JudikaturJustiz11Os124/02

11Os124/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Trauner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Antun J***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Antun J***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 20. März 2002, GZ 38 Hv 52/02k-128, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung der Aussprüche, dass Antun J***** die Tat(en) gewerbsmäßig und mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen hat, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, sowie in der rechtlichen Unterstellung auch unter § 28 Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Antun J***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch rechtskräftige (Teil )Freisprüche enthält, wurde Antun J***** der zum Teil in der Entwicklungsphase des Versuches verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Salzburg, Spielfeld und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider (zu ergänzen: als Bestimmungstäter) Suchtgift in einer großen Menge gewerbsmäßig von Bosnien bzw Kroatien bzw Jugoslawien über Slowenien nach Österreich eingeführt und hier in Verkehr gesetzt, wobei es teilweise beim Versuch geblieben ist und er die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen hat, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmachte, und zwar 1) Mitte September 2001 durch Einfuhr von ca acht Kilogramm Marihuana und Übergabe an Ivan L***** und 2) durch Einfuhr von (weiteren) acht Kilogramm Marihuana sowie - zusammen mit (dem rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten) Mladen I***** - von 3.582 Ecstasy-Tabletten und 93 Gramm Cannabisharz und jeweiliger Übergabe an Ivan L*****, wobei es diesbezüglich beim Versuch geblieben ist.

Rechtliche Beurteilung

Den gegen ihn ergangenen Schuldspruch bekämpft Antun J***** mit einer auf die Gründe der Z 3, 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich zum Teil als berechtigt erweist, aber auch Anlass zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO bietet. Verfehlt ist zunächst allerdings die gegen den im Rahmen der Vernehmung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden vorgenommenen Vorhalt früherer Angaben des gesondert verfolgten Ivan L***** geübte Kritik (Z 3, 4 und 5), die damit begründet wird, dass der Zeuge L***** (noch vor der Befragung des Angeklagten) von seinem Entschlagungsrecht (§ 152 Abs 1 Z 1 StPO) Gebrauch gemacht hatte (S 482/IV iVm ON 146).

Nichtigkeit nach Z 3 kommt auch mit Blick auf § 252 Abs 4 StPO nicht in Betracht, weil Vorhalte bei der Vernehmung des Angeklagten der Beschwerde zuwider nicht Gegenstand des Verlesungsverbotes nach § 252 Abs 1 StPO sind (vgl § 245 Abs 1 zweiter Satz StPO; 14 Os 31/01; 13 Os 23/00 = EvBl 2000/173 = RZ 2001/1; Ratz, Zweifelsfragen beim [eingeschränkten] Verlesungsverbot nach § 252 StPO ÖJZ 2000, 550; ders in WK-StPO § 281 Rz 237).

Davon abgesehen lassen die Beschwerdeausführung eine deutliche und bestimmte Bezeichnung jener Aussagenpassagen, durch deren Vorhalt sich der Nichtigkeitswerber beschwert erachtet, vermissen, weshalb der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund auch nicht gesetzesgemäß ausgeführt wurde.

