JudikaturJustiz11Os129/96

11Os129/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Oktober 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Abdessalam Mohamed E***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 14. Mai 1996, GZ 20 c Vr 13.770/92-174, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr.Bassler, des Angeklagten Abdessalam Mohamed E***** und der Verteidigerin Dr.Mühl zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Jahre erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Abdessalam Mohamed E***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 15.November 1992 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Cherif Q***** als Mittäter Robert B***** durch mehrere Messerstiche vorsätzlich tötete.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform nach dem Verbrechen des Mordes gestellte Hauptfrage mit einer Gegenstimme bejaht. Weitere Fragen waren nicht gestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 6 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Mit Bezugnahme auf einzelne Ergebnisse des Beweisverfahrens erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung in dem Umstand, daß in der Hauptfrage seine Tathandlungen nicht näher konkretisiert seien, zumal nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr.S***** (ON 93) nicht alle Messerstiche tödlich waren, der Beschwerdeführer nach den Angaben des Mitttäters Cherif Q***** zwar als erster zugestochen, den Tod jedoch letzterer herbeigeführt habe, sodaß die Geschworenen nach Lage des Falles durch eine präzisere Fragestellung zu "Überlegungen hätten angeleitet werden müssen", worin ihrer Meinung nach die Tathandlung des Angeklagten bestand und ob tatsächlich "ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken mit dem Mittäter erfolgte".

Die Beschwerde verkennt, daß die an der Anklage orientierte Hauptfrage (§ 312 Abs 1 StPO) nur dazu dient, die Tat zu individualisieren, dh so zu beschreiben, daß Verwechslungen mit einer anderen Tat ausgeschlossen sind. Eine erschöpfende Beschreibung (Konkretisierung) des Tatablaufes ist daher nicht erforderlich. Im übrigen mußten sich die Geschworenen mit der hier bedeutsamen Frage, ob der Beschwerdeführer "im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Cherif Q***** als Mittäter" gehandelt hat, schon aufgrund des insoweit eindeutigen - von ihm in der Nichtigkeitsbeschwerde allerdings übergangenen - Wortlauts der Hauptfrage auseinandersetzen, sodaß der - nach Lage des Falles einer weiteren Konkretisierung gar nicht zugänglichen - Frage, wieviele und welche Stiche er dem Opfer zugefügt hat, angesichts des von den Geschworenen bejahten gemeinsamen Tötungsvorsatzes keine Entscheidungsrelevanz zukommt; der Angeklagte haftet nämlich auch dann als Mörder für den Tod des Robert B*****, wenn seine Stichführung - isoliert betrachtet - tatsächlich nur eine leichte oder schwere Körperverletzung nach sich gezogen hätte, weil eben jeder Mittäter den gesamten eingetretenen Erfolg zu verantworten hat, soweit dieser vom gemeinsamen Vorsatz erfaßt ist (Leukauf/ Steininger Komm3 § 12 RN 21).

Mit Bezugnahme auf die in der Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO) dargelegten Erwägungen der Geschworenen versucht der Beschwerdeführer in der Tatsachenrüge (Z 10 a) die Beweiswürdigung der Geschworenen nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen und seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen. Solcherart bringt er den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil er bloß aus den vorhandenen Beweisergebnissen andere, für ihn günstigere Schlußfolgerungen zieht, nicht aber auf aktenkundige Umstände hinweist, die allenfalls geeignet wären, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren. Dabei wertete es als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen, daß der Angeklagte bisher nicht vorbestraft ist, wobei "von einem bisherigen ordentlichen Lebenswandel jedoch nicht die Rede sein kann".

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte, eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, während die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung eine Erhöhung des Strafmaßes begehrt.

Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Vorweg sind die vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründe dahingehend zu korrigieren, daß dem Angeklagten der bisherige ordentliche Lebenwandel (uneingeschränkt) als Milderungsgrund zugute zu halten ist. Eine vom Angeklagten als Milderungsgrund reklamierte Ausnahmesituation "infolge der Aggression des Q*****" findet keine aktenmäßige Deckung.

Andererseits hat das Geschworenengericht bei der Erfassung der den Angeklagten treffenden Erschwerungsgründe die besonders brutale und grausame Art der Tötung des Robert B*****, dem zahlreiche Stichverletzungen im Bereich der Bauchhöhle (Leber, Niere, Gallenblase, Schlagader, Dünndarm) und Schnittwunden (insbesondere auch am Hals) zugefügt wurden (ON 50), unberücksichtigt gelassen.

Wird all das bei Ausmessung der verwirkten Strafe gebührend berücksichtigt, so reicht die vom Geschworenengericht mit der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens von zehn Jahren festgesetzte Freiheitsstrafe zur Erreichung der Strafzwecke nicht aus.

In Stattgebung der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufung war daher die über den Angeklagten verhängte Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche schuldangemessene Maß zu erhöhen; mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Rechtssätze
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