JudikaturJustiz11Os47/22d

11Os47/22d – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lonin als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. * M* wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs 1, Abs 2 erster, dritter und vierter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 25. Jänner 2022, GZ 8 Hv 65/21d 639, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Dr. M* des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs 2 erster, dritter und vierter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich im Zeitraum von 2. Oktober 2015 bis 8. Oktober 2017 in B* und M* sowie an anderen nicht näher bekannten Orten im „International Common Law Court of Justice Vienna (ICCJV)“, einer Verbindung, der sich international zumindest 353 Mitglieder angeschlossen haben und die über eine auf Dauer, nämlich von ihrer Gründung am 19. Juni 2014 bis zumindest 11. Oktober 2018, angelegte, hierarchisch organisierte und arbeitsteilige Struktur mit * S* als Anführer verfügte, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es war , auf gesetzwidrige Weise, nämlich durch Etablierung von Pseudogerichtshöfen, die in Form von an ordentliche Strafverhandlungen angelehnten „Verhandlungen“ mit Hilfe von selbsternannten „Sheriffs“ Selbstjustiz üben, bei denen staatliche Entscheidungsträger, Politiker, Beamte, Richter und Privatpersonen entführt, gefangengehalten und „verurteilt“ hätten werden sollen, somit durch systematische Verletzung von staatlichen Vorschriften, weiters durch Gewalt und gefährliche Drohung mit Gewalt, die ordentliche Gerichtsbarkeit, somit eine verfassungsgemäße Einrichtung der Republik Österreich, zu erschüttern, indem dieser Einrichtung die Legitimation aberkannt wurde und sie durch einen von der Verbindung eingerichteten Gerichtshof, nämlich den „ICCJV“ ersetzt werden sollte, teils führend betätigt sowie die Verbindung teils mit Geldmitteln und teils sonst in erheblicher Weise unterstützt, indem er

als „National Justice of the Peace“, somit in seiner Eigenschaft als „Friedensrichter“ und führendes Mitglied einen maßgeblichen Einfluss auf den Aufbau der staatsfeindlichen Verbindung „ICCJV“ nahm,

der staatsfeindlichen Verbindung durch Übergabe erheblicher Geldmittel, nämlich Gold im Wert von zumindest 150.000 Euro an * L*, der als „Chief Sheriff“ des „ICCJV“ gewählt worden war und agierte und zumindest die oberösterreichische Außenstelle des „ICCJV“ errichtete und am „ICCJV“ österreichweit mitwirkte und auch (ISA) Präsident des Vereins „ISA International Sheriff Association“ war, der in das Schweizer Handelsregister eingetragen war sowie

Sachleistungen, nämlich den M*hof als Veranstaltungs , Ausbildungs und/oder Tagungsort und Meldeadresse für den „ICCJV“ („International Common Law Court of Justice Vienna“) sowie der dem „ICCJV“ angeschlossenen Vereinen nämlich „IIA – International Intelligence Agency“, „IRO – International Right Organisation“, „IRC – International Right Commission“ und „ISA – International Sheriff Association“ für Vereinsanmeldungen etc zur Verfügung stellte,

wobei er es ernstlich für möglich hielt und sich billigend damit abfand, sich durch diese Tätigkeiten führend in der Verbindung „ICCJV“ zu betätigen und diese staatsfeindliche Verbindung somit sonst in erheblicher Weise zu unterstützen.

[3] Die Geschworenen bejahten die in Richtung des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung gestellte Hauptfrage 1. Die Eventualfrage 1 nach dem Vergehen der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs 3 zweiter Fall StGB blieb demzufolge unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen das Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 10a, 11 lit a und lit b sowie Z 12a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[5] Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 13. Juni 2022, GZ G 124/2022 8, wurde ein Antrag des Nichtigkeitswerbers nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG zurückgewiesen.

