JudikaturJustiz12Os118/82

12Os118/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Oktober 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Oktober 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten, geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256, 15 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20.November 1981, GZ. 20 b Vr 5603/81-42, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Grois, sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe

auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.September 1923 geborene Polizeibeamte Josef A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256 (und § 15) StGB schuldig erkannt. Die Geschwornen hatten die an sie im Sinne dieses Schuldspruchs gerichtete, anklagekonforme (vgl. deren Ausdehnung S. 512 ff./I) Hauptfrage I (= Nr. 1

des Fragenschemas, Beilage E/ zu ON. 41) stimmeneinhellig bejaht, hingegen die nach dem Vorliegen eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums (§ 9 StGB) gestellte Zusatzfrage (Nr. 2 des Fragenschemas) verneint. Diesem Wahrspruch zufolge hat Josef A in Wien zum Nachteil der Republik Österreich einen geheimen Nachrichtendienst dadurch unterstützt bzw. zu unterstützen versucht, daß er als Beamter des staatspolizeilichen Büros der Bundespolizeidirektion Wien unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit Angehörigen des rumänischen Nachrichtendienstes folgende ihm in seiner amtlichen Eigenschaft bekannt oder zugänglich gewordene Tatsachen bzw. Unterlagen A/ übermittelte:

1) von Herbst 1975 bis November 1980

a) Informationen darüber, ob seitens der Staatspolizei Aktivitäten im Zusammenhang mit dem rumänischen Nachrichtendienst oder diesen Nachrichtendienst interessierende Aktivitäten entfaltet wurden oder nicht;

b) vertrauliche Fahndungsbehelfe betreffend Terroristen, insbesondere auch arabische Terroristen;

c) Mitteilungen über der Staatspolizei bekanntgegebene Aktivitäten der Eheleute B im Zusammenhang mit der Betreuung rumänischer Flüchtlinge bzw. im Zusammenhang mit gegen die Eheleute B gerichteten Aktivitäten von dritter Seite zum Zwecke der Unterbindung oder Kontrollierung solcher Kontakte der Eheleute B.

2) im Jahre 1979 spätestens bis September 1979

a) Namen, Personal- und Reisepaßdaten sowie den vermutlichen Aufenthalt von vier arabischen Terroristen;

b) Mitteilungen über Sicherheitssysteme der österreichischen Polizei im Rahmen der Außensicherung von Botschaftsgebäuden;

c) Informationen über die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse der mit dem Rumänenreferat betrauten Stapobeamten Dr. C und BI. D;

d) organisatorische Details der Stapo einschließlich der Besetzung und der im Jahre 1979 erfolgten Umbesetzung der einzelnen Referate mit Basisdaten über die einzelnen Abteilungen;

B/ zumindest im Jahre 1979 Informationen über die Bilddokumentation hinsichtlich (von) Terroristen durch fotografische Aufnahme der betreffenden Unterlagen zu übermitteln versuchte.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer ziffernmäßig auf § 345 Abs. 1 Z. 4, (5), 6 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Nach nicht zur Sache gehörenden (und daher auch hier nicht zu erörternden) weitwendigen Ausführungen über den Gang des Verfahrens und die seiner Meinung nach zutage getretenen Ergebnisse der 'sehr diffizil durchgeführten' Hauptverhandlung rügt der Beschwerdeführer in Richtung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO die Fragestellung an die Geschwornen: Die 'Fragen' (gemeint offenbar die Hauptfrage I.) seien so unrichtig und mißverständlich abgefaßt, daß ihre Bejahung 'niemals hätte erfolgen dürfen', zumal sie überdies derart allgemein gehalten und nicht konkretisiert seien, daß die einzelnen Punkte nicht unter den tatsächlich herangezogenen Tatbestand hätten subsumiert werden dürfen.

Weil der Beschwerdeführer gegen die Formulierung der nach einem ihm unterlaufenen, nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum gestellten Zusatzfrage keinen Einwand erhebt, ist allein zu prüfen, ob die Stellung der Hauptfrage I gegen die Vorschrift des § 312 StPO verstoßen hat.

Rechtliche Beurteilung

Laut Vorschrift des § 312 Abs. 1 StPO ist die Hauptfrage darauf zu richten, ob der Angeklagte schuldig ist, die der Anklage zugrundeliegende strafbare Handlung begangen zu haben. Dabei sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die Frage aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw.

soweit beizufügen, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tat oder für die Entscheidung über Entschädigungsansprüche notwendig ist. Die Hauptfrage muß daher nicht nur den in der Anklage angeführten gesetzlichen Tatbestand, sondern auch die dort bezeichneten näheren Umstände zur deutlichen Umschreibung der unter Anklage stehenden Tat zum Ausdruck bringen, also (auch) hinsichtlich des konkreten Sachverhalts mit der Anklage übereinstimmen (Mayerhofer-Rieder, Entscheidungen Nr. 1-3 zu § 312 StPO).

Dabei ist der Gerichtshof jedoch weder verpflichtet, die Anklage wortgetreu in der Hauptfrage wiederzugeben, noch berechtigt, etwaige Fehler des Anklagetextes in die Frage aufzunehmen. Er hat vielmehr zu prüfen, welcher strafbaren Handlung der Angeklagte beschuldigt wird, und sodann alle ihre gesetzlichen Merkmale in die Frage aufzunehmen. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes genügt allerdings nicht. Vielmehr sind die konkreten Umstände des jeweiligen Falles, soweit sie für die strafrechtliche Subsumtion und die Tatkennzeichnung von Bedeutung sind - bei Wahrung der Tatidentität -, in die Frage aufzunehmen (Mayerhofer-Rieder, Nr. 7- 10 zu § 312 StPO).

