JudikaturJustiz11Os114/05g

11Os114/05g – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alexej K***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 1. August 2005, GZ 39 Hv 112/05b-101, sowie über seine Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Widerrufsbeschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Knibbe, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Lachmann

1) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A I sowie im Ausspruch über die Strafe (mit Ausnahme der Entscheidung über die Vorhaftanrechnung) und im Beschluss auf Widerruf aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Alexej K***** wird von der weiters wider ihn erhobenen Anklage, er habe gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz nachts zum 1. November 2002 in Wolfurt dem Hermann K***** Nahrungs- und Genussmittel, Alkoholika, Werkzeug, einen Radio-CD-Player und Bargeld im Wert von 330 EUR weggenommen, indem er an der Eingangstür zur Riedhütte des Hermann K***** den Schlosszylinder mit einem Werkzeug abdrehte und in die Hütte gewaltsam eindrang, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Für das dem Angeklagten weiterhin zur Last liegende Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall und 15 StGB wird er nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

2) den Beschluss gefasst:

Die Entscheidung über den Widerruf der dem Angeklagten in den Verfahren zu den AZ 41 Hv 7/02i und 27 Hv 112/02a des Landesgerichtes Salzburg gewährten bedingten Nachsicht der über ihn verhängten Freiheitsstrafen von acht Monaten und vier Wochen bleibt gemäß §§ 494a Abs 2 letzter Satz iVm 495 Abs 1 StPO dem Landesgericht Salzburg vorbehalten.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexej K***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt. Danach hat er an mehreren Orten in Tirol, Vorarlberg und Salzburg teils als Alleintäter, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter und in wechselnder Beteiligung durch Einbruch fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 3.000 EUR übersteigenden Wert zu den im Spruch näher angeführten Zeiten den dort genannten Geschädigten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz in sechs Angriffen weggenommen (A I und II) bzw in vier Angriffen wegzunehmen versucht (B), wobei er die Taten in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Gründe der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welcher indes keine Berechtigung zukommt. In seinem Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer, dass die Tatrichter die Annahme seiner Täterschaft zu den Schuldsprüchen A I und II sowie B I c auf die Ergebnisse einer Rufdatenrückerfassung (in Bezug auf ein angeblich vom Angeklagten benütztes Mobiltelefon) gestützt hatten, ohne festzustellen, ob und über welches Mobiltelefon bzw welche „Handy"-Nummer der Angeklagte überhaupt verfügte. Dieser Vorwurf unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) geht jedoch schon deshalb fehl, weil er vernachlässigt, dass das Schöffengericht das in Rede stehende Wertkartenmobiltelefon mit der SIM-Karte 0676 ***** mit nachvollziehbarer Begründung dem Angeklagten zugeordnet hat (US 16).

An diesem Umstand scheitert auch der im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) unternommene Versuch, basierend auf der demnach unhaltbaren Prämisse einer mangelnden Zuordnung des Mobiltelefons erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der den Schuldsprüchen zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Schließlich wird mit eben diesem - wie aufgezeigt nicht aktengetreuen - Einwand fehlender Feststellungen zu der dem Angeklagten zurechenbaren Handy-Nummer auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung gebracht, wird damit doch nur der behauptete Begründungsmangel wiederholt, aber nicht dargetan, welche für die rechtsrichtige Lösung der Tat- und Subsumtionsfrage erforderlichen Konstatierungen das Erstgericht zu treffen unterlassen haben soll.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet zu verwerfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugen, dass dem Schuldspruch A I die vom Generalprokurator in seiner Stellungnahme aufgezeigte, den Angeklagten benachteiligende, von diesem aber nicht geltend gemachte und deshalb von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) infolge Missachtung des hier zu beachtenden Grundsatzes der Spezialität der Auslieferung anhaftet.

Den Akten ist nämlich in Bezug auf dieses Schuldspruchfaktum weder die nach § 31 Abs 1 EU-JZG erforderliche Auslieferungsbewilligung zu entnehmen (vgl ON 43, 75 iVm ON 29) noch liegen aktenkundig Gründe für eine Aufhebung der Spezialitätsbindung (§ 31 Abs 2 EU-JZG) vor. Zum einen erstreckt sich die Strafverfolgungsbewilligung der Niederlande als die Auslieferung vollstreckender Staat nur auf die im Auslieferungsantrag unter Hinweis auf den Haftbefehl des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. Juli 2003 (ON 16) genannten, zwischen 21. November 2002 und 17. Jänner 2003 begangenen (elf) Taten, somit nicht auf den dort nicht angeführten Einbruch nachts zum 1. November 2002 zum Nachteil des Hermann K*****. Zum anderen haben weder die Niederlande noch der Beschwerdeführer nach seiner Übergabe auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet noch liegt sonst ein Tatbestand vor, der nach § 31 Abs 2 EU-JZG die Anwendung dieses Grundsatzes hindern könnte. Da keine Bewilligung des ausliefernden Staates zur Strafverfolgung (auch) wegen des dem Schuldspruch A I zugrunde liegenden Tatverhaltens vorliegt - ein diesbezügliches Auslieferungsverfahren ist im Übrigen auch nicht anhängig; RIS-Justiz RS0098426 -, war wegen des aus dem Prinzip der Spezialität erfließenden materiellrechtlichen Verfolgungshindernisses sofort mit Freispruch vorzugehen.

Bei der demnach nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB vorzunehmenden Neubemessung der Strafe für den aufrecht bleibenden Schuldspruch wurde als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall nach der letzten Haftentlassung, als mildernd hingegen der Umstand gewertet, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind. Bei Abwägung dieser Strafbemessungsgründe und unter weiterer Berücksichtigung der Vielzahl der deliktischen Angriffe sowie unter Bedachtnahme auf spezialpräventive Bedürfnisse ist trotz Wegfalls der zu A I beschriebenen Tat bei einer möglichen Höchststrafe von zehn Jahren die mit drei Jahren schuldangemessen bestimmte Freiheitsstrafe tat- und tätergerecht.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet. Die sofortige Entscheidung über den Widerruf der bedingten Nachsicht der über den Angeklagten vom Landesgericht Salzburg verhängten Strafen war dem Obersten Gerichtshof verwehrt, weil der Grundsatz der Spezialität auch einem solchen Widerruf entgegensteht. Denn der Widerruf der bedingten Nachsicht einer Strafe, auf die sich die Auslieferungsbewilligung nicht erstreckt, ist der (weiteren) Verfolgung und Verurteilung gleichzuhalten (s Mayerhofer StPO5 § 70 ARHG Anm 2, § 493 StPO). Dass diese Lösung der in der bei Mayerhofer aaO unter E 20a zitierten Entscheidung vertretenen Ansicht (des Oberlandesgerichtes Innsbruck), die hierin kein Hindernis für einen Widerruf sieht, vorzuziehen ist, ergibt sich auch daraus, dass der Vollzug einer widerrufenen Strafe ohne Zustimmung der ausliefernden Justizbehörde jedenfalls unzulässig wäre. Weil aber insoweit noch eine diese Zustimmung ausdrückende Ergänzung des Europäischen Haftbefehls möglich ist (§ 31 Abs 4 EU-JZG), war die Entscheidung über den Widerruf jenem Gericht vorzubehalten, welchem sonst die Entscheidung zukäme (§§ 494a Abs 2 letzter Satz, 495 StPO).