[6] Die Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert die Abweisung (ON 638 S 22 f) des in der Hauptverhandlung am 25. Jänner 2022 gestellten Antrags auf – zusammengefasst – Beischaffung des Ermittlungsakts der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen, Kanton Thurgau, Schweiz, AZ SUV K.2017.54, zum Nachweis, dass „(auch) zu den hier anklagegegenständlichen Vorwürfen gemäß Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Graz vom 13.05.2021 zur GZ 15 St 7/21w, verhandelt vor dem Geschworenengericht zur GZ 8 Hv 65/21d, bereits umfassende [im Beweisantrag detailliert und ausführlich angeführte – ON 638 S 5 ff] Ermittlungen seitens der Strafverfolgungsbehörde der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen gegenüber Herrn Dr. M* über einen Zeitraum von November 2016 bis August 2019 geführt worden sind, die letztlich am 14.08.2019 mit Einstellungsverfügung seitens der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen, genehmigt am 15.08.2019 durch die Oberstaatsanwaltschaft Thurgau, beendet wurden, wobei diese Einstellungsverfügung in Rechtskraft erwachsen ist“, weshalb das laufende Verfahren, erst Recht aber eine Verurteilung des Beschwerdeführers einen Verstoß gegen das Verbot doppelter Strafverfolgung nach Art 54 SDÜ begründen würde (ON 638 S 5 ff).

[7] Ihr zuwider wurde der Antrag ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgelehnt (ON 638 S 22 f).

[8] Dem Beschwerdevorbringen, wonach für eine Verletzung des Verbots doppelter Strafverfolgung ausschließlich maßgeblich sei , dass sich die ermittelnden Behörden mit dem konkreten historischen Lebenss achverhalt, der den „späteren“ Vorwürfen zugrunde liegt, inhaltlich befasst haben, und dass die im Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz zu AZ 8 Hv 65/21d anklagegegenständlichen Vorwürfe zuvor bereits umfassend durch die Strafverfolgungsbehörden (auch) in Hinblick auf das Vorliegen einer staatsfeindlichen Verbindung geprüft und – jedenfalls den Beschwerdeführer betreffend – für strafrechtlich unbedenklich befunden worden sind, ist zu erwidern:

[9] Art 54 SDÜ untersagt die Verfolgung einer Tat, wenn in einem Mitgliedstaat des Übereinkommens (vgl das Schengen-AssoziierungsAbk Ch [SAA]; Abl L 53 vom 27. Februar 2008) der staatliche Strafverfolgungsanspruch durch eine Entscheidung einer dazu befugten Strafverfolgungsbehörde – nicht notwendigerweise durch ein (oder unter Mitwirkung eines) Gericht(es) – verbraucht ist (vgl EuGH 29 . 6. 2016, C 486/14 [Rz 39 „endgültig beendet“], Kossowski ), gleichviel ob durch Verurteilung, Verfahrenseinstellung oder Freispruch (vgl RIS-Justiz RS0117954 [T1]).

[10] Auch eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft in der Sache (aus Mangel an Beweisen – vgl Salimi in WK 2 StGB Vor §§ 62–67 StGB Rz 27) kann eine Aburteilung (iSv Art 54 SDÜ) sein, wenn sie einen Strafklageverbrauch („res iudicata“ – vgl EuGH 22 . 12. 2008, C 491/07 [Rz 34], Turanský ) bewirkt, also das Verfahren nur unter den Bedingungen und Förmlichkeiten einer Wiederaufnahme fortgesetzt werden darf (vgl 11 Os 73/13i). G egen denselben Beschuldigten darf also wegen derselben Tat nicht neuerlich ein Strafverfahren geführt werden (vgl Nordmeyer , WK-StPO § 190 Rz 25 f). Das Verfolgungshindernis bezieht sich nur auf nach ihrem historischen Geschehen idente Sachverhalte (erneut EuGH 29 . 6. 2016, C 486/14 [Rz 34] , Kossowski ); nur insoweit muss ein Verfolgungsausschluss nach Art 54 SDÜ angenommen werden (vgl erneut RIS Justiz RS0117954; vgl auch EuGH 12 . 5. 2021, C 505/19 [Rz 74 und 81], WS gegen Bundesrepublik Deutschland ). Die bloße Verfahrensanhängigkeit begründet demgegenüber kein Verfolgungshindernis (RIS-Justiz RS0117954 [T6]).