Diesen Erfordernissen entspricht aber die Formulierung der Hauptfrage ohnehin. Die Geschwornen wurden damit zur Entscheidung aufgefordert, ob der Angeklagte in Wien zu den zu A/1. und 2. sowie zu B angegebenen Zeitpunkten zum Nachteil der Republik Österreich einen geheimen Nachrichtendienst dadurch unterstützt bzw. zu unterstützen versucht hat, daß er als Beamter des staatspolizeilichen Büros der Bundespolizeidirektion Wien die zu A und B angeführten Tatsachen bzw. Unterlagen Angehörigen des rumänischen Nachrichtendienstes teils übermittelte, teils zu übermitteln versuchte. Daß der bezüglichen Hauptfrage nicht im einzelnen zu entnehmen ist, welchen Inhalt die bezeichneten Informationen hatten, welche Fahndungsbehelfe konkret weitergegeben worden sind, wie die Sicherheitspläne der österreichischen Polizei für Botschaftsgebäude beschaffen sind und welche Details der inneren Geschäftsverteilung der Staatspolizei bekanntgegeben worden sind, verschlägt der Vollständigkeit der Fragestellung im dargelegten Sinne nicht. Die der damit erfaßten Tätigkeit des Angeklagten zugrunde liegenden konkreten Sachverhalte sind in der Hauptverhandlung ausführlich, teils unter Ausschluß der Öffentlichkeit, erörtert worden. Eine Spezialisierung der Fragestellung durch Anführung aller Details des konkreten Sachverhalts wird vom Gesetz keineswegs verlangt. Wenn der Beschwerdeführer zu einzelnen Punkten der ihm vorgeworfenen, den rumänischen Nachrichtendienst unterstützenden Tätigkeit behauptet, er hätte schon deshalb keine (schwerwiegenden) Geheimnisse oder Geheimzuhaltendes überhaupt weitergeben können, weil es insoweit nichts zu berichten gegeben habe, so übersieht er, daß unter Umständen auch kein 'Geheimnis' bildende Tatsachen für einen ausländischen Nachrichtendienst - insbesondere unter dem Gesichtspunkt ihrer Zusammenstellung und Auswertung - von erheblichem Interesse, und ihr Bekanntwerden für die Republik Österreich nachteilig sein können.

Im übrigen setzt der Tatbestand des § 256 StGB keineswegs voraus, daß ein Staatsgeheimnis (§ 255 StGB) verraten oder preisgegeben wird, wie dies etwa für die Tatbestände der § 252 bzw. 253 StGB erforderlich ist.

Vielmehr genügt es im Anwendungsbereich des hier in Rede stehenden Deliktes nach § 256 StGB, daß die dem ausländischen Nachrichtendienst übermittelten Nachrichten konkrete und vitale Interessen Österreichs verletzen (vgl. Leukauf-Steininger RN. 3 zu § 256 StGB). Dies trifft aber der Meinung des Beschwerdeführers zuwider für sämtliche der ihm angelasteten Tätigkeiten zu.

Es liegt daher weder der wegen behaupteter fehlerhafter Fragestellung vom Beschwerdeführer relevierte Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO, noch etwa jener der Z. 11 lit. a oder der Z. 12 dieser Gesetzesstelle vor, weil der durch den Wahrspruch festgestellte Sachverhalt nach dem soeben Gesagten sehr wohl den Tatbestand des § 256 StGB erfüllt und daher auch kein Fehler in der rechtlichen Beurteilung des Falles (vgl. § 253 StGB) gegeben ist. Was der Beschwerdeführer im einzelnen sonst noch vorbringt, läuft weitgehend auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Geschwornen hinaus, worauf nicht weiter einzugehen ist.

Unklar bleibt, worin der in der Beschwerde noch zitierte Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 5 StPO erblickt wird, sind doch vom Angeklagten in der Hauptverhandlung überhaupt keine (Beweis ) Anträge gestellt worden (S. 515 unten/I). Desgleichen ist das Vorbringen zu dem zu Beginn des Rechtsmittels angeführten Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 4 StPO (: Verletzung oder Nichtbeachtung von unter Nichtigkeitssanktion stehender Bestimmungen) ebensowenig substantiiert wie die Rüge betreffend die Rechtsbelehrung nach Z. 8 dieser Gesetzesstelle. Zu diesen Nichtigkeitsgründen ist die Beschwerde daher mangels eines einer argumentativen Erörterung zugänglichen Inhaltes nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Ihr war daher insgesamt der Erfolg zu versagen.

Josef A wurde nach § 256 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer

von zwei Jahren verurteilt.

Bei der Strafbemessung waren erschwerend die wiederholte Betätigung für den rumänischen Nachrichtendienst durch einen längeren Zeitraum sowie der Umstand, daß Josef A als Beamter unter Mißbrauch der ihm hiedurch gebotenen besonderen Möglichkeiten gehandelt hat, mildernd das tadellose Vorleben und daß es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe und bedingten Strafnachlaß an.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Das Erstgericht hat zwar die Strafbemessnnrsgründe richtig und vollständig erfaßt, jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, daß sich der 59-jährige Angeklagte bisher nichts zuschulden kommen hat lassen. Eine Strafe in der Dauer von 15 Monaten entspricht dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Angeklagten. Der Angeklagte hat unter Ausnützung seiner Stellung als Beamter jahrelang einen ausländischen Geheimdienst unterstützt. Unter diesen Umständen bedarf es aus generalpräventiven Erwägungen der Vollstreckung der Strafe. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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