JudikaturJustiz11Ns80/07i

11Ns80/07i – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Oktober 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer, in der Medienrechtssache der Antragstellerinnen Elisabeth, Katharina und Viktoria M***** gegen die S***** wegen Zuerkennung eines Entschädigungsbetrages gemäß §§ 7 und 7a MedienG, AZ 41 Hv 82/07a des Landesgerichtes Salzburg, über den Delegierungsantrag der Antragstellerinnen und die Befangenheitsanzeigen des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz sowie der Mitglieder des Senates 8 dieses Gerichtshofes nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz und alle Richterinnen und Richter dieses Gerichtshofes zweiter Instanz sowie alle Richterinnen und Richter des Landesgerichtes Salzburg sind in dieser Medienrechtssache als befangen anzusehen.

Die Medienrechtssache wird dem Landesgericht für Strafsachen Wien übertragen.

Mit ihrem Delegierungsantrag werden die Antragstellerinnen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

In der bezeichneten Medienrechtssache begehrten die Antragsteller die Delegierung an das Landesgericht für Strafsachen Wien, „da deren Vater und gesetzlicher Vertreter der Drittantragstellerin Dr. Andreas M***** Richter am Oberlandesgericht Linz ist."

Das Landesgericht Salzburg legte diesen Antrag geschäftsordnungsgemäß dem Oberlandesgericht Linz vor.

Dessen Senat 8 und der Präsident des Gerichtshofes zweiter Instanz erklärten ihre Befangenheit mit der Begründung, dass der Vater der Antragstellerinnen bis zu seiner Bestellung als Leitender Visitator als Strafrichter des Oberlandesgerichtes Linz tätig war und zu den Richterinnen und Richtern des Oberlandesgerichtes Linz teils freundschaftliche, über bloß formale kollegiale hinausgehende Kontakte unterhalte.

Rechtliche Beurteilung

Aus den vorgebrachten Umständen ergeben sich bereits objektiv Gründe, die unter Berücksichtigung der Größe dieser Gerichtseinheit iSd § 72 StPO geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Präsidenten und sämtlicher Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichtes Linz - nicht nur der sich bislang Erklärenden - in Zweifel zu setzen (vgl Lässig, WK-StPO § 72 Rz 1-3): Unabhängig von den von einigen vorgetragenen subjektiven Umständen wäre zufolge der Berufsstellung des Vaters der Antragstellerinnen für die (beobachtende) Öffentlichkeit und für die Verfahrensbeteiligten eine unbefangene Entscheidung durch (ununterscheidbar alle - vgl 12 Os 68/07b) Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichtes Linz nicht zu vermitteln. Bei dieser Lage war von der Einholung von Äußerungen nach § 183 Abs 3 Geo abzusehen und die Befangenheit sämtlicher Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichtes Linz (einschließlich dessen Präsidenten und Vizepräsidenten) festzustellen. Weil das vorliegende Gesuch um Delegierung inhaltlich einen Ablehnungsantrag bildet und solcherart zu behandeln ist (SSt 57/64), hatte der Oberste Gerichtshof die Befangenheitsfrage auch hinsichtlich der Richterinnen und Richtern des in der Mediensache angerufenen Landesgerichtes Salzburg zu prüfen (s grundsätzlich Lässig, WK-StPO § 74 Rz 3).

Aus der aufrechten Stellung des Vaters der Antragstellerinnen als Leitender Visitator beim Oberlandesgericht Linz ergibt sich für einen objektiven außenstehenden Betrachter gleichsam ein Kontroll- und Aufsichtsverhältnis des Genannten zu den Richterinnen und Richtern (auch) des Landesgerichtes Salzburg. Schon objektiv erscheint damit - ohne dass es der Einholung entsprechender Äußerungen (§ 183 Abs 3 Geo) bedurft hätte - deren volle Unbefangenheit nicht frei von jeglichen Zweifeln (vgl wiederum Lässig, WK-StPO § 72 Rz 3). Daher war die Befangenheit aller Richterinnen und Richter des Landesgerichtes Salzburg (Präsident und Vizepräsident inbegriffen) festzustellen und die Medienrechtssache dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu übertragen (§ 74 Abs 3 zweiter Satz StPO, vgl bereits 13 Ns 62/07g und 12 Ns 66/07p).

Eine förmliche Entscheidung über den Delegierungsantrag erübrigte sich somit.

Rechtssätze
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