[11] Eine idente Tat („idem“) liegt vor, wenn den Verfahren bzw Entscheidungen (nicht der gleiche, sondern) derselbe historische Lebenssachverhalt zugrunde liegt. Als Beurteilungskriterien sind Tatzeit, Tatort, Gegenstand der Tat, Tathandlung, Täter, Tatopfer sowie verursachter oder beabsichtigter Erfolg heranzuziehen. Dabei darf ein Komplex von Tatsachen, die ihrer Natur nach unlösbar miteinander verbunden sind und in räumlicher und zeitlicher Hinsicht übereinstimmen, nicht in künstlich voneinander getrennte Handlungen aufgeteilt werden. Die Beurteilung der Frage, ob es sich um einen identen Sachverhalt handelt, obliegt grundsätzlich den nationalen Behörden und Gerichten (11 Os 5/15t, 11 Os 73/13i; vgl auch EuGH 9. 3. 2006, C 436/04 [Rz 38], Van Esbroeck ; EuGH 28. 9. 2006, C 467/04 [Rz 56], Gasparini ua ; EuGH 28. 9. 2006, C 150/05 [Rz 52], Van Straaten ; EuGH 18. 7. 2007, C 367/05 [Rz 27 und 32], Kraaijenbrink ; EuGH 18. 7. 2007, C 288/05 [Rz 37], Kretzinger ; Birklbauer , WK-StPO § 17 Rz 28 ff; Grabenwarter/Pabel EMRK 7 § 24 Rz 167).

[12] Die durch Verlesung durch den Vorsitzenden in der Hauptverhandlung am 25. Jänner 2022 vorgekommene (ON 638 S 23) – auf Art 319 Abs 1 lit b der Schweizerischen Strafprozessordnung [chStPO] gegründete [vgl Art 320 Abs 4 chStPO]) Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen vom 14. August 2019, AZ SUV K.2017.54 (Ausdruck aus der VJ zum AZ 12 St 306/16v der Staatsanwaltschaft Innsbruck, einliegend in der Beilagenmappe zum Hv-Protokoll ON 638), umfasst ausschließlich den von * Mü* im Schreiben an die genannte Staatsanwaltschaft vom 7. November 2016 und an die Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 20. November 201[5]6 (vgl die in der Hauptverhandlung am 25. Jänner 2022 durch Verlesung durch den Vorsitzenden vorgekommene [ON 638 S 23], bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck am 21. November 2016 eingelangte und in der Beilagenmappe zum Hv Protokoll ON 638 als Ausdruck einliegende Anzeige) gegen Dr. M* erhobenen Vorwurf der Nötigung (siehe Einstellungsverfügung S 9).

[13] Danach soll der „International Common Law Court of Justice Vienna“, dessen Mitbegründer Dr. M* (der zudem Präsident der „Stiftung zur Förderung der Kultur am M*hof“) sein soll, am 17. Februar 2016 und am 21. September 2016 beim „realen ICC Den Haag“ Klage unter anderem gegen den Anzeiger wegen „Verbrechen gg die Menschlichkeit“ und wegen „Verleumdung, Verhetzung, Rufmord und Rufschädigung“ (siehe S 1 f der Einstellungsbegründung), eingebracht haben, wobei sich der Anzeiger dadurch genötigt fühlte, dass sich die Institution des „ICCJV“ nicht an geltende Waffengesetze gebunden fühle und „Bedienstete“ des „Gerichts“ mit Waffengewalt „gg Gegner vorgehen dürften“.

[14] Ausschließlich das wegen dieses Vorwurfs der Nötigung zum Nachteil des Mü* durch Dr. M* geführte Strafverfahren hat die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen mit der in Rede stehenden Verfügung vom 14. August 2019, AZ SUV K.2017.54 eingestellt (siehe die Einstellungsbegründung S 10), wobei sie sowohl eine tatbestandsmäßige Nötigungshandlung als auch eine Erweisbarkeit der Täterschaft des Dr. M* verneinte (Einstellungsverfügung S 8 f), ohne dass sonstige Handlungen des Angezeigten im Zusammenhang mit dem „ICCJV“ tangiert waren.

[15] Da sich der von der – nach dem Gesagten allein maßgeblichen – Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen umfasste Sachverhalt nach den dargestellten Kriterien von dem dem hier gegenständlichen Strafverfahren zugrundeliegenden in Betreff von Tatzeit, Tatort, Tathandlung sowie des beabsichtigten Erfolgs (führende Beteiligung des Dr. M* an einer Verbindung im Sinn des § 246 Abs 1 StGB, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise durch Etablierung von „Pseudogerichtshöfen“, durch Gewalt und Drohung mit Gewalt die ordentliche Gerichtsbarkeit, somit einer verfassungsrechtlichen Einrichtung der Republik Österreich zu erschüttern und Unterstützung dieser Verbindung mit Geldmitteln und auf sonstige Weise durch Dr. M*) grundlegend unterscheidet, wurde die Strafverfolgung deshalb insofern nicht endgültig beendet und das Verfolgungsrecht nicht verbraucht (erneut EuGH 22. 12. 2008, C 491/07 [Rz 34], Turanský ), wobei im Übrigen die ins Treffen geführte Bestimmung des Art 275 chStGB (ON 638 S 12) ausschließlich Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung der Eidgenossenschaft oder der Kantone, somit gerade nicht die von § 246 Abs 1 StGB umfassten Interessen der Republik Österreich schützt.

