JudikaturJustiz11Os51/12b

11Os51/12b – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Angrosch als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Svetislav D***** wegen Verbrechen der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Geschworenengericht vom 2. Februar 2012, GZ 20 Hv 59/11g 444, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche wegen zweier Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Satz zweiter Fall StGB (A/II und C/II) und eines Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 129 Z 1 und Z 4, 130 vierter Fall, 131 StGB (B) sowie eine Unterbringungsanordnung nach § 23 Abs 1 StGB enthält wurde Svetislav D***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen zweier Verbrechen der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB (A/I und C/I), zweier Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (C/III/a und b) und eines Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A/III) schuldig erkannt.

Danach hat er, soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung,

(A) in der Nacht zum 20. Mai 2009 in P***** Christa L*****

(I) „ohne deren Einwilligung mit Gewalt bzw. nachdem er die Einwilligung durch gefährliche Drohung erlangt hat“, sich ihrer sonst bemächtigt, um Rudolf L***** zu einer Handlung, nämlich der Übergabe von Lösegeld zu nötigen, indem er ihr, mit einer Strumpfmaske maskiert, eine Pistole gegen den Kopf hielt, ihr mitteilte, er würde sie fesseln und im Kofferraum nach O***** befördern und sie so lange festhalten, bis ihr Mann Geld von der Bank holen werde, sie mit einem Kabelbinder und einer Handschelle fesselte, wobei er von seinem Vorhaben erst abließ, als ihm Christa L***** mitteilte, dass sich Rudolf L***** im Ausland befinde;

(III) „widerrechtlich gefangen gehalten bzw. auf eine andere Weise die persönliche Freiheit entzogen“, indem er sie in der im Erdgeschoß gelegenen Sauna mit einer Eisengliederkette um den Fuß festband, wobei sich Christa L***** erst nach mehreren Stunden befreien konnte;

(C) in der Nacht zum 18. Oktober 2009 in S*****

(I) Wolfgang K***** „ohne dessen Einwilligung bzw. nachdem er die Einwilligung durch gefährliche Drohung erlangt hat, sich seiner sonst bemächtigt und entführt“, um Michaela H***** zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe von Lösegeld zu nötigen, indem er in das Wohnhaus der Michaela H***** eindrang, Michaela H***** und Wolfgang K***** mit vorgehaltener Pistole weckte, sie aufforderte, sich auf den Bauch zu legen, ihre Hände mit einem Strick und einem Klebeband am Rücken fesselte und die Augen verklebte, auf dem Computer der Michaela H***** ein Erpresserschreiben abspeicherte, mit Wolfgang K***** das Haus verließ und diesen mit einer Eisengliederkette um den Hals an einem Hochstand festband;

(III) andere „gefangen gehalten bzw. auf eine andere Weise die persönliche Freiheit entzogen“, wobei er die Freiheitsentziehung auf solche Weise beging, dass sie den Festgehaltenen besondere Qualen bereitete, und zwar

(a) Michaela H*****, indem er sie in einer Dusche auf einen Sessel setzte, mit Klebebändern die Augen verklebte und die Handgelenke und Oberarme am Oberkörper umwickelte, ihr eine Eisengliederkette um den Hals legte und sie mit einem Vorhängeschloss an der Duscharmatur fixierte, wobei Michaela H***** erst Stunden später von Polizeibeamten befreit werden konnte;

(b) Wolfgang K*****, indem er ihn unter Mitführung einer Waffe mit zugeklebten Augen aus dem Haus der Michaela H***** führte, ihn auf den Fahrersitz eines Pkw setzte, das Klebeband entfernte, ihn mehrere Kilometer in Richtung eines abgelegenen Hochstandes dirigierte, seine Hände fesselte und ihn auf dem Hochstand mit einer Eisengliederkette um den Hals, die er an einem Balken und durch den Kanzelboden des Hochstandes an einem Steher mit zwei Vorhangschlössern befestigte, und ihn dort zurückließ, wobei sich Wolfgang K***** erst nach mehreren Stunden befreien konnte.

Rechtliche Beurteilung

Die Geschworenen hatten die bezughabenden Hauptfragen (1, 5, 7, 11 und 12) jeweils bejaht.

Die gegen die genannten Schuldsprüche aus Z 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Die undifferenziert gegen die Annahme echter Konkurrenz zwischen § 99 (Abs 1 und Abs 2) und § 102 Abs 1 StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 12) übergeht in Betreff der Schuldsprüche A/I und III prozessordnungswidrig die Gesamtheit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen (zum Anfechtungsgegenstand vgl RIS Justiz RS0101476), wonach der Angeklagte sein Entführungsvorhaben nach der Geiselnahme der Christa L***** aufgegeben hatte (Hauptfrage 1), das Tatopfer aber weiter gefangen hielt, sodass es sich erst nach mehreren Stunden von der um ihren Fuß gelegten Eisengliederkette selbst befreien konnte (Hauptfrage 5). Solcherart macht sie aber nicht deutlich, aus welchem Grund eine über die Tatvollendung des § 102 Abs 1 StGB hinaus aufrecht erhaltene Freiheitsentziehung (hier: nach § 99 Abs 1 StGB) zur Erreichung des Entführungszwecks notwendig und typisch sein und demnach kraft Scheinkonkurrenz verdrängt werden sollte (vgl dazu Schwaighofer in WK 2 § 99 Rz 47). Soweit die Beschwerde die Schuldsprüche C/I und III betrifft, verlässt sie ebenfalls den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, indem sie ohne weiteres Vorbringen (der Sache nach) den genannten Konkurrenztypus auch für das Verhältnis zwischen einer nach § 99 Abs 2 zweiter Fall StGB qualifizierten Freiheitsentziehung und § 102 Abs 1 StGB reklamiert (für echte Konkurrenz Kienapfel/Schroll BT I 2 § 102 Rz 28; Schwaighofer in WK 2 § 99 Rz 46; differenzierend, jedoch bei außergewöhnlichem Freiheitsentzug ebenso Schmoller , SbgK § 102 Rz 99).

Entgegen der weiteren disloziert in der Berufungsschrift aufgestellten Behauptung (der Sache nach Z 13 zweiter Fall) hat das Erstgericht nicht gegen das

Doppelverwertungsverbot verstoßen, indem es das durch einschlägige Vorstrafen belastete Vorleben des Angeklagten neben dem Vorliegen der

Rückfallsvoraussetzungen (§ 39 StGB) als erschwerend wertete (RIS Justiz RS0091623 [T1]; Ebner in WK² § 32 Rz 71; Flora in WK² § 39 Rz 37).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.