JudikaturJustiz11Os159/17t

11Os159/17t – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Jänner 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Florian P***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 und Abs 2 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 39 U 133/17y des Bezirksgerichts Hernals, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 26. September 2017, AZ 132 Ns 141/17k (ON 9 der U Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 26. September 2017, AZ 132 Ns 141/17k, verletzt § 37 Abs 3 (zweiter Halbsatz) StPO.

Text

Gründe:

Mit am 10. April 2017 (ON 1 S 1) beim Bezirksgericht Gänserndorf zu AZ 7 U 48/17y eingebrachtem Strafantrag legte die Staatsanwaltschaft Korneuburg Florian P***** dem Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 und Abs 2 SMG subsumierte Handlungen zur Last, die dieser im Zeitraum von Oktober 2015 bis 9. Jänner 2017 in W***** und G***** gesetzt haben soll (ON 5).

Mit am 13. April 2017 (ON 1 S 8 in ON 7) beim Bezirksgericht Hernals zu AZ 39 U 50/17t eingebrachtem Strafantrag legte die Staatsanwaltschaft Wien Florian P***** ein am 21. Oktober 2015 in W***** begangenes dem Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG unterstelltes Verhalten zur Last (ON 8 in ON 7).

Mit Verfügung vom 13. April 2017 trat das Bezirksgericht Hernals die Strafsache an das Bezirksgericht Gänserndorf mit dem Hinweis „älterer Strafantrag“ ab (ON 1 S 8 in ON 7). Nach der Einbeziehung sprach das Bezirksgericht Gänserndorf mit „Beschluss“ (vgl dazu RIS Justiz RS0129801) vom 19. April 2017 seine örtliche Unzuständigkeit aus und legte die Akten dem Oberlandesgericht Wien mit dem Hinweis, dass das Bezirksgericht Hernals zur Aburteilung über den älteren Deliktszeitraum zuständig sei, zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt nach § 38 StPO vor (ON 1 S 3).

Mit Beschluss vom 26. September 2017, AZ 132 Ns 141/17k, sprach das den Bezirksgerichten übergeordnete Oberlandesgericht Wien aus, dass die Führung des Hauptverfahrens dem Bezirksgericht Hernals zustehe. Es komme nämlich die Rechtswirksamkeit des Strafantrags im bezirksgerichtlichen Verfahren erst in der Anordnung der Hauptverhandlung zum Ausdruck. Mangels entsprechender Verfügung fehle dem durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz II 2016 angefügten § 37 Abs 3 letzter Satzteil StPO der Anknüpfungspunkt, woraus das Oberlandesgericht Wien ableitete, dass sich die Zuständigkeit zur gemeinsamen Verfahrensführung nach der früheren Straftat (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO) richte. Da diese im Sprengel des Bezirksgerichts Hernals stattfand, sei dieses zuständig (ON 9).

Zwischenzeitig wurde das zu AZ 39 U 133/17y des Bezirksgerichts Hernals geführte Strafverfahren gegen Florian P***** gemäß §§ 227 Abs 1, 447 StPO eingestellt (ON 12).

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Die Zuständigkeit zur (wegen subjektiver Konnexität) gemeinsamen Führung beider Hauptverfahren richtet sich nach den Kriterien des § 37 Abs 3 iVm Abs 2 StPO. Nach der – auch im Verfahren vor dem Bezirksgericht geltenden (15 Ns 104/15k; Oshidari , WK StPO § 37 Rz 7/1) – Bestimmung des § 37 Abs 3 StPO sind, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist, die Verfahren – mittels prozessleitender Verfügung (§ 35 Abs 2 zweiter Fall StPO) – zu verbinden.

Soweit – wie vorliegend – kein vorrangiger Anknüpfungstatbestand nach § 37 Abs 2 erster Satz StPO besteht, kommt die Führung des verbundenen Verfahrens jenem Gericht zu, bei dem die Anklage zuerst rechtswirksam geworden ist. Da § 450 StPO (anders als § 485 Abs 1 StPO für den Einzelrichter des Landesgerichts) keine Prüfung des Strafantrags in Betreff der örtlichen Zuständigkeit – bei deren Verneinung ein (anfechtbarer) Beschluss des Einzelrichters zu ergehen hat – vorsieht, lässt sich die zum Einzelrichterverfahren ergangene Judikatur (RIS Justiz RS0123445 [T4, T6]) auf das bezirksgerichtliche Verfahren nicht übertragen (12 Ns 77/14s). Vielmehr hat das Bezirksgericht das Verfahren insoweit in jeder Lage dem seiner Ansicht nach für die Verfahrensverbindung zuständigen Gericht zu überweisen (RIS Justiz RS0129801; Oshidari , WK StPO § 37 Rz 7/3 mwN). Da im bezirksgerichtlichen Verfahren auf den Zeitpunkt der Einbringung des Strafantrags abzustellen ist (vgl §§ 450 f StPO; 15 Ns 104/15k; 14 Ns 75/17s) und keine Anhaltspunkte für eine Sonderzuständigkeit (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO) vorlagen, wäre gemäß § 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO nicht das Bezirksgericht Hernals, sondern, weil der Strafantrag dort früher eingebracht wurde, das Bezirksgericht Gänserndorf zur Führung des Verfahrens zuständig gewesen.

Die aufgezeigte Gesetzesverletzung war – zufolge bereits erfolgter Verfahrenseinstellung – bloß festzustellen (§ 292 vorletzter Satz StPO).