[16] Weshalb dessen ungeachtet die Beischaffung des Ermittlungsakts der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen, AZ SUV K 2017.54 (= Beweismittel), das behauptete Ergebnis (= Beweisthema), nämlich den faktischen Nachweis eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art 54 SDÜ erwarten lasse, legte der Antragsteller nicht dar, weshalb die Beweisführung auf unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war und zu Recht unterblieben ist (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 327, 330 f).

[17] Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen zur Gegenausnahme des Art 55 Abs 4 SDÜ zum Erklärungsvorbehalt der Republik Österreich im Sinn des Art 55 Abs 1 SDÜ (vgl Salimi in WK 2 StGB Vor §§ 62–67 Rz 26) hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS Justiz RS0099618, RS0099117).

[18] Die Tatsachenrüge (Z 10a) erweckt mit der auf eine Darlehensvereinbarung vom 7. Februar 2020 (ON 619 S 13 ff), ein Anerkenntnis des * L* in der Hauptverhandlung am 19. Jänner 2022 (ON 637 S 48) zugunsten des Dr. M* hinsichtlich eines Betrags über 170.000 Euro und die Aussage des L* gegründeten Behauptung, bei der Übergabe von Gold im Wert von 150.000 Euro (vgl im Übrigen Sadoghi in WK 2 StGB § 246 Rz 6 und Salimi/Tipold, SbgK 246 Rz 43 zur Untergrenze von 10.000 Euro) im Jahr 2016 durch den Angeklagten habe es sich um ein an den Genannten als Privatperson gewährtes Darlehen und nicht um die finanzielle Unterstützung einer staatsfeindlichen Verbindung gehandelt, keine erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen (vgl RIS-Justiz RS0119583).

[19] Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) behauptet einen Rechtsfehler mangels Feststellungen, weil dem Wahrspruch nicht zu entnehmen sei, inwiefern sich der Angeklagte als „National Justice of the Peace“ führend im Sinn des § 246 Abs 2 erster Fall StGB betätigt haben soll.

[20] Solcherart leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS Justiz RS0116565), weshalb dies ausgehend von der Konzeption des § 246 Abs 2 StGB als alternatives Mischdelikt ( Salimi/Tipold , SbgK 246 Rz 7) und der hinsichtlich mehrerer Handlungen in Bezug auf dieselbe Verbindung bestehenden tatbestandlichen Handlungseinheit ( Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 71, § 278a Rz 32, § 278b Rz 17; RIS Justiz RS0124166) für die Frage des Schuldspruchs entscheidend sein sollte.

[21] Mit der Behauptung ( Z 11 lit b), dem gegenständlichen Verfahren liege nach den maßgeblichen Kriterien (Tatzeit, Tatort, Gegenstand der Tat, Tathandlung, Täter, Tatopfer und verursachter oder beabsichtigter Erfolg – 11 Os 73/13i; Birklbauer , WK-StPO § 17 Rz 28 ff) derselbe historische Lebenssachverhalt zugrunde wie jener, der im Verfahren der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen AZ SUV K.2017.54 zur Einstellung führte, reklamiert die Rüge das Vorliegen des (prozessualen) Verfolgungshindernisses des Art 54 SDÜ und kritisiert das Unterbleiben eines Freispruchs nach § 311 StPO.

[22] Sie macht nicht klar, inwiefern zwischen dem hier gegenständlichen und dem von der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen AZ SUV K.2017.54 umfassten Sachverhalt, der ausschließlich den von Mü* erhobenen Vorwurf der Nötigung im Zusammenhang mit beim ICC anhängig gemachten Klagen zum Gegenstand hatte, die für eine Sperrwirkung maßgebliche Tatidentität indiziert sein sollte (RIS Justiz RS0118580).

