JudikaturJustiz11Os38/20b

11Os38/20b – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Mai 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Petar D*****, Aleksandar Ka*****, Vladimir K***** und Dominic B***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten K***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung aller Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Dezember 2019, GZ 63 Hv 97/19y 178, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des Angeklagten K***** in den Schuldspruchpunkten 3./D./I./a./ und b./, demzufolge auch in der zu 3./A./I./, II./ und D./I./ gebildeten Subsumtionseinheit nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB, demgemäß im diesen betreffenden Straf- und Verfallsausspruch (sowie im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit den Berufungen werden der Angeklagte K***** und die Staatsanwaltschaft (soweit sie diesen Angeklagten betrifft) auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Akten werden dem Landesgericht für Strafsachen Wien rückgemittelt, das entsprechende Aktenteile dem Oberlandesgericht Wien zur Erledigung der (verbleibenden) Berufung der Staatsanwaltschaft zuzuleiten haben wird.

Dem Angeklagten K***** fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Angeklagten Petar D*****, Aleksandar Ka***** und Dominic B***** sowie einen sämtliche Angeklagten betreffenden Freispruch (siehe aber RIS-Justiz RS0117436) umfasst, wurde Vladimir K***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall [RIS-Justiz RS0114037 {T6}, RS0116676 {T10}], Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, 12 zweiter Fall StGB (3./A./I./, II./a./ und b./ und D./I./a./ und b./), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (3./A./III./) sowie des (richtig:) Vergehens der Geldwäscherei nach § 165 „Abs 1“ [siehe aber RIS Justiz RS0129615 {T2, T3} und US 20], Abs 2 erster Fall StGB (3./C./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz und verkürzt wiedergegeben -–

[3./]A./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Heroin (angenommener Wirkstoffgehalt 11,39 % Heroin, 0,4 % Monoacetylmorphin und 0,7 % Acetylcodein)

I./ in einer die Grenzmenge des § 28b SMG um das 25 fache übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar

a./ im Sommer 2018 Nenad P***** und Petar D***** zumindest 200 Gramm;

b./ von etwa 20. bis 30. April 2019 Aleksandar Ka***** und Petar D***** zumindest 400 Gramm;

c./ im April 2018 an unbekannt gebliebene Abnehmer zumindest 240 Gramm;

d./ von Februar 2019 bis 30. April 2019 Aleksandar Ka***** zumindest etwa 1.400 Gramm;

e./ im Jänner 2019 unbekannt gebliebenen Abnehmern ca 120 Gramm;

f./ im Frühjahr 2019 Danijel R***** zumindest 80 Gramm;

g./ von 9. bis 18. April 2019 und von 27. bis 29. April 2019 Dominic B***** zumindest ca 300 Gramm;

h./ im Jahr 2019 Felix M***** zumindest 320 Gramm;

i./ im Jahr 2019 Marko V***** zumindest 128 Gramm;

j./ im Jänner 2019 an unbekannt gebliebene Abnehmer zumindest 9 Gramm;

II./ verschafft, und zwar in mehreren Angriffen in einer die Grenzmenge des § 28b SMG um das 25 fache übersteigenden Menge

a./ im Jänner/Februar 2019 zumindest 30 unbekannt gebliebenen Abnehmern der Tätergruppe eine nicht mehr feststellbare Menge von zumindest 25 Gramm, indem er diese Abnehmer an die Läufer der Tätergruppe zum Zweck des Heroinankaufs vermittelte;

b./ im Zeitraum von Mitte Juli 2018 bis zumindest Mitte September 2018 unbekannt gebliebenen Abnehmern zumindest ca 1.400 Gramm, indem er als Telefonist der Tätergruppe telefonisch die Bestellungen der unbekannt gebliebenen Abnehmer entgegennahm und in weiterer Folge den unbekannt gebliebenen Läufern die bestellten Mengen und Treffpunkte mit den Abnehmern bekannt gab;

III./ …

C./ …

D./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu den nachstehend angeführten strafbaren Handlungen

I./ bestimmt, und zwar

a./ zu nicht mehr festzustellenden Zeitpunkten im Sommer 2018 sowie im April 2019 Petar D***** zur Überlassung von Heroin in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich von zumindest 200 Gramm an Gezim S***** und weitere Abnehmer sowie von weiteren 400 Gramm an unbekannte Abnehmer, indem er diesen jeweils nach seiner Ankunft in Wien vom Busbahnhof abholte, zu Wohnungen der Tätergruppe brachte und mit dem Verkauf von Heroin beauftragte;

b./ zu nicht mehr festzustellenden Zeitpunkten im Frühjahr/Sommer 2018 Vladimir A*****, Milenko Ba***** sowie zumindest drei weitere unbekannt gebliebene Läufer zur Überlassung von zumindest 495,7 Gramm Heroin, indem er sie „zum Verkauf anwies“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 [lit] a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****.

