JudikaturJustiz10Os219/84

10Os219/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gföllner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Viktoria P*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 3, 148, 2. Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 14.Mai 1984, GZ 23 Vr 1518/83-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 20.Juli 1937 geborene, gelegentlich als Hausierhändlerin tätige Hausfrau Viktoria A des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 3, 148, 2. Fall, StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie in der Zeit zwischen Weihnachten 1982 und Mai 1983 in Unterweißenbach in mehreren (sieben) Angriffen, teilweise in Gesellschaft einer unbekannt gebliebenen Mittäterin mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Aloisia B teils durch Täuschung über ihre Rückzahlungswilligkeit zur Zuzählung von Darlehen, teils durch Täuschung über den wahren Wert angebotener Decken zu deren Ankauf, mithin zu Handlungen verleitet, welche die Genannte und ihre Schwester Theresia C am Vermögen (lt. Berichtigungsbeschluß vom 20.November 1984:) um S 171.400 S (nach Zusammenrechnung der in den Urteilsgründen angeführten Beträge richtig:

um 166.400 S) schädigten, wobei sie die Taten in der Absicht begangen hat, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Wegen Betruges in Ansehung weiterer (berichtigt:) 5.000 S wurde die Angeklagte gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, wobei allerdings ein Vergleich der Anklageerzählung (S 121) mit den Urteilsgründen (S 216 und 225) ergibt, daß dieses Freispruchsfaktum (vom 11.November 1982 - vgl S 225) von der Anklage gar nicht umfaßt war.

Ihren Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 4, 5 und 10 (nominell auch auf die Z 11, der Sache nach aber gleichfalls auf die Z 10) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Den Strafausspruch ficht sie mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich als begründet. Zutreffend wird von der Beschwerdeführerin als Begründungsmangel (Z 5) geltend gemacht, daß der vor allem auf die für glaubwürdig erachtete Zeugenaussage der Aloisia B und - wie mit dem ziffernmäßig zwar im Rahmen der Verfahrensrügen (Z 3 und 4) vorgetragenen, sachlich jedoch gleichfalls der Mängelrüge (Z 5) zuzurechnenden Vorbringen der Beschwerde releviert wird - auf das die optische Wahrnehmungsfähigkeit dieser Zeugin bestätigende Gutachten des Sachverständigen Dr. D gegründete Schuldspruch auf Beweismitteln beruht, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sind. Einerseits ist nämlich in der gemäß § 276 a StPO (wegen Zeitablaufes) neu durchgeführten Hauptverhandlung am 14.Mai 1984 weder eine Vernehmung der Zeugin Aloisia B erfolgt, noch wurde deren in der vertagten Hauptverhandlung vom 30.Jänner 1984 abgelegte Zeugenaussage gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO verlesen, andererseits ist auch das zwischen diesen beiden Hauptverhandlungen eingeholte schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. D (ON 36) in der Hauptverhandlung vom 14.Mai 1984 weder mündlich vorgetragen noch verlesen worden. Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (S 208) wurde zwar die Anzeige ON 2 (somit auch die darin enthaltene Polizeiaussage der Zeugin B - S 19) sowie das Protokoll über deren Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsrichter (ON 11) verlesen, doch stützte sich das Gericht - wie sich aus seinen Ausführungen zur Beweiswürdigung unzweideutig ergibt - hauptsächlich auf die Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung (vom 30.Jänner 1984), der es mit Rücksicht auf das eine ausreichende Sehfähigkeit attestierende Gutachten objektive Verläßlichkeit beigemessen hat. Diese Beweismittel hätten jedoch, da sie in der wiederholten Hauptverhandlung (vom 14.Mai 1984) nicht vorgekommen sind, nicht berücksichtigt werden dürfen (§ 258 Abs 1 StPO), weshalb der Ausspruch über die sich daraus ergebenden entscheidenden Tatsachen offenbar unzureichend begründet worden ist (SSt 31/2 ua).

Da das Gutachten des Sachverständigen Dr. D eben nicht Gegenstand der Hauptverhandlung war, wurden durch die mit ihm begründete Abweisung des von der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung gestellten Antrages (S 203 und 205) auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, daß Aloisia B infolge ihrer stark reduzierten Sehfähigkeit außerstande gewesen wäre, die Angeklagte als die vermeintliche Täterin (aller sieben betrügerischen Angriffe - zwei derartige Vorfälle gibt die Angeklagte zu) wiederzuerkennen, außerdem Verteidigungsrechte in einer der Nichtigkeitssanktion der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO unterliegenden Weise verletzt, war doch das zur Begründung des Zwischenerkenntnisses unter Mißachtung der Verfahrensgrundsätze der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit herangezogene Gutachten Dris. D solcherart einer defensiven Kritik entzogen worden. Somit zeigte sich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung über die zum Vorteil der Angeklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, weshalb der Beschwerde sofort Folge zu geben und das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil mangels Anfechtung unberührt zu bleiben hatte, im übrigen - auch in Ansehung des Ausspruches über die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg (SSt 12/44 ua) - aufzuheben war (§ 285 e StPO). Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen konnte demnach unterbleiben, doch sei hiezu mit Beziehung auf die Ausführungen im Rahmen der aus dem Grunde der Z 3 des § 281 Abs 1 (§ 244) StPO erhobenen Verfahrensrüge bemerkt, daß im fortgesetzten Verfahren die Anklageschrift selbst dann zu verlesen sein wird (§ 244 StPO), falls die Angeklagte oder ihr Verteidiger darauf verzichten wollten. Zufolge Kassation des Schuldspruches, welche auch die Aufhebung des Strafausspruches zur Folge hatte, erübrigt sich eine Entscheidung über die Berufung.