Gleiches gilt für die Mängelrüge (Z 5). Worin nämlich ein Begründungsmangel im Sinne dieses Nichtigkeitsgrundes gelegen sein soll, lässt, worauf die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend hinweist, die insoweit unter Missachtung der Entscheidungsgründe (vgl US 10, 19) nur allgemein auf frühere "Aussagen von Zeugen, deren Angaben den Erstangeklagten belasten, die somit vom erkennenden Gericht, insbesondere von den Schöffen in der Hauptverhandlung gehört, dann aber im Beweisverfahren nicht vorgekommen sind" sowie auf die Bestimmung des § 305 StPO und die Entscheidung 13 Os 23/00 hinweisende Beschwerde entgegen dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) nicht erkennen. Der Verfahrensrüge (Z 4) wiederum fehlt, wie der Generalprokuratur beizupflichten ist, ein dafür erforderlicher Antrag oder Widerspruch. Die Erklärung des Verteidigers in der Hauptverhandlung, er spreche sich gegen den genannten Vorhalt aus "und gegen die Verlesung dieser Aussage und auch gegen die Fragestellung" (S 439/IV), genügte als bloßer Protest gegen die Vornahme einer Prozesshandlung nicht. Trifft der Vorsitzende von Amts wegen eine prozessleitende Verfügung, bedarf es eines Antrages an den Gerichtshof, anders zu verfahren, um zur Rüge aus Z 4 berechtigt zu sein (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 314 mwN). Nicht an den Kriterien eines bestimmten Nichtigkeitsgrundes orientiert und daher ebenso prozessordnungswidrig (Ratz in WK-StPO § 285d Rz 10) ist der auf die Anlastung einer Menge von 8 kg Marihuana laut Schuldspruch Punkt 2 bezogene Einwand, dass der Angeklagte durch Gendarmeriebeamte ohne Beiziehung eines Dolmetschers vernommen wurde, obwohl er der deutschen Sprache nicht oder nicht ausreichend kundig sei, samt den daran geknüpften Beweiswerterwägungen. Im Übrigen weckt dieses Beschwerdevorbringen auch keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen (§ 281 Abs 1 Z 5a StPO; vgl S 63 ff/II).

Zu Recht bemängelt der Angeklagte jedoch, dass zur Subsumtion unter § 28 Abs 3 erster Fall SMG ausreichende Feststellungen nicht getroffen wurden (Z 10). Weder die Wendung, er habe "gewerbsmäßig gehandelt" (US 13), noch die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffenen Aussagen, "Diesbezüglich liegt hinsichtlich der subjektiven Tatseite Absicht vor. Er handelte darüber hinaus mit Fortsetzungsvorsatz, da er durch die wiederkehrende Begehung solcher strafbarer Handlungen zumindest teilweise seinen Lebensunterhalt finanzieren wollte" (US 20), enthalten die zur Qualifikationsanwendung erforderliche Konstatierung, dass der Angeklagte in der Absicht handelte (§ 5 Abs 2 StGB), sich durch wiederkehrendes Erzeugen, Einführen, Ausführen oder Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Der Mangel an Feststellungen erfordert die Urteilsaufhebung in Ansehung der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation sowie demzufolge auch des Strafausspruches und die Verfahrenserneuerung in diesem Umfang. Der nominell auch auf Z 10, der Sache nach nur auf Z 5 beruhende Einwand (2.2.b der Beschwerde), dass die - unter den Subsumtionserwägungen zu findende - Tatsachenannahme eines vierprozentigen Wirkstoffgehalts des nach Österreich eingeführten Marihuana (US 22) ungeachtet der Qualitätsangaben des Angeklagten (S 441/III, zur notorischen Bandbreite der THC-Konzentration 14 Os 8/96) unbegründet blieb, betrifft beim vorliegenden Urteilssachverhalt keinen für die Qualifikation nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG entscheidenden Umstand:

Da Feststellungen zur Willensausrichtung des Angeklagten in Hinsicht auf die Suchtgiftqualität und einen mit allenfalls bewusst kontinuierlicher Begehung verbundenen Additionseffekt (11 Os 91/00 mwN) nicht getroffen wurden, fehlt der auf Zusammenrechnung der Suchtgiftmengen beruhenden rechtlichen Annahme der Qualifikationsverwirklichung die erforderliche Grundlage auf der subjektiven Tatseite. Dieser vom Angeklagten nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 StPO zu seinen Gunsten von Amts wegen aufzugreifende Subsumtionsfehler (Z 10) zwingt zu Urteilsaufhebung und Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung in Ansehung des auf die Suchtgiftmenge bezogenen Qualifikationsausspruches. Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher im aufgezeigten Umfang Folge zu geben und demgemäß sowie aus deren Anlass das Urteil in den Aussprüchen über die Qualifikationen der Gewerbsmäßigkeit und der übergroßen Menge, damit auch in dem den Beschwerdeführer betreffenden Strafausspruch aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung zu verfügen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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