JudikaturJustiz11Os149/11p

11Os149/11p – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kopinits als Schriftführer, in der Strafsache gegen Robert M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Zweitangeklagten Arif N***** und des Drittangeklagten Boris Y***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten N***** und Y***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. August 2011, GZ 111 Hv 26/11y 103, ferner über die Beschwerden des Zweit und des Drittangeklagten gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten N***** und Y***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil das auch die unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Verurteilung des Erstangeklagten Robert M***** enthält wurde der Zweitangeklagte Arif N***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB (A) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (B) sowie der Drittangeklagte Boris Y***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB (A) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien

A. im April und Mai 2010 Robert M*****, Arif N***** und Boris Y***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der A***** AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich darüber, dass die P***** GmbH und die ME*****ges.m.b.H. Waren im Wert von insgesamt 108.758,16 Euro an die Na*****gesmbH geliefert hätten, wobei sie falsche Beweismittel benützten, indem sie dementsprechende Rechnungen und Lieferscheine vorlegten, zu Handlungen, nämlich zum Ankauf der tatsächlich nicht bestehenden Forderungen gegenüber der Na*****gesmbH und Bezahlung eines Betrags von 38.601,23 Euro an die P***** GmbH und 24.591,60 Euro an die ME*****ges.m.b.H. als Kaufpreis verleitet, die die A***** AG in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag von 63.192,83 Euro am Vermögen schädigten, wobei M***** im Auftrag von N***** und Y***** im Namen der Na*****gesmbH den Bestand der Waren und die fristgerechte Bezahlung der Forderungen gegenüber Verfügungsberechtigten der A***** AG bestätigten, N***** als faktischer Geschäftsführer der P***** GmbH und der ME*****ges.m.b.H. den Kontakt mit der A***** AG über den Vermittler Peter D***** herstellte, mit diesem den Inhalt des Factoringvertrags festlegte und somit ebenfalls über den Bestand der oben genannten Forderungen täuschte und Y***** die Idee und Planung lieferte und als faktischer Geschäftsführer der Na*****gesmbH dieses Unternehmen zur Durchführung des Plans zur Verfügung stellte;

B. Arif N***** im Juli 2010 Peter D***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, nämlich die Äußerung „Das macht mich sehr, sehr böse, dass diesbezüglich nachgeforscht wird und ihr euch darüber Gedanken macht. Ich habe schon eine Vorstrafe wegen Körperverletzung, pass auf, was du machst. Wenn du so weiter machst, kann ich für nichts garantieren“, zu einer Unterlassung und zwar zur Abstandnahme von Erhebungen hinsichtlich der zu Punkt A genannten strafbaren Handlung genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Zweit und Drittangeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 (hinsichtlich N***** auch Z 9 lit a) StPO.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten N*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert die Abweisung (ON 102 S 143) des Antrags auf „neuerliche Einvernahme und Ladung des Zeugen Attila S*****, per Adresse ..., diesen zum Beweis dafür, dass der Angeklagte N***** ihm das Schreiben Beilage ./1 bereits im September [mit Blick auf ON 102 S 15 f erkennbar gemeint: 2010] übergeben hat, und zwar samt einem Konvolut an Rechnungen, sodass dieser das an das Landeskriminalamt weiterleitete“ (ON 102 S 139); dies zu Unrecht. Das Beweisbegehren ließ nämlich jeglichen Bezug zu entscheidenden Tatsachen vermissen, zumal das genannte Schreiben undatiert ist und keinerlei substrathaften Zusammenhang mit dem gegen den Zweitangeklagten erhobenen Strafvorwurf aufweist.

Die mit „Aktenwidrigkeit“ betitelte Mängelrüge macht gerade diesen fünften Fall des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht geltend, der nämlich nur vorliegt, wenn das angefochtene Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 467 mwN).

Im Übrigen beziehen sich die Vorwürfe der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht auf erhebliche Tatsachen, also solche, die nach Denkgesetzen und Lebenserfahrung nicht gänzlich ungeeignet sind, den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache, das heißt für Schuldspruch oder Subsumtion relevante Tatsachenfeststellungen zu beeinflussen (RIS Justiz RS0118316; Ratz , WK StPO § 281 Rz 409).

Nicht gesondert zu erörtern war daher die Aussage des Zeugen D*****, er (gemeint im Rechtsmittel ist offenbar der Zweitangeklagte vgl ON 102 S 67 f) sei „als Berater beider Firmen aufgetreten“, und zufolge der vom Angeklagten N***** unbestritten geführten Vorgespräche zum Zwecke der Vertragserrichtung (US 8) dass „beim Termin mit der P***** ... Herr F*****, Frau G***** und Si*****“ anwesend waren (so auch festgestellt US 9). Die „Meinung“ des Zeugen Ak*****, wer „Chef in der Firma“ gewesen sei (ON 82 S 79), ist nicht erörterungsbedürftiger Inhalt des Zeugenbeweises (Ratz , WK StPO § 281 Rz 435; RIS Justiz RS0097545, RS0097540). Dies gilt gleichermaßen für die Aussagen des Drittangeklagten (ON 82 S 41: „N***** hat sicher keinen Betrug gemacht. Er ist ein netter Mensch. Mit mir hat er nie Geschäfte gemacht. M***** hat gesagt, dass das seine Firma ist“), zumal diesem mit detaillierter Begründung insgesamt die Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde (US 13 f).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Betrugsfaktum geht mit der Behauptung eines (bloßen) Tatbeitrags nicht von der im Ersturteil festgestellten unmittelbaren Mittäterschaft aus (US 8, 10 f, 13). Hinweise auf diverse Verfahrensergebnisse vermögen die prozessordnungsgemäße Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit ebenso wenig zu begründen.

