeichnung von die vermissten Konstatierungen indizierenden Verfahrensergebnissen voraussetzt (vgl RIS Justiz RS0118580). Dabei sind die geltend gemachten Beweise in ihrem inneren Zusammenhang zu betrachten, sodass eine Aussage nicht durch isoliertes Herausgreifen einzelner Passagen sinnentstellt werden darf (14 Os 101/22t; vgl zu § 345 Abs 1 Z 6 StPO, Lässig , WK StPO § 313 Rz 8 mwN).

[6] Diesem Erfordernis wird die Beschwerde nicht gerecht, weil sie bloß einzelne Sätze der Verantwortung der Angeklagten über ihre Beziehung zu L* ins Treffen führt, aber nicht berücksichtigt, dass sie in Abrede stellte, mit ihm in einer auf längere Zeit angelegten Wohngemeinschaft (vgl RIS Justiz RS0092256, RS0092236) und (zu den Tatzeitpunkten) einer (davon zu unterscheidenden [vgl RIS Justiz RS0021546]) Hausgemeinschaft gelebt zu haben (ON 15 S 5).

[7] Soweit die Beschwerde (nominell Z 11) darüber spekuliert, dass das Erstgericht trotz Verhängung einer Zusatzstrafe (US 3 und 8 f) nicht auf die Vorverurteilung Bedacht genommen habe, weil die Summe der Freiheitsstrafen „weder schuld- noch tatangemessen“ sei, bezeichnet sie einen Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

[9] Dieses wird zu beachten haben, dass dem Schuldspruch nach §§ 146, 147 „Abs 2 und 3“, 148 zweiter Fall StGB (US 3) nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 10) anhaftet, weil die Qualifikation des § 147 Abs 3 StGB zufolge Spezialität jene des § 147 Abs 2 StGB verdrängt (RIS Justiz RS0132779; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 147 Rz 61; vgl auch Ratz in WK² StGB Vorbemerkungen zu §§ 28–31 Rz 35).

[10] Anlass für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO besteht nicht, zumal sich dieser Rechtsfehler bei der Strafrahmenbildung nach § 147 Abs 3 StGB nicht ausgewirkt hat und das bei der Strafzumessung als erschwerend berücksichtigte Zusammentreffen mehrerer Qualifikationen des Betrugs (US 8) lediglich die Intensität des bereits durch die Tatwiederholung (vgl RIS Justiz RS0091375) erfüllten Erschwerungsgrundes nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB betrifft (vgl Ebner in WK² StGB § 33 Rz 2; vgl auch RIS Justiz RS0116020).

[11] Das Oberlandesgericht ist im Rahmen des Berufungsverfahrens an die fehlerhafte Subsumtion nicht gebunden (RIS Justiz RS0118870).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.