Die

Mängelrüge (Z 5) unterlässt die zur prozessordnungsgemäßen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes unerlässliche Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0116504, RS0119370) und lässt mit vager Kritik (das Erstgericht sei „hier eine Begründung […] schuldig geblieben“ und habe „Widersprüche zwischen den Aussagen der vernommenen Personen […] nicht gewürdigt“ nicht einmal erkennen, auf welche konkreten Urteilsannahmen sie sich bezieht oder welchen Schuldspruch sie betrifft und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Gleiches gilt für die – ohne Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen erstgerichtlichen Erwägungen (US 23 ff, insbesondere US 28; RIS Justiz RS0116882) erhobenen – weiteren Vorwürfe, die Feststellungen zum „weitreichend angeblich vorliegenden Vorsatz des A.“ seien nicht (ausreichend) begründet (Z 5 vierter Fall) oder widersprüchlich (Z 5 dritter Fall).

Soweit die Rüge weiters bemerkt, dass einzelne Feststellungen den Angaben des Angeklagten K***** entnommen worden seien, und sie anschließend behauptet, dem Genannten – welcher niemals als „St*****“ aufgetreten sei – seien „Belastungen zugerechnet worden, mit welchen dieser überhaupt nichts zu tun gehabt habe“, übt sie lediglich eine – im schöffengerichtlichen Verfahren in dieser Form unzulässige – Beweiswürdigungskritik.

Auf welche Nichtigkeitskategorie das Vorbringen abzielt, eine als Begründung herangezogene Aussage des Zeugen S***** sei vom Vorwurf [3./A./] II./b./ „konsumiert“, lässt die Beschwerde im Dunkeln; auch insoweit entzieht sie sich damit einer inhaltlichen Auseinandersetzung (vgl US 24 f).

Die weitere Behauptung, das Erstgericht habe sich mit „widerstreitenden Beweisergebnisse[n] zwischen den Polizeiaussagen der Mitangeklagten … und zusätzlich auch V*****“ nicht auseinandergesetzt (Z 5 zweiter Fall), obwohl diese angegeben hätten, „ihr Gift von Ro***** erhalten zu haben“, ist unberechtigt, weil diese den Urteilsannahmen entsprechender Suchtgiftübergaben durch den Angeklagten K***** nicht entgegenstehen.

Im Übrigen gab der Angeklagte D***** bereits bei seiner polizeilichen Einvernahme an, Suchtgift von „Pu*****“ (Spitzname des Angeklagten K*****) erhalten zu haben (ON 11 S 143 ff), während der Angeklagte B***** vor der Polizei zu seinen Lieferanten gar keine Angaben machte (und in der Hauptverhandlung den Beschwerdeführer letztlich sogar ausdrücklich als seine Bezugsquelle nannte [ON 143 S 34, ON 11 S 203 ff]). Gleiches gilt im Ergebnis sowohl für den Angeklagten Ka*****, der tatsächlich angab, dass zwar alles über „Ro*****“ gelaufen sei, er das Heroin aber (überdies) von dessen Mitarbeiter übernommen habe (ON 11 S 181), als auch für den Zeugen V*****, welcher zwar ebenfalls „Ro*****“ als Hauptbezugsquelle nannte, aber weiters einräumte, zwischendurch zu einem seiner Freunde gegangen zu sein (ON 11 S 235).

