JudikaturJustiz11Os42/81

11Os42/81 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. April 1981

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.April 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Robl als Schriftführer in der Strafsache gegen Doris A u.a. wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Karl B und die Berufung der Angeklagten Doris A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Jugendgerichtshof Wien vom 19.Jänner 1981, GZ 17 Vr 89/80-95, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Schröfl und Dr. Schriefl sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Nurscher zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Karl B und Doris A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen die am 9.August 1962 geborene beschäftigungslose Doris A, der am 29.Juli 1963

geborene Installateurlehrling Heinz C - zur Tatzeit beide noch Jugendliche - und der am 14.Jänner 1960

geborene Installateurhelfer Karl B des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und Doris A überdies des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Laut dem Urteilsspruch hatten die drei Angeklagten am 12.Jänner 1980 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) den Herbert D vorsätzlich getötet, indem sie ihn abwechselnd mit einem Strick am Hals so lange würgten, bis er benommen zu Boden sank, ihm sodann mit einem ca. 32 cm langen Küchenmesser mit einer Klingenlänge von knapp 20 cm zahlreiche, teils bis in die linke Herzkammer dringende Stiche in Brust und Rücken sowie tiefe Stiche in den Hals zufügten, ihm abwechselnd zahlreiche wuchtige Schläge mit einer eisernen Beißzange und Fußtritte gegen den Schädel versetzten, was Rißquetschwunden am Schädel und Eindellungsbrüche in der Schläfengegend des Herbert D zur Folge hatte, das Küchenmesser ihrem Opfer in die offene Mundhöhle rammten und es mit einem wuchtigen Fußtritt noch tiefer in den hinteren Gaumenbereich des Opfers stießen und schließlich eine eiserne Bratpfanne, eine leere Zweiliter-Weinflasche und Gläser wuchtig auf den Kopf des Opfers schlugen, was Rißquetschwunden und einen dünnen Schädelbruch des Herbert D zur Folge hatte (Punkt A des Schuldspruches). Doris A liegt außerdem zur Last, dem Herbert D zwei Hundert-Schilling-Scheine mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (Punkt B des Schuldspruches).

An die Geschwornen war bezüglich des Angeklagten Karl B - nur er ficht das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde an - die (anklagekonforme) Hauptfrage 3 nach dem Verbrechens des Mordes gerichtet worden, die von ihnen einstimmig bejaht wurde. Die Karl B betreffenden Zusatzfragen 2 und 3 nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) und entschuldigendem Notstand (§ 10 StGB) verneinten die Geschwornen einstimmig.

In seiner allein auf den Nichtigkeitsgrund der Z 6

des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde macht der Angeklagte Karl B eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung geltend. Nach seiner Auffassung wäre es nötig gewesen, seiner Verantwortung durch Stellung von Eventualfragen nach den Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) und der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs. 2 StGB) Rechnung zu tragen. Der Schwurgerichtshof habe den darauf gerichteten Antrag des Verteidigers mit der Begründung abgewiesen, die im Beweisverfahren hervorgekommenen Umstände ließen nur den Schluß zu, daß (auch) der Angeklagte B die Absicht gehabt habe, Herbert D zu töten (S 311/II). Mit dieser Begründung gehe der Schwurgerichtshof aber daran vorbei, daß im Beweisverfahren Tatsachen vorgebracht worden seien, die, wenn sie als erwiesen angenommen worden wären, die Beurteilung der Tat nach einem anderen (milderen) Strafgesetz, eben nach den §§ 83, 86 oder nach dem 87 StGB, zuließen. Diese Ansicht sucht der Angeklagte in der Rechtsmittelschrift durch ausführliche Zitate aus den Akten zu belegen.

Rechtliche Beurteilung

Der behauptete Nichtigkeitsgrund liegt jedoch nicht vor. Abgesehen davon, daß vom Verteidiger des Angeklagten B nur die Stellung einer Eventualfrage in Richtung des § 87 StGB begehrt wurde (S 309/II), ist den Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) und der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs. 2 StGB) gemeinsam, daß der Tod des Geschädigten als eine vom ohne Tötungsvorsatz handelnden Täter nur fahrlässig herbeigeführte Folge der Tat eintreten muß;

handelt hingegen der Täter mit (zumindest bedingtem) Tötungsvorsatz, so verantwortet er ein vorsätzliches Tötungsdelikt (Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, § 86 RN 6; § 87 RN 7;

Kienapfel, BT I; Rz 391 zu § 86 u. Rz 408 zu § 87). Der Angeklagte Karl B bekannte sich nun in der Hauptverhandlung ebenso wie die beiden Mitangeklagten im Sinn der Anklage schuldig (S 243/II) und bekundete - im wesentlichen übereinstimmend mit seinen Angaben im Vorverfahren - insbesondere, Doris A habe schon vor dessen Kommen gesagt, daß sie Herbert D abstechen wolle, was er (B) aber nicht geglaubt habe. Nachdem D mit einem Strick gewürgt und von Doris A in den Bauch gestochen worden war, habe letztere ihn (B) aufgefordert, den Kopf des bereits auf dem Boden liegenden D zu halten, weil sie hineinstechen wollte.

