JudikaturJustiz11Os101/22w

11Os101/22w – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kornauth als Schriftführer in der Strafsache gegen * G* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 39 Hv 40/21f des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 15. Dezember 2021 (ON 33 der Hv Akten) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 39 Hv 40/21f des Landesgerichts Salzburg verletzt der Vorgang, dass die Vorsitzende bei der Verkündung des Urteils am 15. Dezember 2021 ein Maß der verhängten Freiheitsstrafe von 18 Monaten nannte, obwohl der Schöffensenat die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten beschlossen hatte, § 268 erster Satz StPO.

D ieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch über die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe beseitigt und dem Erstgericht aufgetragen, in diesem Umfang das beschlossene Urteil zu verkünden.

Text

Gründe:

[1] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 15. Dezember 2021, GZ 39 Hv 40/21f 33, wurde * G* unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 20 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Tagen, und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

[2] Einem am selben Tage verfassten Amtsvermerk der Vorsitzenden des Schöffengerichts ist zu entnehmen, dass dieses mit dem Beratungsprotokoll übereinstimmende und von der Vorsitzenden des Schöffengerichts in der Hauptverhandlung mündlich so verkündete Urteil im Umfang des Ausspruchs über die Strafe nicht mit dem in der Beratung einstimmig beschlossenen Urteil übereinstimmt, weil der Senat tatsächlich eine Strafe von 360 Tagessätzen (zu je 20 Euro) und eine (unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe von 12 Monaten als tat und schuldangemessen erachtete. Die oben genannte Strafe sei hingegen aufgrund irrtümlicher Notizen diktiert und im Beratungsprotokoll festgehalten (sowie in der Hauptverhandlung verkündet) worden (ON 34 S 1).

Rechtliche Beurteilung

[3] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend au sführt , steht die Verkündung des Urteils des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 15. Dezember 2021, GZ 39 Hv 40/21f 33, insoweit mit dem Gesetz nicht in Einklang:

[4] Gemäß § 257 erster Satz StPO hat sich das Schöffengericht nach Schluss der Verhandlung zur Urteilsfällung in das Beratungszimmer zurückzuziehen. Dort erfolgen Beratung und Abstimmung ( Lendl , WK StPO § 257 Rz 4). Zu verkünden ist das in der Beratung beschlossene Urteil mit allen in § 260 Abs 1 Z 1 bis 5, Abs 2 StPO genannten Punkten ( Danek/Mann , WK StPO § 268 Rz 1 und 7).

[5] Vorliegend erachteten die Tatrichter – wovon aufgrund des V ermerks der Vorsitzenden (ON 34) ungeachtet des abweichenden Inhalts des Beratungsprotokolls (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 312, § 292 Rz 6) auszugehen ist – neben der vorgenannten Geldstrafe eine gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 12 (und nicht von 18) Monaten für tat und schuldangemessen.

[6] Im Schöffenverfahren ist gemäß § 268 erster Satz StPO jenes Urteil zu verkünden, das nach Beratung vom Schöffensenat beschlossen wurde. Indem die Vorsitzende im Umfang des Ausspruchs über die Strafe ein Urteil verkündete, das dem vom Schöffensenat beschlossenen Urteil nicht entspricht und somit eine Kompetenz in Anspruch nahm, die ihr nicht zustand, verletzt die Verkündung des Urteils das Gesetz in dieser Bestimmung (vgl RIS Justiz RS0116267 [T13], RS0130723; Danek/Mann , WK StPO § 268 Rz 10).

[7] Diese Gesetzesverletzung gereicht dem Angeklagten zum Nachteil, weswegen sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden. Die Vorsitzende wird das beschlossene Urteil (in Anwesenheit aller Mitglieder des Schöffensenats; ein Fall des § 43 Abs 2 StPO liegt mangels neuer Entscheidung nicht vor) zu verkünden haben (RIS Justiz RS0130723 [T1]; Danek/Mann , WK StPO § 268 Rz 10).

[8] Klarstellend wird zudem darauf verwiesen, dass der Beginn der Probezeit mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft des ursprünglichen Strafausspruchs festzuhalten sein wird und von diesem rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gleichermaßen als beseitigt gelten (RIS Justiz RS0092039, RS0100444).