JudikaturJustiz12Os107/90

12Os107/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Hörburger, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Siegl als Schriftführer in der Strafsache gegen Anton Z*** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Strafbezirksgerichtes Wien vom 4. Mai 1989, GZ 11 U 2070/88-13, und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 16.November 1989, AZ 13 d Bl 1072/89, sowie die Endverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 11.Jänner 1990, GZ 11 U 2070/88-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Gnesda, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren 11 U 2070/88 des Strafbezirksgerichtes Wien wurde das Gesetz verletzt:

1./ durch den den Gegenstand des Urteils des Strafbezirksgerichtes Wien vom 4.Mai 1989, 11 U 2070/88-13, bildenden Schuldspruch Punkt 1/ wegen des Vergehens des Verstrickungsbruches nach § 271 Abs. 1 StGB und die darauf bezogene Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 16.November 1989, AZ 13 d Bl 1072/89, jeweils in der Bestimmung des § 271 Abs. 1 StGB;

2./ durch die Feststellung der Rechtskraft des Ersturteils sowie die Anordnung der Zahlung und Androhung der Einhebung der Geldstrafe in der Endverfügung vom 11.Jänner 1990 (ON 24) in den Bestimmungen der §§ 397, 398, 409 StPO in Verbindung mit §§ 260 Abs. 1 Z 3, 447 Abs. 1 StPO sowie § 1 Z 2 GEG.

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch über die Zurückweisung der Nichtigkeits- und Schuldberufung hinsichtlich Punkt 1/ des Schuldspruches und über die Verweisung der Strafberufung sowie im Kostenausspruch aufgehoben, und es wird gemäß §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO in der Sache selbst erkannt:

Der Berufung des Anton Z*** gegen das erwähnte Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien wird auch in Ansehung des Schuldspruches Punkt 1/ Folge gegeben.

Dieser Schuldspruch sowie der auf § 366 Abs. 2 StPO gestützte Ausspruch über die Verweisung der Privatbeteiligten Mag. Margarete S*** mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg werden aufgehoben.

Anton Z*** wird von der Anklage, er habe im Jänner 1988 in Wien dadurch, daß er es unterließ, die Verbringung der laut dem Protokoll des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.Jänner 1988, GZ 45 C 930/87-3, gemäß § 1101 ABGB unter den Postzahlen 1 bis 10 pfandweise beschriebenen Fahrnisse, nämlich eines Kastens, einer Gläserspülmaschine, einer Tiefkühltruhe, dreier Tische, von 17 Sesseln und 9 Barhockern, aus dem (im Eigentum der Mag. Margarete S*** stehenden) Mietobjekt (Geschäftslokal) in Wien 3., Marxergasse 20 zu verhindern, behördlich gepfändete oder in Beschlag genommene Sachen der Verstrickung entzogen und er habe hiedurch das Vergehen des Verstrickungsbruches nach § 271 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gemäß § 366 Abs. 1 StPO wird die Privatbeteiligte Mag. Margarete S*** mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 16.Februar 1941 geborene Anton Z*** wurde mit dem Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 4.Mai 1989, 11 U 2070/88-13, der Vergehen des Verstrickungsbruches nach § 271 Abs. 1 StGB (1) und der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB (2) schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt; die Privatbeteiligten Firma B*** und Mag. Margarete S*** wurden gemäß § 366 Abs. 2 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 16.November 1989, AZ 13 d Bl 1072/89 (ON 23 des U-Aktes), wurde der Nichtigkeits- und Schuldberufung des Angeklagten teilweise Folge gegeben, das Urteil im Schuldspruch wegen § 133 Abs. 1 StGB (2) und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht verwiesen. Hinsichtlch des Schuldspruches wegen § 271 Abs. 1 StGB (1) wurde die Nichtigkeitsberufung des Angeklagten als unbegründet zurückgewiesen und seiner Schuldberufung nicht Folge gegeben.

Nach Verkündung des Urteiles des Berufungsgerichtes gab der Staatsanwalt in Ansehung des den Gegenstand des aufgehobenen Schuldspruches bildenden Tatvorwurfes (wörtlich) "eine Erklärung nach § 34 Abs. 2 StPO" ab (S 90 f).

Ungeachtet des beschriebenen Prozeßverlaufs stellte das Erstgericht mit der Endverfügung vom 11.Jänner 1990 (ON 24) die Rechtskraft des Ersturteils (ON 13) fest und ordnete insbesondere trotz der Beseitigung des Strafausspruchs die Einhebung der ursprünglich verhängten Geldstrafe an.

