JudikaturJustiz11Os172/01

11Os172/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. März 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Liane O***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Wien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. September 2001, GZ 5b Vr 8871/00-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker und des Verteidigers Dr. Iglitsch, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Liane O***** von der wider sie erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Nach dem Anklagevorwurf habe sie sich vom 21. Juli bis zum 23. August 2000 (laut Anklagebegründung und Urteilsfeststellungen steht jedoch tatsächlich ein Zeitraum von 1998 oder spätestens 1999 bis zum 23. August 2000 in Rede) in zahlreichen Angriffen insgesamt 548.905,30 S Bargeld, das ihr als Filialleiterin der Schuhfirma Salamander in Wien 1, Kärntner Straße 9 anvertraut worden war, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch mit auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Das Erstgericht stellte im Wesentlichen fest, dass im Jahr 1998 in der von der Angeklagten geleiteten Filiale, in welcher außer ihr noch fünf weitere Mitarbeiterinnen tätig waren, "auf einmal Geld in der Höhe von etwa 10.000,- S bis 20.000,- S fehlte". Von ihrer Stellvertreterin Christine St***** auf diesen Fehlbetrag angesprochen stellte die Angeklagte in Aussicht, das "schon in Ordnung zu bringen". Dementgegen zahlte sie weder das fehlende Geld ein noch stellte sie die Mitarbeiterinnen zur Rede noch meldete sie den Diebstahl der Firmenleitung. So konnte in den folgenden Monaten entweder die Angeklagte oder eine der fünf Mitarbeiterinnen von den Tageseinnahmen immer wieder Geldbeträge mit Bereicherungsvorsatz an sich nehmen, sodass das Manko immer mehr wuchs. St***** sprach die Angeklagte wiederholt darauf an, worauf diese immer wieder versprach, die Sache "in Ordnung zu bringen", ohne jedoch irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Im September 1999 war das Manko auf ca 170.000,- S angewachsen. Bei einer Überprüfung durch die Firmenleitung am 25. August 2000 wurde ein Fehlbetrag von 545.405,30 S festgestellt. Dieses Geld war von der Angeklagten oder einer der weiteren fünf Mitarbeiterinnen mit Bereicherungsvorsatz an sich genommen worden (US 5 ff).

In seiner Beweiswürdigung führte das Schöffengericht zusammenfassend aus, es sei lediglich erwiesen, dass die Angeklagte ihre Pflichten und ihre Verantwortung als Filialleiterin für eine ordnungsgemäße Geldgebarung lange Zeit gröblichst vernachlässigt habe. Dass sie jedoch selbst (und niemand anderer) das Geld mit Bereicherungsvorsatz an sich genommen habe, sei ihr nicht mit der im Strafverfahren nötigen Sicherheit nachzuweisen (US 10).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend aufzeigt, wäre es bei dieser Sachlage geboten gewesen, Feststellungen darüber zu treffen, ob die - auf das sukzessive Verschwinden von Geld aufmerksam gemachte - Angeklagte als für die Gebarung verantwortliche Filialleiterin, die demnach eine Garantenstellung traf (§ 2 StGB), es (zumindest) ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch ihr Untätigbleiben trotz Kenntnis der Malversationen weitere Gelddiebstähle ihrer Mitarbeiterinnen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Denn diesfalls hätte sie hiemit zu deren strafbaren Handlungen (§§ 127 f StGB) beigetragen (§ 2 iVm § 12 dritter Fall StGB; vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 91, Steininger in WK2 § 286 Rz 24), wobei es in Bezug auf geförderte Straftaten genügt, wenn sie diese der Art nach und in groben Umrissen in ihre Vorstellungen aufgenommen hat (Fabrizy aaO Rz 93).

Die von der Anklagebehörde hinlänglich aufgezeigten Feststellungsmängel hindern aber die abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts, sodass der Freispruch mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet ist (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9a E 11).

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird sich das Schöffengericht bei der neuerlich vorzunehmenden Prüfung der Vorwürfe in Richtung Veruntreuung auch mit im Ersturteil unerörterten Beweisergebnissen, wie der Äußerung der Angeklagten gegenüber der Zeugin St***** über eine Geldentnahme ihrerseits (S 79, 127, 157 f, 317), sowie dem - lediglich in den Feststellungen erwähnten - von der Angeklagten nicht erklärten Umstand auseinander zu setzen haben, dass diese die ihren Behauptungen nach für die Fehlbeträge verantwortlichen Mitarbeiterinnen niemals zur Rede stellte und auch keinerlei filialinterne Maßnahmen zur Hintanhaltung weiterer Malversationen traf. Sollten die Tatrichter erneut zum Ergebnis kommen, dass eine Veruntreuung der Geldbeträge durch die Angeklagte nicht erweislich sei, wird zu prüfen sein, ob ihr ein (zumindest bedingter) Vorsatz in Bezug auf die in Betracht kommenden Diebstähle einer ihren Mitarbeiterinnen nachgewiesen werden kann.

Rechtssätze
4