Als D sich halb aufsetzte, habe er ihm die Zweiliter-Flasche auf den Kopf geschlagen, und ihm, als er sich nochmals aufsetzte, auch Tritte gegeben, dann habe C zugestochen. Der Angeklagte B gab auch zu, mit dem Fuß auf das im Mund des Herbert D steckende Messer gestoßen zu haben, er wisse aber nicht, warum er das tat (S 269 ff/II).

Die Verantwortung des Angeklagten B enthält kein Tatsachenvorbringen, welches, sollte es als erwiesen angenommen werden, die Anwendung eines milderen Strafgesetzes und insbesondere eine Beurteilung seiner Tat als Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) oder als absichtliche schwere Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs. 2 StGB) rechtfertigen würde. Daran vermögen auch die Behauptungen des Angeklagten B im Zuge seiner Vernehmung, er sei sich nicht richtig bewußt gewesen, was da geschah, und habe mit der Zange nicht mit voller Wucht hingeschlagen, weil er Herbert D nicht verletzen wollte, sondern habe nur zugeschlagen, weil er dazu aufgefordert worden sei (S 273/II), nichts zu ändern.

Denn allein daß er über Aufforderung der Doris A, die sich zuvor geäußert hatte, D abstechen zu wollen und ihm bereits einen Bauchstich versetzt hatte, den Kopf des auf dem Boden liegenden D festhielt, um Doris A das (weitere) Zustechen zu ermöglichen (S 269- 270/II), indiziert eindeutig die Tatbeteiligung des Angeklagten B in Kenntnis des Tötungsvorsatzes der Doris A und demzufolge auch mit eigenem (zumindest bedingtem) Tötungsvorsatz, und schließt damit die Annahme aus, daß der Tod des Herbert D lediglich als (fahrlässig herbeigeführte) Folge eines Handelns mit bloßem Mißhandlungs- oder Verletzungsvorsatz eingetreten wäre. Ob der Angeklagte B die den Tötungsvorsatz bekundenden Äußerungen der Doris A von allem Anfang an ernst nahm, kann dahingestellt bleiben. Für die Zurechnung als Mord genügt es, daß er seinen Tatbeitrag in Kenntnis solchen Vorhabens leistete.

Die in der Nichtigkeitsbeschwerde aufgeworfene Frage, warum der Beschwerdeführer zur Ausführung der Tat beitrug, ob er sich damit Doris A gewogen machen oder ihr imponieren wollte, kann auf sich beruhen. Denn sie betrifft lediglich das für die rechtliche Beurteilung der Tat unerhebliche Motiv des Angeklagten Karl B. Daß sein Vorsatz auf Mißhandlung eines 'scheinbar schon Toten' gerichtet gewesen wäre, wie in der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt wird (S 358/II), ist eine Behauptung, die bisher im Verfahren nicht aufgestellt wurde und somit als Neuerung nicht beachtet werden kann. Im übrigen widerspricht sie auch der Verantwortung des Angeklagten B, wonach sich Herbert D, als der Beschwerdeführer seinen Tatbeitrag leistete, noch aufzusetzen versuchte (S 270/II). Ob bereits der erste Stich, den Doris A gegen den Bauch von Herbert D führte, tödlich war, ist schon darum nicht entscheidend, weil sie die Angriffe, an denen sich Karl B beteiligte, jedenfalls gegen den noch lebenden Herbert D richteten, der somit taugliches Objekt eines Mordes war (Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, § 75 RN 1, 5 - 8, Foregger-Serini, Anm. II zu § 75 StGB). Daraus folgt, daß die vom Beschwerdeführer vermißten Eventualfragen nicht indiziert waren und durch ihr Unterbleiben der Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs. 1 Z 6 StPO nicht verwirklicht wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte nach dem § 75 StGB über den Angeklagten Karl B eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Jahren, über die Angeklagte Doris A unter Anwendung des § 11 JGG und unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Jahren. Es wertete bei der Angeklagten Doris A als erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, die führende Beteiligung an der Tat und den dringenden Verdacht, während der Haft neuerlich strafbare Handlungen begangen zu haben, als mildernd das Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit und die äußerst ungünstigen häuslichen Verhältnisse; beim Angeklagten Karl B als erschwerend keinen Umstand, als mildernd das im wesentlichen abgelegte Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel und das Alter unter 21 Jahren.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten eine Herabsetzung der

verhängten Freiheitsstrafen an.

Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Richtig ist, daß der (einstweilen) bloße, wenn auch begründete Verdacht der Begehung strafbarer Handlungen in der Haft bei der Angeklagten Doris A nicht als Erschwerungsgrund herangezogen werden darf, und daß dem Angeklagten B der Beitrag zur rascheren Tataufklärung durch Anzeigeerstattung zusätzlich zugute kommt. Im Hinblick auf die besonders grausame Art der Tatausführung erscheinen jedoch die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen unter Berücksichtigung der im übrigen richtig und vollständig im Urteil angeführten, für die Strafbemessung relevanten Umstände keinesfalls überhöht.

Die bekämpften Sanktionen liegen bei der Angeklagten A im oberen, beim Angeklagten B im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und werden so dem bedeutenden Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere der Schuld der beiden Täter durchaus gerecht.

Somit war auch den Berufungen ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung ist in der angeführten Gesetzesstelle begründet.