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen von diesem Verstoß gegen die §§ 397, 398, 409 StPO iVm §§ 260 Abs. 1 Z 3, 447 Abs. 1 StPO, § 1 Z 2 GEG standen schon der Schuldspruch wegen des Vergehens des Verstrickungsbruches nach § 271 Abs. 1 StGB und die darauf bezogene Entscheidung des Berufungsgerichtes (das überdies verabsäumt hatte, mit der Kassation des Schuldspruches wegen § 133 Abs. 1 StGB auch die entsprechende Verweisung der Privatbeteiligten Firma B*** mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg aufzuheben) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Dieses Vergehens macht sich schuldig, wer eine Sache, die behördlich gepfändet oder in Beschlag genommen worden ist, zerstört, beschädigt, verunstaltet, unbrauchbar macht oder ganz oder zum Teil der Verstrickung entzieht.

Den Urteilsannahmen zufolge hat Anton Z*** vorsätzlich geduldet, daß eine Reihe von Fahrnissen, die in dem von ihm gemieteten Geschäftslokal in Wien 3., Marxergasse 20, am 5. Jänner 1988 zur Sicherstellung des Bestandzinses gemäß § 1101 ABGB pfandweise beschrieben worden waren, rund eine Woche später durch einen gewissen Günther P*** aus dem Bestandobjekt verbracht wurden. Entgegen der Auffassung des Erst- und Berufungsgerichtes mangelt es an einem Deliktsobjekt im Sinne des § 271 StGB:

Mit der pfandweisen Beschreibung einer Sache nach § 1101 ABGB wird - unbeschadet der verfahrensrechtlichen Beschaffenheit dieses Vorganges als einer Sicherungsexekution eigener Art (Art XIII Z 6, Art XXVII EGEO) - kein Pfändungspfandrecht begründet, das gesetzliche Pfandrecht des Bestandgebers auch nicht in ein exekutives verwandelt, noch auch sonst die Sache behördlich sequestriert (vgl § 271 StGB: ".... in Beschlag genommen ..."). Die pfandweise Beschreibung dient nur der Feststellung der Fahrnisse, auf die sich das daran bereits durch das Einbringen in den Bestandgegenstand begründete gesetzliche Pfandrecht des Bestandgebers bezieht, hat solcherart nur deklarativen Charakter, bewirkt das Aufrechtbleiben des gesetzlichen Pfandrechtes des Vermieters auch nach dem Verbringen der Sachen aus dem Bestandobjekt und beschränkt nicht das Verfügungsrecht des Bestandnehmers. Eine solche Beschränkung könnte nur durch eine weitere exekutionsrechtliche Maßnahme, nämlich durch eine einstweilige Verfügung durch Verwahrung (§§ 378 ff EO), geschehen (vgl MietSlg 39.139, 35.197, 35.199, 32.866 mwN; EvBl 1985/12; Würth in Rummel I2 Rz 7 zu § 1101 ABGB ua). Da eine solche Maßnahme im vorliegenden Fall nicht getroffen worden war und demnach durch die bloße pfandweise Beschreibung keine Verfügungsbeschränkug des Verpflichteten eintrat, waren die eingebrachten und pfandweise beschriebenen Sachen weder behördlich gepfändet noch sonst - im Sinne einer zwangsweisen Bereitstellung zur Verfügung einer Behörde und eines solcherart begründeten öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses (vgl Liebscher im WK Rz 5 bis 9 zu § 271 StGB) - in Beschlag genommen. Folgerichtig wurden die Sachen durch ihre Verbringung auch nicht der Verstrickung entzogen, worunter (nur) die Aufhebung einer Verfügungsgewalt der Behörde zu verstehen ist (Liebscher aaO Rz 12).

Demnach verstößt der Schuldspruch wegen Verstrickungsbruches gegen das Gesetz und hätte bereits das Berufungsgericht den unter dem Nichtigkeitsgrund der §§ 477 Abs. 1, 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO mangelnde Tatbildlichkeit nach § 271 Abs. 1 StGB geltend machenden Einwendungen der Nichtigkeitsberufung des Angeklagten Rechnung zu tragen gehabt.

In Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde war mithin spruchgemäß zu erkennen.

Rechtssätze
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