Die ausdrücklich nur gegen die Schuldspruchpunkte [3./]A./I./a./ bis i./ gerichtete Tatsachenrüge (Z 5a) behauptet, dem Beschwerdeführer seien teilweise Suchtgiftgeschäfte einer von ihm unabhängigen „Linie“ der kriminellen Vereinigung angelastet bzw die von ihm zu verantwortenden Suchtgiftmengen seien „offensichtlich doppelt gerechnet“ worden, und beschränkt sich hiebei darauf, auf einzelne (Suchtgiftübergaben durch den Lieferanten „Ro*****“ behauptende) Aussagen der Angeklagten K***** und Ka***** sowie der Zeugen V***** und Felix M***** zu verweisen.

Indem die Rüge dabei übergeht, dass der Zeuge M***** letztlich sogar ausdrücklich betonte, das Suchtgift vom Angeklagten K***** erhalten zu haben (ON 143 S 44, 47 und 53), und es weiters unterlässt, die ins Treffen geführten Beweismittel in Hinsicht auf ihre Eignung, erhebliche Bedenken hervorzurufen, an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen zu messen (RIS Justiz RS0117961 [T1, T3]; vgl US 23 f, 26), zeigt sie keine erheblichen Bedenken im Sinn des lediglich auf geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung bezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0118780) auf, sondern zielt neuerlich auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren in dieser Form nicht zulässige Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung (vgl RIS Justiz RS0100555).

Die in Bezug auf den Schuldspruch 3./A./I./a./ bis i./ inhaltlich einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur inneren Tatseite behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) unterlässt mit der lapidaren Forderung, K***** hätte „mangels Tatvorsatzes … freigesprochen werden müssen“, jegliche Orientierung an den getroffenen Konstatierungen (US 22) und verfehlt somit ihre prozessordnungsgemäße Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K***** war demzufolge bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Aus Anlass seiner Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch von Amts wegen wahrzunehmen, dass das vorliegende Urteil zu den den Beschwerdeführer betreffenden Schuldspruchfakten 3./D./I./a./ und b./ weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht irgendeine Feststellungsbasis enthält. Die Urteilsgründe lassen deshalb nicht erkennen, dass K***** einerseits D***** zur Begehung der in 1./A./I./a./ und b./ genannten Handlungen (3./D./I./a./) und andererseits A*****, Ba***** sowie drei unbekannt gebliebene Läufer zur Überlassung von zumindest 495,7 Gramm Heroin an Dritte (3./D./I./b./) bestimmt hätte (vgl US 17 bis 23).

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers mangels Feststellungen (RIS Justiz RS0119884) in Ansehung des Angeklagten K***** in den Schuldspruchpunkten 3./D./I./a./ und b./, demzufolge auch in der zu 3./A./I./, II./ und D./I./ gebildeten Subsumtionseinheit nach §§ 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, 12 zweiter Fall StGB, demgemäß im betreffenden Straf- und Verfallsausspruch (sowie im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung) aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.

Hierauf waren dieser Angeklagte mit seiner Berufung und die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf diesen bezogenen Berufung zu verweisen.

Über die weitere, die Angeklagten Petar D*****, Aleksandar Ka***** und Dominic B***** betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285i StPO), dem das Landesgericht für Strafsachen Wien die entsprechenden Aktenteile zu übermitteln haben wird (§ 9 Abs 1, Abs 2 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO bleibt abschließend anzumerken,

1./ dass der K***** betreffende Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO zu 3./A./III./, wonach er „am 30. April 2019 [Heroin] mit dem Vorsatz besessen [habe], dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar in einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge, und zwar 38,1 Gramm Heroin, die er für den Weiterverkauf in seiner Unterkunft in Wien 3 ... aufbewahrte“ (US 9) in diesem Umfang zwar gleichfalls keine Feststellungsbasis aufweist (vgl US 21), dies aber für den Angeklagten ohne Nachteil bleibt, weil das Aufbewahren von „weitere[n] 14,2 Gramm Heroin in der Unterkunft in Wien 19“ mit dem entsprechenden Vorsatz den (ohnehin bloß) wegen § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG erfolgten Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) trägt.

2./ dass in Ansehung der die Angeklagten D***** und Ka***** betreffenden, jeweils nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (vgl RIS Justiz RS0114037 [T3]) ergangenen Schuldsprüche 1./A./III./ und 2./A./III./ eine Gesamtanalyse des Urteils (vgl US 4, 6 und 21) eine ausreichende Feststellungsgrundlage auch zur subjektiven Tatseite ergibt.

Rechtssätze
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