Auch die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch A argumentiert urteilsfremd, indem sie die Herstellung der Wertqualifikation nach § 147 Abs 3 StGB mit nicht festgestellten „Überschüssen der P***** GmbH gegenüber der A***** AG in Höhe von 19.000 Euro“ bestreitet und mit Blick auf § 167 Abs 2 StGB ohne methodische Ableitung, aus welchem Grund eine Zahlung der Na*****gesmbH von 10.000 Euro (US 9 f) nach Deliktsvollendung subsumtionsrelevant sein sollte.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch B schließlich ventiliert feststellungswidrig (US 11) eine milieubedingte Unmutsäußerung und verlässt mit der schlichten Spekulation, das Ansinnen des Zweitangeklagten habe nicht den guten Sitten widersprochen, den Anfechtungsrahmen. Das Zitat einer Kommentarmeinung ( Schwaighofer in WK² § 105 Rz 76), die sich selbst in einer Behauptung erschöpft, vermag die juristische Entwicklung des angeblichen Rechtsfehlers des Erstgerichts nicht zu ersetzen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 590).

Der Vollständigkeit halber sei aber festgehalten, dass im Gegenstand von einem Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 2 des § 105 StGB keine Rede sein kann (vgl Fabrizy , StGB 10 § 105 Rz 8 und 8a sowie Kienapfel/Schroll , StudB BT I² § 105 RN 64 und 69 f) derartige Nötigungen, die als Versuche, die Verfolgung strafbaren Verhaltens zu verhindern, häufig vorkommen, werden vielmehr von der einhelligen Spruchpraxis der österreichischen Gerichte als strafbar angesehen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Drittangeklagten Y*****:

Dieser hatte in der Hauptverhandlung den Antrag gestellt, „auf neuerliche Ladung und Einvernahme der Zeugin Zveta Z***** zum Beweis dafür, dass der Auftrag nie vom Drittangeklagten erteilt wurde, für die Anfertigung sämtlicher Stempel, dass sie auch nicht dem Erstangeklagten M***** den Vordruck dieser Stempel gab, zum Beweis dafür, dass die Aussage des Angeklagten M***** unrichtig ist“ (ON 102 S 141). Die Verfahrensrüge (Z 4) gegen dessen Abweisung durch das Schöffengericht (ON 102 S 143) versagt, weil die allein schuldrelevante Aussage der genannten Zeugin über die faktische Geschäftsführertätigkeit des Drittangeklagten in der Na*****gesmbH (ON 82 S 79, 81), in der die Frage der Stempel nicht angeschnitten wurde, davon nicht berührt wird. Die Beweiserhebung beleuchtet vielmehr lediglich (vgl ON 102 S 47 und 133) einen Teilaspekt (Auftrag zur Herstellung neuer Stempel für die Na*****gesmbH, die später zur Unterfertigung der wahrheitswidrigen Lieferscheine der ME*****ges.m.b.H. durch den Erstangeklagten M***** verwendet wurden; vgl dazu US 9 und 15), hätte aber die Gesamtlösung der Schuldfrage nicht beeinflussen können.

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) vermisst ein Eingehen auf Beweisergebnisse, wonach die Na*****gesmbH entgegen der erstgerichtlichen Annahme US 8, 16 ein „liquides Unternehmen war und ist“. Der Beschwerdeführer lässt dabei indes außer Acht, dass die Tatrichter (auch) von einem tatplangemäß fehlenden Zahlungs willen ausgingen (US 8, 14), weshalb der Zahlungsfähigkeit der Na*****gesmbH als debitor cessus allein keine entscheidende Bedeutung (also für die Frage der Schuld und der Subsumtion) zukommt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet unter Hinweis auf ein wegen der gegenüber der Abgabenbehörde verwendeten Scheinrechnungen eingeleitetes Finanzstrafverfahren, „die Unterstellung des Sachverhalts unter dem Straftatbestand des Betrugs“ sei „nicht möglich“. Sie lässt jedoch eine juristische Argumentation dafür vermissen, aus welchem Grund § 22 Abs 2 FinStrG auf Fälle der Realkonkurrenz (wie hier) anzuwenden wäre (vgl Kirchbacher in WK² § 146 Rz 185).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit dem Croquis der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der unter einem erhobenen Berufungen und Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.