[23] Im Übrigen ist Österreich nach dem zu Art 55 SDÜ erklärten Vorbehalt (vgl Lewisch , WK-StPO Vor §§ 352–363 Rz 118; Salimi in WK 2 StGB Vor §§ 62–67 Rz 26; 14 Os 112/03) unter anderem dann nicht durch Art 54 SDÜ gebunden, wenn die Tat – wie hier – dem Straftatbestand der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 StGB zu unterstellen ist (Z 2 lit c).

[24] Soweit die Rüge auf die Gegenausnahme des Art 55 Abs 4 SDÜ rekurriert, legt sie wiederum nicht dar, inwiefern das auf der Anzeige des Mü* vom 20. November 2015 gegen Dr. M* wegen Nötigung betreffend zwei Klagen des „International Common Law Court of Justice Vienna“ beim „realen ICC Den Haag“ beruhende (vom Obersten Gerichtshof im Übrigen gemäß § 285f StPO mit samt den zugrundeliegenden Ermittlungsakten AZ 2 St 306/16v der Staatsanwaltschaft Innsbruck in Kopie beigeschaffte) Ersuchen der Republik Österreich um Übernahme der Strafverfolgung zu AZ 2 OStA 464/16d der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck (dem zugrundeliegend AZ 12 St 306/16v der Staatsanwaltschaft Innsbruck – vgl auch die Blg ./3 zur ON 638) an das Schweizerische Bundesamt für Justiz vom 12. Dezember 2016 (das in Kopie mitsamt einer Kopie der Ermittlungsakten AZ 2 St 306/16v der Staatsanwaltschaft Innsbruck der Verteidigung zur allfälligen Äußerung zugestellt wurde – Ratz , WK-StPO § 285f Rz 8) die Erfassung von hier gegenständlichen Tatvorwürfen (Art 55 Abs 4 SDÜ „wegen derselben Tat um Verfolgung ersucht […] hat“) indizieren sollte (RIS Justiz RS0118580).

[25] Gesetzeskonformes Ausführen einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0124801, RS0116823).

[26] Schon daran scheitert die Rüge, die Handlungs und Erfolgsunrecht sowie einen Gesinnungsunwert bestreitet, vielmehr sozialadäquate Handlungen behauptet, jedoch nicht darlegt, weshalb ungeachtet dessen, dass der Angeklagte keine Verantwortung übernahm (so ON 637 S 11, 27) und (sogar noch) am Schluss der Verhandlung einen Freispruch forderte (ON 638 S 24), keine spezialpräventiven Bedenken (RIS Justiz RS0116299) begründet sein sollten (zum leugnenden Angeklagten in der Hauptverhandlung vgl Schroll/Kert , WK StPO § 198 Rz 36/4 und RIS Justiz RS0126734 [T4]).

[27] Im Übrigen signalisiert bei einem – wie hier – fünf Jahre Freiheitsstrafe erreichenden Strafrahmen bereits die (im Gegenstand über zwei Jahre dauernde) Tatbestandsverwirklichung (zudem bei mehrfacher Qualifikation und deutlich überdurchschnittlichem Geldmitteleinsatz – erneut Sadoghi in WK 2 StGB § 246 Rz 6 und Salimi/Tipold , SbgK § 246 Rz 43) ein hohes Maß an krimineller Energie sowie einen erheblichen sozialen Störwert und damit einen gesteigerten Unrechtsgehalt, zumal das Verbrechen der staatsfeindlichen Verbindung die vitalsten Interessen des österreichischen Staats berührt ( Salimi in WK 2 StGB § 64 Rz 7). Ein bloß durchschnittliches Verschulden setzt daher bei Tatbeständen mit hoher Strafbefugnis in der Regel – hier vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemachte – besondere unrechts oder schuldmindernde Umstände voraus ( Schroll/Kert , WK StPO § 198 Rz 28/1).

[28] Das offenbar vorsorglich zur horizontalen Erschöpfung des Rechtszugs (Art 35 MRK) erstattete Beschwerdevorbringen, wonach Protokollierungsvorschriften verletzt und der Vorsitzende befangen gewesen sei, was allerdings bewusst nicht gerügt worden sei , bedarf – mangels Behauptung von Nichtigkeit begründenden Umständen – keiner Erwiderung.

[29] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

Rechtssätze
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